Meinung

Berlin erklärt Corona den Krieg – mit absurden bürokratischen Vorschriften und Regeln

Deutschland stemmt sich erfolgreich gegen die heimtückische Corona. Und wie? Natürlich mit vollem Einsatz aller Mittel und Kräfte, nicht nur mit Milliarden Euro für die systemrelevantesten Leidtragenden. Nein, auch mit den noch schärferen Waffen – der Bürokratie.
Berlin erklärt Corona den Krieg – mit absurden bürokratischen Vorschriften und RegelnQuelle: www.globallookpress.com

von Felix Duček

Neben allen anderen Bundesländern macht nun auch der Berliner Senat Lockerungsübungen. Kein Weltuntergang am 30. Mai, nein: Seit diesem Tag  gilt die aktualisierte "Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Berlin (SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung – SARS-CoV-2-EindmaßnV)". Nun gut, der Titel mag etwas lang und hölzern klingen, aber gemessen an der Länge der Verordnung haben sich die Autoren bei der Überschrift noch erstaunlich, bewundernswert kurz gefasst.

Klotzen statt kleckern

Das Prosawerk in Gänze umfasst 28 DIN-A4-Seiten, nicht gerechnet die Verweise auf andere, ähnlich wichtige und grundlegende Dokumente. Selbst auf den Verweis und Literaturangaben zu evidenzbasierten Belegen für den umfangreichen Maßnahmenkatalog musste (oder wollte man lieber?) verzichten. Der Senat macht eben – wie so manche Regierung der anderen Bundesländer auch – das, was er am besten kann: Papier beschreiben, und zwar möglichst viel Papier. Denn viel hilft viel, sagte man sich offenbar in der Senatskanzlei.

Besonders umfangreich gerät – trotz der offenkundigen Mode- und Leidensbereitschaft der leidenserprobten, aber loyalen Berliner Bevölkerung – der Katalog der Ordnungswidrigkeiten unter § 24 mit Androhung von Geldbußen von bis zu 25.000 Euro. Dieser Katalog umfasst allein bereits knapp drei DIN-A4-Seiten – während der § 23 davor noch lapidar mit drei Zeilen auskommt festzustellen, dass diese Verordnung "die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes), der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) und der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes) einschränkt."

Wozu die Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnung gut sein soll, und wodurch diese die Verbreitung der Corona-Pandemie einschränken soll, bleibt – ehrlich gesagt – verborgen. Eher wäre das Gegenteil zu vermuten. Aber wie dem auch sei: Im Übrigen geht es gar nicht um Masken, das Amtsdeutsch spricht und schreibt vorbildlich und nahezu korrekt stets von Mund-Nasen-Bedeckung. Eine winzig kleine sprachliche Unsauberkeit haben die Senatsmitarbeiter offenbar von Medizinern oder den sonstigen Fachleuten im Robert Koch-Institut abgeschrieben. Denn entweder könnte (oder müsste?) man von Münder-Nasen-Bedeckungen oder von Mund-Nase-Bedeckung reden. Wer hat schon einen Mund, aber zwei Nasen, dass er eine Mund-Nasen-Bedeckung anlegen müsste? Aber das Problem ist bekanntlich fortgepflanzt: Seit jeher untersuchen HNO-Ärzte immer gleich Hälse und Nasen… nein, Hals, Ohren und Nasen. Auch wenn wohl fast jeder Patient, der bei ihnen auftaucht, nur eine Nase mitbringt, ebenso wie seinen Hals.

Befreiend für Menschen mit Masken-Phobie wirkt jedenfalls § 2, Absatz 5, der nämlich regelt, "Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nach Absatz 4 gilt nicht für … Personen, … bei denen durch andere Vorrichtungen die Verringerung der Ausbreitung übertragungsfähiger Tröpfchenpartikel bewirkt wird." Chapeau! 

Eine interessante Übungsaufgabe für angehende Verwaltungsrechtler sind auch die verschachtelten Gültigkeitsfristen, Laien dürften damit überfordert sein: § 25 regelt noch das Inkrafttreten der Verordnung, und zwar am 23. März 2020 – obwohl sie erst vom 28. Mai stammt – und zugleich, dass sie "mit Ablauf des 4. Juli 2020 außer Kraft" tritt. Zusätzlich regelt dagegen der ganz am Ende der Verordnung folgende "Artikel 2 Inkrafttreten": "Diese Verordnung tritt am 30. Mai 2020 in Kraft." Da wundert sich natürlich ein Laie, wie lange die Verordnung wohl gelten wird, und ob sie ewig gelten wird, wenn sie vorsorglich zweimal in Kraft tritt, aber nur einmal außer Kraft.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Eines dürfte sicher sein: Die Kontrolle und Umsetzung, später Bußgeld-Eintreibung könnte gewiss eine umfangreiche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme werden. Man denke nur an das Personal der Ordnungsämter, wenn Falschparker wegen Ausbleiben der Touristenströme und Berufstätigen immer weniger werden. Viele Pendler pendelten ja wochenlang nur noch zwischen Küche, Homeoffice und Homeschooling im Kinderzimmer. Auch Fahrgastkontrolleure sind mittlerweile arbeitslos, denn erstens haben sich die Busfahrer vom lästigen Kleingeldeinsammeln und penetranten Fahrgästen erfolgreich abgeschottet, zweitens wäre Ticketkontrolle unter Wahrung des Abstandsgebots ohnehin schwierig, denn Schwarzfahrer sind in der Regel kein medizinischer Notfall. Übrigens zeigt sich hier: Nulltarif funktioniert, auch ohne langwierige parlamentarische Debatten und falsche Wahlversprechen, wirklich!

Für Bußgeldeintreibung könnte man wegen so zahlreicher Möglichkeiten eines Verstoßes gegen die Corona-Verordnung durchaus das Personal der Ordnungsämter aufstocken. Der Senat solle sich nur mal ein Beispiel am derzeitigen Boom der Security-Branche nehmen. Hartzer, Aufstocker und Langzeitarbeitslose bekommen endlich eine Chance durch (noch eine) Umschulung zu Maskenkontrolleuren, wo immer die Verordnung das vorsieht. Denn diese bisherigen Dienstleister allein können ohne Aufstockung von Personal ihrerseits sicher kaum alle Nachfragen von Baumärkten und Einkaufspassagen abdecken. Das Metier schreit förmlich nach lukrativer Public-Private-Partnership.

Apropos Partnership: Auch der sind enge Grenzen gesetzt. Im Gegensatz zur Schweiz ist in der deutschen Hauptstadt derzeit noch konsequent das Prostitutionsgewerbe untersagt, sowohl innerhalb wie auch außerhalb der Betriebsstätten (siehe "2. Teil Gewerbe, Handel …" unter § 5 Absatz 10). Also ist auch hier ein Umdenken auf Videokonferenzen offenbar sehr sinnvoll. Das gilt selbst für Partnervermittlungen. Denn sonst dürften Dienstleister wie Parship wohl Slogans wie: "Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single …" bald deutlich in Richtung "11 Wochen" aktualisieren müssen. Wie soll das im realen Leben noch gehen mit Corona-Kontaktverboten? Die Geburtenraten ebenso wie Eheschließungen werden also wohl weiter sinken. Kindergelderhöhung im Sinne von Hilfskrediten ist also ein Schritt in die richtige Richtung.

Es gibt kein Leben nach Corona, nur noch mit Corona

Die nächste Stufe der Notverordnungen sollte vom Senat nun bald in Angriff genommen werden: Aus der Corona-Not eine Konjunktur-Tugend zu machen. Man könnte auf lange Sicht die Abstandswahrung ja auch strukturell in die Gesellschaft tragen. Analog der heute schon vorbildlichen Fluggastdichte im BER könnte Berlin Vorreiter werden für die Finanzierung nachhaltiger Programme im Fahrzeugbau, für Haltestellen und Bahnhöfe, die praktisch immanent abstandsgerecht umgebaut werden. Durch abstandsgerechte Konstruktion werden zwar Fahrzeuge wesentlich länger, aber auch mit nur noch zwei Metern Breite für Gang und Sitzplatz deutlich schlanker. Bänke auf Bahnhöfen, in Parks und auf Spielplätzen werden durch weiträumig aufgestellte Einzelsitze zu ersetzen sein. Einzelne verbliebene Bänke erhalten übergangsweise Warnschilder: "Nur für Lebensgemeinschaften, Zuwiderhandlung wird mit Geldbuße geahndet." Auch an die Jüngsten sollte da gedacht werden: Klettergerüste sind abzubauen, Kletterstangen sind erlaubt. Denn eine Überfüllung und Abstandsmissachtung an Einzelkletterstangen wird eher selten zu beobachten sein. Und es muss auch auf Spielplätzen keineswegs alles umgebaut oder abgebaut werden. Tischtennis-Platten zum Beispiel sind geradezu vorbildlich abstandswahrend, die dürfen bleiben!

Bleibt die Frage der Motivation der notorisch Widerwilligen. Wie wäre es denn – so ungern man fremde Innovationen hierzulande abkupfert – mit einem baldigen Belohnungssystem für ideenreiches Maskentragen? Solidarität durch Masken (unter Wahrung des Vermummungsverbots, versteht sich) hilft – offenbar nach Erkenntnissen auch des Berliner Senats – mehr als regelmäßige Desinfektion von Griffen der Einkaufswagen und den Haltegriffen im ÖPNV. Zumindest fehlt über Letzteres jegliche Regelung in der jüngsten Verordnung. Also kann man sich das Sterilisieren von Griffen durchaus sparen, wenn sich nur die ganze Bevölkerung regelmäßiges und gründliches Händewaschen (unsere EU-Kommissionspräsidentin hat das medienwirksam demonstriert) angewöhnen und sich das Herumfingern im Gesicht, erst recht bei anderen Menschen, abgewöhnen würde.

Das Belohnungssystem für akkurates Verhalten könnte noch wirksamer werden, wenn Formen einer öffentlichen Sichtbarmachung von besonders hohen Maskentragekrediten eingeführt würden. Also wenn ein hohes Punktekonto in Sachen Corona-Vorbeuge-Kredit für die Mitmenschen sichtbar wird, ähnlich den früheren blauen und roten Halstüchern. Staatliche Überwachung und Reglementierung wie in China lehnen wir aber ab.

Alles hat auch seine guten Seiten

130 Milliarden Euro lässt die Bundesregierung für die Bekämpfung der Folgen der Corona-Krise springen. Das sind rund 2.000 Euro neue Staatsverschuldung pro Kopf der erwachsenen Bundesbürger. Ein Teil davon sollte ja sowohl der Ankurbelung der Wirtschaft, also auch der Kaufkraft, als auch der Prävention gegen weitere Corona-Wellen zugutekommen. Was liegt näher, als allen, wirklich allen Bundesbürgern die Segnungen einer Nachverfolgbarkeit angedeihen zu lassen, zunächst mindestens möglicher Infektionsketten? Vorschläge und dringendste Empfehlungen für dies oder das gegen die Pandemie gab es ja nun wirklich zu Genüge, auch Apps für Smartphones. Was aber mit den Alten etwa – oder den Hartzern –, die gar kein passendes Smartphone zur Hand haben? Ganz einfach: Bei 2.000 Euro pro Kopf wird ja wohl eine Win-win-Lösung für Apple (keinesfalls Huawei!) und die GroKo drin sein, die jedem bedürftigen Bundesbürger ein Corona-App-fähiges iPhone mit iOS 13.5 spendiert. Das kann er dann gleichermaßen stolz wie verantwortungsbewusst für jede aktuelle und zukünftige Nachverfolgung seiner Person und seines Bekanntenkreises stets bei sich tragen. Wie formulierte doch so schön Fritz Teufel? Das war der Puddingtütenwerfer (gegen den US-Vizepräsidenten Humphrey) und kurz darauf der angebliche Steinewerfer (beim Besuch von Schah Reza Pahlewi) in Westberlin 1967. Anschließend in seinem Prozess konterte er die Ermahnung, sich gefälligst ehrfurchtsvoll zu erheben: "Wenn's der Wahrheitsfindung dient!"

Passt doch auch zu Corona, oder?

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