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Clinch im UN-Sicherheitsrat um Hilfslieferungen für Syrien: USA bei Publicity-Aufführung erwischt

US-Außenminister Mike Pompeo wirft Moskau und Peking vor, Millionen Syrern humanitäre Hilfe zu verweigern. So kommentierte er das Veto Russlands und Chinas gegen den westlichen Resolutionsentwurf für humanitäre Hilfslieferungen nach Syrien. Die Realität ist eine andere.
Clinch im UN-Sicherheitsrat um Hilfslieferungen für Syrien: USA bei Publicity-Aufführung erwischtQuelle: www.globallookpress.com

Der Erklärungsentwurf im UN-Sicherheitsrat, den der US-Außenminister mit solcher Innbrunst verteidigte, wurde am 20. Dezember von Belgien, Deutschland und Kuwait vorgelegt. Er sah die Aufrechterhaltung eines humanitären Korridors nahe der irakischen Grenze vor – doch dort kann die Bevölkerung Hilfsgüter vom offiziellen Damaskus erhalten. Schon zuvor erklärte der Ständige Vertreter Russlands bei der UNO Wassili Nebensja, dass die Situation heute eine andere ist als im Jahr 2014, und die Parteien sich bemühen sollten, sicherzustellen, dass die Lieferung humanitärer Hilfen an die Bevölkerung der Syrischen Arabischen Republik mit dem Wissen der Behörden der Republik erfolgt. Russland und China schlugen dementsprechend eine alternative Version der Erklärung vor, die jedoch nicht die erforderliche Anzahl von Stimmen im Sicherheitsrat erhielt. Nach Ansicht von Experten sind die Vorwürfe des US-Außenministeriums nicht von einem Mitgefühl mit den einfachen Syrern begründet, sondern von einem Wunsch, die militärischen und politischen Verbündeten der USA in der Region weiterhin zu versorgen.

Auf der Webseite des US Außenministeriums nannte Mike Pompeo das Veto Russlands und Chinas gegen die von Belgien, Deutschland und Kuwait im UN-Sicherheitsrat vorgelegte Resolution über humanitäre Hilfe für die Bewohner Syriens "beschämend". Laut Pompeo hätte die Umsetzung der blockierten Initiative mindestens vier Millionen Syrern erlaubt, lebenswichtige Hilfe zu erhalten, doch dies werde nicht geschehen – angeblich von Moskau und Peking verschuldet.

"Stattdessen haben sich beide Länder entschieden, ihren Juniorpartner in Damaskus zu unterstützen und damit das Leben von Millionen unschuldiger Zivilisten mitten im Winter zu gefährden", hieß es in der Erklärung. Es werde keine Alternative zu den grenzüberschreitenden UN-Lieferungen humanitärer Güter geben, bis "das syrische Regime den Krieg gegen sein Volk beendet". Das Veto Russlands und Chinas gegen den Resolutionsentwurf zeige eine "Gleichgültigkeit dieser Staaten" gegenüber den humanitären Problemen der Syrer.

"Ich appelliere an Russland und China, die sich zu einer politischen Erklärung entschlossen und sich gegen die Resolution ausgesprochen haben: Es klebt Blut an Ihren Händen", so der US-Außenminister weiter. Zudem seien die Vereinigten Staaten der größte humanitäre Helfer Syriens.

Souveränität und territoriale Integrität

Es sei daran erinnert, dass die Regelung für eine vereinfachte Beförderung humanitärer Güter nach Syrien mit der Resolution 2165 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen im Jahr 2014 eingeführt wurde. Das Dokument definiert vier wichtige humanitäre Grenzübergänge über die syrische Grenze im Gebiet der Ortschaften Bab al-Salam und Bab al-Hawa an der Grenze zur Türkei, El-Jarubija an der Grenze zum Irak sowie unweit der jordanischen Stadt al-Ramat. Der Beschluss wurde mehrfach verlängert und läuft aktuell bis zum 10. Januar 2020.

Eine Reihe von Ländern war jedoch von der Aussicht auf eine einfache Verlängerung der Resolution aus dem Jahr 2014 nicht begeistert. In der vergangenen Woche gingen beim UN-Sicherheitsrat gleich zwei Resolutionsentwürfe zur Überprüfung der bestehenden Ordnung ein.

Einerseits haben Belgien, Deutschland und Kuwait ihre Version vorgeschlagen. Ihre Initiative sieht vor, die Zahl der humanitären Grenzübergänge auf drei zu reduzieren, wobei die Möglichkeit der Wiederherstellung eines vierten bestehen bleibt. Die drei Länder schlugen vor, die Grenzübergänge an den Grenzen zum Irak und zur Türkei beizubehalten, damit Hilfsgüter ohne offizielle Genehmigung aus Damaskus auf syrisches Gebiet gelangen können. Der humanitäre Grenzübergang zu Jordanien sollte nach dem Vorschlag hingegen stillgelegt werden.

Diese Option passte der russischen Seite nicht, die darauf besteht, dass nur zwei Kontrollpunkte an der Grenze zur Türkei – Bab al-Salam und Bab al-Hawa – übrig bleiben sollten. Der Ständige Vertreter der Russischen Föderation bei der UNO Wassili Nebensja stellte fest, dass das von Deutschland, Kuwait und Belgien vorgeschlagene Projekt nicht den Veränderungen entspricht, die seit dem Jahr 2014 in der Region eingetreten sind. Heute müssen viele Gebiete Syriens nicht aus dem Ausland, sondern können direkt von Syrien aus unterstützt werden; der humanitäre Grenzübergang an der Grenze zu Jordanien wird ohnehin schon lange nicht mehr genutzt.

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Die Position Moskaus wurde von Peking unterstützt. Wie der Ständige Vertreter Chinas bei den Vereinten Nationen, Zhang Jun, festgestellt hat, wurde ein Mechanismus für grenzüberschreitende Hilfslieferungen seinerzeit aufgrund besonderer Umstände angenommen, der im Zusammenhang mit der sich entwickelnden Situation vor Ort rasch neu bewertet werden muss.

"Wir haben immer die Position vertreten, dass bei jeder Operation die Souveränität und territoriale Integrität des betreffenden Landes respektiert werden sollte", so Zhang Jun. Der Diplomat unterstrich, dass die Verbesserung der humanitären Situation im Land in erster Linie in der Verantwortung der syrischen Regierung liegt und "die Priorität dahingehend gesetzt werden sollte, humanitäre Hilfe von syrischem Territorium aus selbst zu leisten".

Infolge dieser Meinungsverschiedenheiten konnte der UN-Sicherheitsrat gar keine Resolution über den Mechanismus der Lieferung humanitärer Hilfe an Syrien verabschieden: Russland und China legten ihr Veto gegen den Resolutionsentwurf von Belgien, Deutschland und Kuwait über die Bereitstellung grenzüberschreitender humanitärer Hilfe für Syrien ein, aber auch der russische Resolutionsentwurf wurde nicht angenommen, da nur fünf Länder für das Dokument stimmten, sechs Staaten sich dagegen aussprachen und sich vier weitere Länder der Stimme enthielten. Damit erhielt der Beschluss nicht die für die Annahme erforderlichen neun Stimmen.

In seiner Stellungnahme zu den Ergebnissen des Treffens im Europarat stellte Wassilij Nebensja fest, dass sich die westlichen Partner in einem "sehr unansehnlichen Licht" präsentierten. Nach den Worten des Diplomaten hat die russische Seite den Resolutionsentwurf vorbereitet, der auf den Erhalt  grenzüberschreitender humanitärer Hilfslieferungen nach Syrien unter Beteiligung der UNO durch zwei aktive Grenzkontrollpunkte abzielte – allerdings nur in Gebiete, wohin wirklich keine Hilfe aus anderen Quellen gelangen kann – namentlich in der Provinz Idlib. Nebensja sagte:

Die Doppelmoral und die politische Voreingenommenheit unserer westlichen Partner haben jedoch beide Resolutionsentwürfe ruiniert.

Wie der russische Diplomat erklärte, kann man in der gegenwärtigen Situation nicht den Standpunkt der syrischen Regierung ignorieren, die gegen grenzüberschreitende Hilfe ist. Denn eine solche humanitäre Unterstützung sollte nur mit der Zustimmung der Behörden des Landes erfolgen, das die Hilfslieferungen erhält. Aber wie der russisch-chinesische Resolutionsentwurf deutlich zeigt, ist Moskau nach wie vor der Ansicht, dass die grenzüberschreitende Hilfe in die Gebiete geliefert werden sollte, wo sie wirklich benötigt wird. Nebensja weiter:

Natürlich gibt es heute keine Gewinner, nur Verlierer. Es handelt sich um gewöhnliche syrische Bürger, die Gefahr laufen, in Zukunft ohne Hilfe zu bleiben. Versuche, Russland für die Tatsache verantwortlich zu machen, dass die Wirkungszeit des Mechanismus nicht verlängert wurde, sind absolut unbegründet.

"Die Staaten wollen ihre Mündel ernähren"

Nach Ansicht von Experten sind die Vorwürfe von US-Außenminister Mike Pompeo gegen Russland unbegründet. Denn das US-Außenministerium kritisierte in Wirklichkeit seine eigenen Entscheidungen. Dies machte Alexander Krylow, ein führender Forscher des Zentrums für Nahoststudien am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen, in seinem Gespräch mit RT über die bedauerliche Situation des syrischen Volkes, deutlich. Der Experte stellte fest:

Dass sich in Syrien weitgehend eine Krisensituation entwickelt hat, dafür zeichnen die Staaten selbst eigenhändig verantwortlich. Und diese Situation hat einen langen Werdegang. Noch vor 20 Jahren erklärte Washington das in der Syrischen Arabischen Republik operierende politische Regime zum 'Paria' und begann, schwere Wirtschaftssanktionen gegen die Republik zu verhängen. Und selbst heute noch, wo die humanitäre Situation in Syrien recht ernst ist, haben die Vereinigten Staaten nicht vor, ihre vor vielen Jahren verhängten Sanktionen aufzuheben.

Darüber hinaus sind nicht nur die USA, sondern auch ihre Verbündeten – Australien, Kanada, die Europäische Union – in die Wirtschaftsblockade Syriens verwickelt, fügte Krylow hinzu. Daher sind Pompeos Worte über den großen Beitrag der Vereinigten Staaten zur humanitären Unterstützung Syriens weit von der Wahrheit entfernt. Nach Ansicht von Experten verfolgt Washington rein eigennützliche Ziele und versucht, einen für sich selbst günstigen Resolutionsentwurf über humanitäre Korridore in Syrien durchzupeitschen. Krylow erklärte die Sachlage:

Kurden – militärische Verbündete und der Rückhalt der US-Amerikaner in der Region – sind gerade in den Gebieten konzentriert, wo die Vereinigten Staaten die humanitären Korridore beibehalten wollen. Ihnen wollen die USA Lieferungen zukommen lassen, und deshalb will die US-Seite viele solcher Übergänge haben.

Diplomatische Zwickmühle made in USA: Unterstützung für US-Handlanger oder Publicity-Aufführung

Alexander Wawilow, Professor an der Moskauer Staatsuniversität und Experte für den Nahen Osten, vertritt eine ähnliche Ansicht. Gegenüber RT erklärte er:

Die USA wollen überhaupt nicht alle Syrer durch die Korridore ernähren, sondern ihre Mündel, die sie gegen die Assad-Regierung einsetzen. Gerade um diese 'Hilfslieferungen' zu blockieren, schlug Russland vor, einen solchen Mechanismus zu schaffen, damit echte Hilfe unter der Kontrolle der syrischen Regierung in das Land fließen kann.

Gleichzeitig verzerrt das US-Außenministerium in seinen Erklärungen absichtlich die reale Situation, da Russland und China in der Tat in keiner Weise dazu beigetragen haben, die Lieferung humanitärer Hilfe an Syrien zu blockieren, fügte Wawilow hinzu. Der Experte resümierte:

Jetzt vergießt der Westen Krokodilstränen über das unglückliche Schicksal des syrischen Volkes und hat es gleichzeitig nicht eilig, ihm echte Unterstützung zukommen zu lassen. Die US-amerikanische Seite versucht lediglich, Bedingungen aufzustellen, die gegen Assad gerichtet sind. Zugleich hat Washington den Resolutionsentwurf nicht direkt initiiert. Stattdessen haben die US-Amerikaner ihre Verbündeten hervorgehoben, die formell als Antragsteller fungierten.

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