Meinung

Ein Polit-Söldner namens Saakaschwili – oder weshalb es mit der Ukraine weiter bergab geht

Am 23. November 2003 betrat der georgische "Politiker" Micheil Saakaschwili zum ersten Mal die weltpolitische Bühne. Die USA hatten auf Eduard Schewardnadse gebaut, unter Gorbatschow sowjetischer Außenminister, wollten dessen politische Schwächen aber nicht länger hinnehmen.
Ein Polit-Söldner namens Saakaschwili – oder weshalb es mit der Ukraine weiter bergab geht© Valentyn Ogirenko

von Arkadi Shtaev

In seinem Heimatland hatten die USA ursprünglich auf  Eduard Schewardnadse gebaut, den ehemaligen sowjetischen Außenminister unter Gorbatschow, dessen politische Schwächen sie dann aber nicht mehr länger zu billigen gedachten.

Mit  Saakaschwili, der seine juristische Ausbildung – und was auch immer sonst noch für Ausbildungen – in den Vereinigten Staaten von Amerika durchlaufen hatte, schaffte sich Washington einen Zögling, der ihnen später auch noch – aufgrund seines unberechenbaren Temperaments – Probleme bereiten sollte.

Die Strategie der NATO zum Vorrücken in den eurasischen Raum

Der 23. November 2003 gilt bis heute als das "Debüt" bezüglich jener Strategie zum "Regime Change" nun in Georgien, die zuvor schon oft, auch beim Sturz von Slobodan Milosevic in Serbien "erfolgreich" praktiziert wurde. Diese Mission lief dort damals unter dem klangvollen Titel "Rosenrevolution" und wurde das erste Mal auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion aufgeführt. Anlass war die von der NATO unverhohlen praktizierte Strategie der permanenten Osterweiterung, also eben in jenen geopolitischen Raum hinein, den man als Bindeglied von Eurasien bezeichnen kann.

Gefügige Politiker für Rosen-, Tulpen- und orangene "Revolutionen"

Hierfür waren in den Nachfolgerepubliken der Sowjetunion zweifellos gefügige Politiker als jeweilige künftige Staatsoberhäupter vonnöten. Durch die "Revolution" und angespornt durch das Versprechen einer Vollmitgliedschaft in EU und NATO, flankiert von massiven Wirtschaftshilfen, sollten sie ihre Macht im Sinne der westlichen Strategen ausspielen. Was man sich erhoffte und bis heute davon verspricht, wenn man Russland militärisch hinter die Wolga drängen könnte, bleibt bis dato unklar. "Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr. Es kann trotzdem nach einem imperialen Status streben, würde aber dann ein vorwiegend asiatisches Reich werden." Diese Erwartung von Zbigniew Brzezinski in seinem Buch "The Grand Chessboard" liefert wenigstens den Beweggrund für dieses geopolitische Drehbuch.

Saakaschwilis Niedergang

Wladimir Putin, der wohl Saakaschwili von Anbeginn als persönlichen Feind betrachtete, sollte sich fünf Jahre später bestätigt fühlen, als Letzterer sich in ein militärisches Abenteuer stürzte, welches  für Georgien in einem Fiasko enden sollte. Damals nämlich versuchte Saakaschwili, Südossetien wieder unter georgische Hoheit zu zwingen. Diese Region hatte sich schon während des Zerfallsprozesses der UdSSR von der georgischen Regierung in Tbilissi (Tiflis) losgesagt.  In Moskau sah man sich zu militärischen Gegenmaßnahmen verpflichtet, als die georgischen Truppen begannen, die russischen Friedenstruppen zu beschießen. Südossetien sagte sich damals ebenso endgültig von Tiflis los wie auch Abchasien. Beide Regionen stellen heute scheinautonome Republiken dar, allerdings von Moskaus Gnaden.

Vom gescheiterten Präsidenten Georgiens hin zum Gouverneur von Odessa

Saakaschwilis Stern begann zu sinken. 2012 wurde er als Präsident von Georgien abgewählt. Die Staatsanwaltschaft seiner Heimat leitete Ermittlungen gegen ihn ein, während sich der einstige Hoffnungsträger flugs in die USA zurückzog.  Wahrscheinlich hatten seine ursprünglichen Gönner in Washington, D.C. keine geeignete Verwendung mehr für ihn, weshalb er im Frühjahr 2015 dankbar das Angebot des ukrainischen Präsidenten Poroschenko annahm, Gouverneur von Odessa zu werden. Das ist eine Region, die von Kiew aufgrund der Russlandfreundlichkeit der dortigen Bewohner mit Argwohn betrachtet wird.

Saakaschwili, dem zuvor von Poroschenko dafür zugleich noch die ukrainische Staatsbürgerschaft hinterhergeworfen wurde, nachdem er seine georgische verloren hatte, blieb allerdings erfolglos. Der Charakter dieser multiethnischen Hafenstadt mit ihrer kosmopolitischen Geschichte und einer obendrein eigensinnigen Bevölkerung harmonisierte nicht mit dem kaukasischen Temperament des gebürtigen Georgiers.

Saakaschwilis Korruptionsvorwürfe, die er dann völlig berechtigt gegen die Vertreter der politischen Klasse der Ukraine richtete, machten ihn alsbald für Poroschenko und seine Kamarilla schon wieder sehr unbequem. Es kam zum Zerwürfnis mit der politischen Führung in Kiew, Saakaschwili trat als Gouverneur zurück und ein Jahr später, im Sommer 2017, wurde ihm die ukrainische Staatsbürgerschaft wieder entzogen.

Nach der mühsam vollzogenen Abschiebung Saakaschwilis aus der Ukraine nach Polen stand er endgültig vor den Trümmern seiner politischen Existenz. Der tiefe Fall des ehemaligen georgischen Präsidenten zu einem staatenlosen Politdarsteller steht stellvertretend für das Scheitern der westlichen Politik in dieser Region.

Die Unterstützung des Westens – von sogenannten orangenen, Rosen- oder Tulpen-Revolutionen in der Ukraine, Georgien und Kirgisistan – illustrieren heute das Scheitern eines politisch-strategischen Entwurfes dahinter, der die betreffenden Staaten letztendlich weder "westlicher" noch "demokratischer" und erst recht nicht "stabiler" gemacht hat.

Kiew – vom Schokoladenkönig zum Schauspieler

Geht der geneigte Leser jetzt davon aus, dass inzwischen endgültig auf dem "Müllhaufen der Geschichte" gelandet ist, so handelt es sich hierbei jedoch um einen Irrtum. Inzwischen regiert in Kiew nicht mehr der "Schokoladenkönig" Poroschenko, sondern der Schauspieler Wladimir Selenskij.

Nachdem sich Saakaschwili für Selenskij im Wahlkampf engagiert hatte, gab dieser – kaum war er im Amt – dem Ex-Georgier und zwischenzeitlich staatenlosen Abenteurer die verlorengegangene ukrainische Staatsbürgerschaft zurück.

Dem ukrainischen Präsidenten steht inzwischen – wie seinen Vorgängern auch – bildlich "das Wasser bis zum Hals". Selbst im Tagesspiegel war diesbezüglich kürzlich erst zu lesen: "Die Ukraine wird von gewaltigen ökonomischen Problemen heimgesucht, die nur zum Teil mit der Coronakrise zu tun haben. Schon die Jahresbilanz 2019 war katastrophal ausgefallen. Nach einem Jahr von Selenskyjs Präsidentschaft ist der Unterschied zwischen dem 'Diener des Volkes', den der Schauspieler in seiner TV-Serie dargestellt hatte, und dem realen Staatsoberhaupt unübersehbar."

Angesichts dieser Rahmenbedingungen – flankiert von der Einsicht, die Krise nicht durch schauspielerische Fähigkeiten negieren zu können – hat Selenskij Saakaschwili nun sogar das Amt des Vizeregierungschefs mit dem Aufgabenbereich "Reformen" angeboten. Wie sich Saakaschwili diese Reformen und seine Politik vorstellt, erlaubt einen tiefen Einblick in die Psyche dieses Mannes. Die junge Welt schrieb in ihrem Aushängeschild des Tages diesbezüglich: "Der Kandidat soll – nach Facebook-Streams, die sich im Netz gezeigt haben – bei seiner Vorstellung auf einer Fraktionssitzung der Regierungspartei 'Diener des Volkes' erklärt haben, er sei geeignet wegen seiner prima Kontakte zu denen, auf die es ankommt – IWF und Angela Merkel: 'Ich gehe da hin und sage denen: Entweder Ihr gebt das Geld – oder die Ukraine geht unter'."

Das ist doch mal eine Ansage. Der Komödiant als Präsident beruft einen Typen, der den "bösen Bullen" spielen soll. Aha! Als ob die Ukraine nicht schon längst untergegangen ist, seit sie sich im Würgegriff von mafiösen Polit-Darstellern und westlichen Geostrategen befindet.

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