Meinung

Transatlantische Räuberpistole: Russischer Rizin-Killer will Prager Lokalpolitiker erledigen

Der russische Geheimdienst plant Attentate auf tschechische Lokalpolitiker. Diese Behauptung eines tschechischen Journalisten machte international Schlagzeilen. Hinter der unbelegten Behauptung steckt ein antirussisches Netzwerk – mit Verbindungen zur berüchtigten Integrity Initiative.
Transatlantische Räuberpistole: Russischer Rizin-Killer will Prager Lokalpolitiker erledigenQuelle: www.globallookpress.com © Ondrej Deml/CTK

von Jürgen Cain Külbel

Der in seinem Heimatland Tschechien als extrem russophob bekannte Journalist Ondřej Kundra veröffentlichte am 26. April 2020 in der Zeitschrift Respekt einen Beitrag mit dem Titel Muž s ricinem ("Ein Mann mit Rizin"). Darin behauptet er, ein russischer Geheimagent sei vor drei Wochen mit einem russischen Diplomatenpass nach Prag eingeflogen. Vom Prager Flughafen habe ihn ein russisches Diplomatenauto direkt zur russischen Botschaft in Prag gefahren. Kundra schreibt in dem Kommentar: "Die Quellen der Zeitschrift Respekt behaupten, dass der Passagier mit einem Koffer reiste, in dem sich das tödliche Gift Rizin befand".

Angeblich, so Kundra, hätten die tschechischen Geheimdienste davon gewusst und den russischen Geheimagenten als ein Sicherheitsrisiko für den Prager Oberbürgermeister Zdeněk Hřib und den Bezirksvorsteher Ondřej Kolář angesehen und ihn daher auch observiert. Beide Politiker seien nämlich gefährdet, da sie für die Umbenennung des Platzes vor der russischen Botschaft nach dem ermordeten russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow sowie die jüngst vorgenommene Entfernung einer Statue für den Sowjetmarschall Iwan Konew verantwortlich zeichnen. Angeblich habe Moskau nach der Demontage des Denkmals auch eigene Ermittlungen wegen "Schändung"eingeleitet; seit Anfang April stehen Hřib und Kolář daher unter Polizeischutz.

"Wir wissen nichts von einer solchen Untersuchung. Wir wissen auch nicht, wer etwas untersucht hat oder was", sagte Dmitri Peskow, Pressesprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, noch am Tage des Erscheinens des Artikels gegenüber der Agentur Interfax: "Es sieht nach einer Zeitungsente aus."

Wie dem auch sei, die zweite tschechische Parlamentskammer verabschiedete am 28. April 2020 eine Resolution, in der nun steht, die Bedrohung von gewählten öffentlichen Persönlichkeiten durch eine fremde Macht sei ein "präzedenzloser Angriff auf die nationale Souveränität. Im Fall Russland ist das umso mehr ernstzunehmen, als in der jüngsten Vergangenheit russische Geheimdienste wiederholt gewaltsame und kriminelle Taten auf dem Territorium anderer Länder verübt haben".

Der Prager Redakteur Rudolf Hruboň, Herausgeber des Mediums Národní Noviny, der sich ob Kundras Rizin-Kopfgeburt die Haare raufte, schrieb am Tage der Verabschiedung der Resolution einen Gegenkommentar mit der Überschrift Muž s ricinem aneb průhledné lži ("Ein Mann mit Rizin oder durchsichtige Lügen"). Die ganze Geschichte klinge "wie eine schlechte Parodie auf einen Spionagefilm", denn der gesunde Menschenverstand genüge, "um die lächerlich erfundene Geschichte ad absurdum zu führen", die versuche, "die Leser von Russlands angeblicher Racheaktion an einigen (unbedeutenden) lokalen tschechischen Politikern zu überzeugen, die in der jüngeren Vergangenheit provokative antirussische Schritte unternommen haben". Gemäß Hruboň genüge es, einfach nur kurz über den veröffentlichten Text nachzudenken, sofort werde die Schwäche der Konstruktion klar:

  1. Wie konnte der mutmaßliche Agent in die Tschechische Republik gelangen? Der Autor des Artikels behauptet, dass die tschechischen Geheimdienste sofort wussten, als der Diplomat das tschechische Territorium betrat, dass er ein Agent des russischen Geheimdienstes war. Warum erlaubten sie ihm, in die Tschechische Republik einzureisen?

  2. Hatte er eine Aktentasche mit Rizin bei sich? Wenn die zuständigen tschechischen Sicherheitsbehörden über solche Informationen verfügten, warum durchsuchten sie sein Gepäck nicht sofort am Flughafen? Gift bei einem russischen Diplomaten zu finden, wäre sicherlich eine große Angelegenheit und eine Bestätigung der Vorwürfe gegen Russland.

  3. Warum wurde der Diplomat nicht ausgewiesen? Wenn die tschechischen Sicherheitsbehörden den mutmaßlichen Agenten bereits am Flughafen 'durchrutschen' lassen, jedoch seine Identität kennen, warum vertreiben sie ihn dann nicht einfach aus der Tschechischen Republik? Eine solche Maßnahme wäre sicherlich einfacher umzusetzen als Polizeischutz für einige Politiker, die angeblich durch diesen mutmaßlichen Agenten gefährdet sind.

Kundras Darstellung, so Hruboň, trage alle Anzeichen einer "gezielten antirussischen Provokation". Unlogisch sei, dass der tschechische Geheimdienst den mutmaßlichen Agenten auf tschechisches Gebiet einreisen ließ, ebenso die Tatsache, dass Kundra "eine unbekannte Informationsquelle" zitiert. Die tatsächliche Provokation gegenüber Russland bestehe darin, dass der tschechische Staat "mutmaßlichen Zielen" eines angeblichen russischen Agenten "auf der Grundlage imaginärer Bedrohungen polizeilichen Schutz bietet", dass die Beteiligung des tschechischen Außenministers, der die Rolle eines "nützlichen Idioten" in der neuen antirussischen Kampagne spiele, die Beziehungen zu Russland verschlechtert.

Tatsächlich haben für antirussische Positionen bekannte "Sicherheitsexperten" bereits einen medialen Aufruf gestartet, mit dem Ziel, das Abkommen von 1993 über Freundschaft und Zusammenarbeit mit Russland zu überarbeiten und den tschechischen Botschafter aus Moskau zurückzurufen.

Das tschechische Medium "Respekt" – Eine transatlantische Einordnung

Das Blatt Respekt, in dem die Rizin-Räuberpistole erschien, gehört Zdeněk Bakala, einem in der Schweiz lebenden, tschechisch-amerikanischen Unternehmer, Milliardär und globalen Finanzinvestor, der durch "seine Philanthropie die Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft, Bildung und freier Medien in Tschechien fördert". Bakala, 1961 in der Ex-Tschechoslowakei geboren, verließ mit 19 Jahren das, wie er sagt, "autoritäre kommunistische Regime seines Heimatlandes", um "ein besseres Leben in den USA zu suchen". Nach dem Studium an der University of California in Berkeley, der Tuck School of Business am Dartmouth College, startete er im Investment Banking bei Drexel Burnham Lambert, Bank of America und Credit Suisse First Boston.

Anfang der 1990er-Jahre kehrte Bakala in die Tschechoslowakei zurück, "um mit seinen Landsleuten am Übergang des Landes zur Demokratie teilzunehmen und eine Rolle in der aufstrebenden freien Marktwirtschaft zu spielen". "Uneigennützig" baute er die Prager Tochtergesellschaft der Credit Suisse First Boston auf, wurde Mitglied des Aufsichtsrats der Prager Börse, erwarb die tschechische Investmentfirma Karbon Invest, zu der das größte thermische und Kokskohle-Bergbauunternehmen in der Tschechischen Republik gehörte, und mischte im großen Stil auf dem Immobilienmarkt mit.

Neben dem Geldanhäufen "engagiert" sich Bakala aber auch für den "freien und unabhängigen Journalismus im Land". Deshalb initiierte und finanzierte er im Jahre 2012 die Gründung des Prager Aspen Institute Central Europe, Ableger der berühmt-berüchtigten Washingtoner Denkfabrik, die bekannt ist für ihre Nähe zum US-Geheimdienst CIA; viele Direktoren des Instituts waren ausgesuchte CIA-Leute. Selbstverständlich nahm die 1937 in Prag geborene Madeleine Albright, US-Außenministerin von 1997 bis 2001, als Ehrengast an der Einweihungsfeier der Prager Zweigstelle teil. Albright hatte 1996 in einem Interview den Tod von 500.000 irakischen Kindern, die durch US-Sanktionen ihr Leben verloren, mit den Worten gerechtfertigt: "Es ist diesen Preis wert." Auf der Einweihungsfeier der Prager Zweigstelle erklärte sie, dass sich das Institut nicht nur auf Tschechien, sondern auch auf Polen, die Slowakei und Ungarn konzentrieren werde.

Prager Aspen Institute Central Europe

Exekutivdirektor der "gemeinnützigen" Programme des "Philanthropen" Zdeněk Bakala ist der Journalist und Sprachkommunikator Dr. Tomáš P. Klvaňa, Professor an der Karlsuniversität in Prag, Ex-Shorenstein Fellow der Kennedy School der Harvard University. Klvaňa koordinierte die Errichtung des Prager Aspen Institute, dessen Vizepräsident er heute ist. 2003 war er Pressesprecher und Politikberater des Präsidenten der Tschechischen Republik, 2007 bis 2008 Sonderbeauftragter für Regierungskommunikation in Sachen Raketenabwehrprogramm.

Als Mitglied des Board of Directors von Economia Publishing, einer führenden tschechischen Medienorganisation, sowie als Mitglied des Board des Harvard Club of Prague und des Tschechischen Euroatlantischen Rates referiert er häufig auf Konferenzen im In- und Ausland über internationale Beziehungen, Sicherheitsfragen, Diplomatie und die "Wiederherstellung der Demokratie". Seit spätestens 2006 ist Klvaňa auch Panel-Redner des Prager European Values Center for Security Policy.

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Selbstverständlich ist auch Ondřej Kundra, der die Rizin-Story in die Welt setzte, Mitglied im Prager Aspen Institute, was ihn wohl kaum zu einem "freien und unabhängigen Journalist" in Tschechien macht. Kundra arbeitet aber auch seit 1999 für Bakalas Zeitung Respekt. Im Jahr 2008 übernahm er dort die lokale Nachrichtenabteilung, ein Jahr später dann die Abteilungen Politik und Gesellschaft. Das Aspen Institute lobhudelt: "In seinen Texten verfolgt er hauptsächlich die abenteuerliche Welt der tschechischen Politik, konzentriert sich dabei auf Themen wie Korruption und öffentliche Aufträge."

Und wie es sich für einen Transatlantiker in lohnabhängiger Festanstellung ziemt, brachte Kundra im Jahr 2016 konsequenterweise ein Buch mit dem Titel Putinovi agenti: Jak ruští špioni kradou naše tajemství ("Putins Agenten: Wie russische Spione unsere Geheimnisse stehlen") auf den Markt. Rezensenten nennen es "ein trauriges Beispiel für politische Agitation" und kritisieren, dass das Buch "sehr suggestiv" sei.

Kundra hat – ähnlich, wie Kinder auch Superhelden anhimmeln – eine starke Faszination für Geheimagenten und geheimdienstliche Vorgänge entwickelt, die seine Phantasie jedoch so sehr zum Übersprudeln bringt, dass er in seinen "investigativen" Artikeln offenbar nicht mehr zwischen Dichtung und Wahrheit zu unterscheiden vermag. Nachdem Kundra und sein Kollege Jaroslav Spurný im Jahre 2012 in der Zeitung Respekt den Artikel "Dvojí agent na útěku" ("Doppelagent auf der Flucht") veröffentlichten und darin die Arbeit des tschechischen Inlandsnachrichtendienstes "Bezpečnostní informační služba" (BIS) kritisierten, empörte der Dienst sich prompt in aller Öffentlichkeit: Kundras Machwerk enthalte "falsche, vollständig erfundene und zielgerichtete Spekulationen".

Diese Bewertung von Ondřej Kundras investigativen Fähigkeiten dürfte auch auf dessen jüngstes Machwerk "Der Mann mit Rizin" zutreffen. Wenn Kundra sich darin auf den tschechischen Geheimdienst bezieht, der angeblich von der Ankunft des russischen Geheimagenten wusste, dürfte das wohl einem seiner vielen investigativen Tagträume entsprungen sein. Quellen beim Geheimdienst dürfte Kundra nach dem Affront von 2012 wohl nicht mehr besitzen, wenn er denn dort je welche hatte.

Kundras "Quellen" – oder "Inspiratoren" – dürften ganz andere sein. Wir erinnern uns: Sein Zeitungschef Zdeněk Bakala gründete das Prager Aspen Institute, wo er selbst Mitglied ist. Zweiter Mann im Institut ist jener Dr. Tomáš P. Klvaňa, der auch Panel-Redner des Prager European Values Center for Security Policy ist, das seit Jahren vom russophoben Prager Transatlantiker Jakub Janda geleitet wird. Zwischen Janda und Kundra besteht seit Jahren eine enge Arbeitspartnerschaft. Doch ehe wir diese näher beleuchten, werfen wir einen Blick auf Jakub Janda, der von den Briten finanziert und als "Cluster-Leader" der berühmt-berüchtigten Integrity Initiative geführt wird.

Jakub Janda – Integrity Initiative, Disinfo Portal und European Values

Die britisch-transatlantische "Integrity Initiative" war als wichtige Speerspitze im Propagandakrieg gegen Russland angedacht; transatlantische Denkfabriken, PR-Organisationen, anti-russische Organisationen, Medien etc. sollten ein Netzwerk spinnen, das im westeuropäischen Binnenraum für die erwünschte Konditionierung der öffentlichen Meinung gegen den Kreml sorgt. Nachdem die Hackergruppe Anonymous 2018/19 zahlreiche Dokumente veröffentlichte, die ein grelles Licht auf die Truppe warfen, ging das Desinformationsnetzwerk in Deckung, operiert allerdings verdeckt weiter: Für die Integrity Initiative angeworbene Institutionen und Personen bündeln sich im "Disinfo Portal" des NATO-affinen Atlantic Council. Das Disinfo Portal bezeichnet sich selbst als eine "Allianz zur Sicherung der Demokratie, eine parteiübergreifende transatlantische Initiative des German Marshall Fund der Vereinigten Staaten (GMF)".

Doch gehen wir zum Ursprung zurück: Anonymous zerrte ans Tageslicht, dass die Integrity Initiative 2015 vom Institute of Statecraft (IfS) ins Leben gerufen wurde, einer von Mitarbeitern britischer Geheimdienste gegründeten Stiftung. Das IfS wird vom Ex-NATO-Chefberater für Zentral- und Osteuropa, Christopher Donnelly, geleitet. Die Integrity Initiative wurde vom britischen Außenministerium, der NATO, dem US-Außenministerium und dem litauischen Verteidigungsministerium mit dem Ziel finanziert, "die Demokratie gegen russische Desinformation zu verteidigen", "prorussische" Standpunkte und Informationen zu delegitimieren und Kampagnen zu starten, um Russland politisch zu isolieren.

Zu diesem Zweck wurden im EU-Raum sogenannte "Cluster" aufgebaut, also regionale Zellen, die mit möglichst einflussreichen Personen, vor allem Journalisten, besetzt waren, die wiederum möglichst effektiv transatlantische und anti-russische Propaganda unter die Leute bringen sollten. Führungsoffizier des deutschen "Clusters" beispielsweise war Harold Elletson, der früher als Agent des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 in Osteuropa und auf dem Balkan tätig war. Kopf der deutschen Zelle war laut den geleakten Dokumenten Hannes Adomeit vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK), ein Politikwissenschaftler mit einschlägiger Vergangenheit in transatlantischen Kreisen. Ebenfalls als Mitglied der deutschen Zelle wird der ISPK-Direktor Prof. Dr. Joachim Krause geführt.

Zur Rekrutierungspraxis der britischen Propagandakrieger gehört, dass die Integrity Initiative den Angeworbenen Kurse bei ausgewählten Thinktanks und Medienagenturen anbietet, um sich in Sachen russischer Bedrohung fortbilden zu können. Dazu gehören die DFR Digital Sherlocks des Atlantic Council, Bellingcat, EuVsDisinfo, BuzzFeed, Irex, Detector Media, Stopfake, LT MOD Stratcom und andere. Ihnen allen ist eine strikt transatlantische Ausrichtung gemeinsam. Die Chefs dieser empfohlenen Weiterbildungsstätten sind meist selbst wieder "Leader" oder Mitglieder eines "Clusters". All das, was Struktur und Inhalt der Integrity Initiative ausmacht, findet sich gegenwärtig im Disinfo Portal des Atlantic Council wieder.

Jakub Janda und die Gelder aus London

Um auf Jakub Janda zurückzukommen: Er ist einer der wenigen "Auserwählten", die als Cluster-Leader innerhalb der Integrity Initiative aufgestellt worden sind. Nur so nebenher: Auch der italienische Journalist Jacopo Iacoboni von der Tageszeitung La Stampa war in das britische Geheimprojekt als Mitglied des italienischen "Clusters" involviert. Er war es, der jüngst die russische Hilfe an das Corona-gebeutelte Italien als reine PR-Aktion abtat, diese als "zu 80 Prozent nutzlos" beschrieb, wobei er, analog zu Kundra, auf "wichtige Quellen" verwies, die "nicht genannt werden" dürften.

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Janda macht keinen Hehl aus seiner Tätigkeit für die Briten; nachdem Anonymous Ende 2018 die Existenz der Integrity Initiative aufdeckte, reagierte der Tscheche auf Twitter auf ganz eigene Art:

Also hackten die Russen das Institute for Statecraft. Ich bin einer von vielen Menschen, die hier erwähnt werden, als Teil einer breiten Bewegung von Leuten, die versuchen, hart gegen die Operationen des Kreml vorzugehen. Es ist ein Zeichen von Ehre, unter Menschen zu sein, die zusammen aufstehen!

Damit gestand er ein, Teil einer vom Ausland geführten Gruppe mit Verbindung zum britischen Geheimdienst zu sein, die antirussische Propaganda verbreitet.

Seit Jahren steht Janda dem Prager European Values Center for Security Policy vor, das sich in der Selbstdarstellung als "nichtstaatliches, überparteiliches Institut" bezeichnet, "das Freiheit und Souveränität verteidigt". Weiter heißt es dort:

Wir schützen die liberale Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und das transatlantische Bündnis der Tschechischen Republik. Wir helfen, Europa vor allem vor den bösartigen Einflüssen Russlands, Chinas und islamischer Extremisten zu schützen. Wir stellen uns ein freies, sicheres und prosperierendes Tschechien in einem pulsierenden Mitteleuropa vor, das ein wesentlicher Bestandteil der transatlantischen Gemeinschaft ist und auf einem festen Bündnis mit den USA basiert.

(Nur so am Rande: Wenn Sie diesem Link folgen, sehen Sie, dass Janda sein transatlantisches Projekt European Values mit einem Foto bewirbt, auf dem Julian Röpcke von der Bild-Zeitung zu sehen ist, wo er für das Ressort "Politik mit Fokus auf Außenpolitik und Konflikte" verantwortlich ist. Röpcke, ebenfalls "Experte" des Disinfo Portals, pflegt seit Jahren eine gegenseitige "Arbeitsbeziehung" zu Janda – doch das ist ein anderes Thema).

Ab 2011 wurde Jakub Janda und sein European Values Center vor allem von der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung, den Open Society Foundations von George Soros, dem Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission sowie einigen anderen Gebern finanziert. Das änderte sich schlagartig im Jahr 2017 mit dem Aufkommen der vom britischen Geheimdienst angeregten Integrity Initiative.

Hauptsponsor des antirussischen Thinkthanks ist seitdem das Londoner Foreign & Commonwealth Office, also das Außenministerium. Im Jahre 2017 schob es Janda 23.100 Euro zu, die britische Botschaft in Prag schoss 11.800 Euro dazu. Im Jahre 2018 erhöhte das Londoner Außenministerium die Zuwendung auf 26.000 Euro, die Prager Botschaft auf 13.200 Euro. Die Konrad-Adenauer-Stiftung war auch mit 24.000 Euro mit von der Partie, erstmals auch die niederländische Regierung, die 29.800 Euro "stiftete" (Belege hier). Zahlen für 2019 liegen noch nicht vor.

Jandas aktuelle Taktgeber und Hauptsponsoren scheinen tatsächlich die Briten zu sein, also jener Dunstkreis bestehend aus britischen (Ex-)MI6-Geheimdienstlern, die mit dem Aufbau der Integrity Initiative betraut waren, die jetzt im Disinfo Portal des Alantic Council Unterschlupf genommen hat. Auch für Janda dürfte gelten: "Wer die Musik bezahlt, der bestimmt,was gespielt wird."

Und das neue Spiel heißt wohl "Ein Mann mit Rizin". Nachdem Ondřej Kundra den kriminalistisch-dilettantisch vorgetragen Plot, der nun in Prag an die Öffentlichkeit lanciert wurde, verfasst hatte, verbreitete Janda dessen Inhalt kurz nach Erscheinen des Artikels mittels mehrerer Twitter-Botschaften und sorgte dafür, dass die Geschichte weltweit Gehör fand:

Vor drei Wochen flog ein russischer Geheimdienstler nach Prag. Laut tschechischen Geheimdienstquellen wurde er mit einem russischen Diplomatenauto direkt vom Prager Flughafen zur russischen Botschaft in Prag gefahren und hatte einen Koffer mit dem Gift 'Rizin' bei sich, berichtet @okundra.

Der Twitter-Account @IntegrityCompa1, der zufällig den Namen "IntegrityCompassionRespect" trägt und massenhaft retweetet, dient offenbar als Multiplikator. Dieser Account verbreitete Jandas und Kundras Rizin-Botschaft an Politiker sowie alle großen britischen und amerikanischen Nachrichtenmagazine, Sender und Nachrichtensprecher mit der Bitte um Kommentierung der "Angelegenheit". Darunter etwa der ehemalige US-Außenminister John Kerry, Christiane Amanpour von CNN, Rachel Maddow und Lawrence O'Donnell von MSNBC, Sara A. Carter von Fox News und viele andere. Auch Madeleine Albright, Ehrengast bei der Eröffnung des Prager Aspen Institute, durfte nicht fehlen.

Eine Erklärung bin ich noch schuldig: Was verbindet die beiden Tschechen Ondřej Kundra und Jakub Janda? Antwort: Sehr viel, und zwar in politischer Hinsicht, und das seit Jahren. Eine kleine repräsentative Auswahl sei gestattet: Im Jahr 2016 waren beide Mitautoren der Broschüre "The Weaponization of Culture: Kremlin’s traditional agenda and the export of values to Central Europe". Der Titel wird beworben mit:

Der hybride Krieg, den Russland gegen Europa und den Westen führt, insbesondere seit Beginn der Ukraine-Krise, ist ein Kampf um die Gedanken und Seelen der Menschen. Russland versucht nicht nur, das Vertrauen seiner Bürger in Europa und seine Institutionen zu untergraben, sondern will auch eine Alternative anbieten. Wir präsentieren dieses gemeinsame Analysepapier von Political Capital mit Beiträgen von Jakub Janda und Ondřej Kundra, investigativer Journalist und Leiter des Political Desk bei der tschechischen Wochenzeitung Respekt.

Am 18. August 2016 saßen beide in Eintracht vor Publikum und diskutierten – ja, was wohl? – über einen "russischen Spion". Wochen später, am 4. September 2016, publizierten sie, wiederum als Mitautoren, in Jandas Propaganda-Fabrik European Values die Broschüre: "Mechanisms of Influence of the Russian Federation into Internal Affairsof the Czech Republic". Darin steht:

Die Autoren identifizieren Hauptinteressen der Russischen Föderation in der Tschechischen Republik, geben Beispiele für diesbezügliche Operationen und liefern eine analytische Struktur, um den Einfluss ausländischer Mächte zu beschreiben.

Und am 5. Januar 2017 tauchen beide zusammen in dem Youtube-Video "Dezinformace v médiích - Ondřej Kundra a Jakub Janda" ("Desinformation in den Medien") auf … und so weiter und so fort in den Jahren 2018, 2019 und 2020.

Sinn und Wesen von Kundras Kopfgeburt "Ein Mann mit Rizin" erschließen sich leichterhand durch dessen jahrelange Integration in Jandas transatlantisches, antirussisches Netzwerk. Die Integrity Initiative lebt gewissermaßen fort – wenn auch unter anderem Namen.

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