Europa

Deutsche Welle berichtet faktenfrei über "russische Mordpläne" in Tschechien

Zwischen Russland und Tschechien droht ein diplomatischer Skandal – wegen angeblicher Drohungen gegen einen Prager Lokalpolitiker. Zündstoff sind Hinweise der tschechischen Sicherheitsdienste. Doch die Sache blieb weitgehend geheim. DW mischt kräftig mit in der Gerüchteküche.
Deutsche Welle berichtet faktenfrei über "russische Mordpläne" in TschechienQuelle: www.globallookpress.com

Am 28. April veröffentlichte die Deutsche Welle den Artikel "Russische Drohungen gegen Prager Bürgermeister: Der "Pirátor" unter Polizeischutz". In der Kurzbeschreibung zum Artikel wurden die Drohungen noch "Mutmaßungen" genannt, allerdings ging es diesmal um nicht weniger als um die "Mordpläne der Russen":

Der Prager OB und zwei seiner Kollegen stehen wegen mutmaßlicher Mordpläne des russischen Geheimdienstes unter Polizeischutz.

Was konnte man in dem Artikel nun konkret über diese Mordpläne erfahren? Hier verwies Deutsche Welle lediglich auf einen Artikel eines "angesehenen" tschechischen Magazins "Respekt":

Anfang April sei ein russischer Diplomat über den Flughafen Prag nach Tschechien eingereist und habe den extrem giftigen Stoff Rizin im Gepäck gehabt. Das Magazin nennt einen anonymen Informanten aus tschechischen Sicherheitskreisen als Quelle.

Aus diesem Grund stünden nun der Prags Oberbürgermeister Zdeněk Hřib und zwei Bezirksbürgermeister Ondřej Kolář und Pavel Novotný unter Polizeischutz. Allerdings findet man in den 7.000 Zeichen umfassenden Artikel keinen einzigen Beleg, dass sie je eine Morddrohung aus Russland erhalten haben.

"Unnatürliches Verhalten"

Etwas Näheres erfährt man im DW-Interview mit Hřib. Im Interview beschreibt sich der Lokalpolitiker als einen engagierteren Kämpfer gegen Totalitarismus, kritisiert China und Russland scharf. Die Gefahr für seine Person sei "real". Er habe eine Person gesehen, die sich in unnatürlicher Weise verhalten hat und nicht wie jemand, der zufällig herumsteht.

Ich hatte diese Person auch bereits zuvor in der Nähe meiner Wohnung gesehen, als ich von der Arbeit nach Hause kam", sagt Hřib.

Sonst erfährt man nichts weiter, da er gemäß Bitten der Polizei keine Auskünfte erteilen dürfe, um deren Ermittlungen nicht zu schaden. In jedem anderen "Fall" würde diese Faktenlage nicht einmal für eine Kurzmeldung ausreichen. Denn bislang ist der Polizeischutz das einzige belastbarere Faktum in dieser Geschichte.

Doch wenn es um Russland geht, ändern sich offenbar die Anforderungen an die "faktenbasierte Berichterstattung". Statt Fakten bedient sich der als Flaggschiff der demokratischen Werte gepriesene Sender kräftig bei Mutmaßungen und Ereignisketten, die gemäß der Weitsicht der DW gar keine andere Schlussfolgerung erlauben, als  "Russland lässt seine Kritiker im Ausland ermorden" – wie schon so oft. Die Meldung verbreitete sich via Twitter natürlich wie ein Lauffeuer: 

Die "Taten", die von den drei im Artikel genannten Lokalpolitikern aus russischer Sicht begangen worden seien, sind: Hřib ließ den Platz, wo sich die Botschaft Russlands in Prag befindet, zu Ehren des 2015 in Moskau ermordeten Oppositionellen Boris Nemzow umbenennen. Kolář ließ in seinem Prager Bezirk das Denkmal zu Ehren des Marschalls der Sowjetunion Iwan Konew, der mit seinen Truppen Prag am 9. Mai 1945 befreit hatte, jüngst entfernen. Und Novotný (das steht nicht im DW-Artikel) will in seinem Bezirk das Denkmal für den Hitler-Kollaborateur Andrej Wlassow aufstellen, weil es seiner Meinung nach dessen Truppen waren, die in Wirklichkeit Prag von den Nazis befreit hatten.

Den Streit um das Konew-Denkmal gibt es tatsächlich, darüber wurde schon mehrfach berichtet. Doch er wird auf diplomatischer Ebene ausgetragen.

Die Umbenennung der Adresse der Russischen Botschaft auf den Namen eines Politikers, dessen Verdienst – aus der Sicht des Prager Bürgermeisters – darin bestand, die angebliche russische "Annexion" der Krim abzulehnen, war allerdings eine offensichtliche Provokation. Aber auch die Russische Botschaft in Washington, D.C. steht nun bereits seit zwei Jahren an einem Nemzow-Platz. Ein Park neben der Russischen Botschaft in Kiew trägt seit einem Jahr ebenfalls den Namen von Nemzow, genauso wie ein Park in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Alle diese "Taten" blieben allerdings bislang (noch!) ungesühnt.

Trotzdem bemüht sich die DW in ihrem Artikel um weitere Meinungen, die notdürftig die Faktenlücke schließen könnten. Zwei Politologen halten die Vorwürfe für "glaubwürdig". Einer von ihnen, bekannt als Aktivist einer antirussischen Soros-finanzierten Stiftung, weiß sogar zu berichten, dass Russland im Ausland systematisch "Terrorismus" unterstütze. Er weist auf die mit exotischen Giftstoffen verübten Attentate in London an Litwinenko und in Salisbury an Skripal hin. Die Anwendung eines weiteren Giftes Rizin seitens der russischen Geheimdienste scheint aus seiner Sicht offenbar nur logisch.

"Das sieht nach einer 'Ente' aus"

Derweil wird nun auch dieser Skandal auf der diplomatischen Ebene ausgetragen. Das russische Außenministerium richtete eine Note an die tschechische Vertretung in Moskau. Die Russische Botschaft in Prag erklärte, dass seit Mitte März keine diplomatischen Mitarbeiter mehr nach Prag einreist seien. Die Pressesprecherin des russischen Außenamtes nannte den Skandal "handgemacht" und "künstlich" und sagte, dass Tschechien zu diesen Vorwürfen keinerlei Beweise vorgelegt hat. Der Kremlsprecher Dimitri Peskow erklärte, die Geschichte sehe sehr nach einer "Ente" aus.

Selbst das tschechische Außenamt sieht im Moment keinen Grund für weitere Schritte einer Eskalation wie etwa die Ausweisung von russischen Diplomaten. Es wäre interessant zu wissen, ob das Dementi für ein hervorgezauberte, angebliche Morddrohung (oder zumindest vorläufige Entwarnung für eine "Todesgefahr durch Russen" – sollten sie je tatsächlich stattfinden) auf die Themenliste des deutschen Senders gehört.

Mehr zum Thema - Skripal-Affäre: Russische Botschaft zerpflückt Londons Darstellung

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