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Deutsche "Kanonenbootpolitik" schon bald im Indopazifik?

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer meint, Deutschland müsse militärische Präsenz im Indopazifik zeigen, um seine Verbündeten gegen China zu stärken. Außerdem wolle man für "freie Schifffahrt" sorgen – bedenklich. Doch die Marine macht sich dazu bereit.
Deutsche "Kanonenbootpolitik" schon bald im Indopazifik?Quelle: www.globallookpress.com

Das Südchinesische Meer ist geprägt von geopolitischen Spannungen. Im vergangenen Jahr fanden mehrere Militärmanöver statt, und immer wieder provozieren US-Kriegsschiffe, indem sie in von China beanspruchtes Seegebiet fahren. Doch nun erwägt die Deutsche Marine, aufseiten seiner Verbündeten "Präsenz" zu zeigen – um Chinas Ansprüche in der Region einzudämmen.

Diese Begründung legte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrer sicherheitspolitischen Grundsatzrede an der Universität der Bundeswehr München am 7. November dar.

Derzeit habe man sich mit einer Welt zu tun, "die aus den Fugen geraten" sei. Außer der "russischen Aggression" und dem Terrorismus sei auch der "der machtpolitische Aufstieg Chinas" bedrohlich, der mit einem Herrschaftsanspruch einhergehe – "inzwischen nicht mehr nur in seiner unmittelbaren Nachbarschaft".

Und so könnte die deutsche Marine ihre eigene Nachbarschaft weit hinter sich lassen, um Australien, Japan und Südkorea, aber auch Indien – Deutschlands Partner im indopazifischen Raum – ein "klares Zeichen der Solidarität" zu senden, fühlten diese sich doch "von Chinas Machtanspruch zunehmend bedrängt", wie die Verteidigungsministerin sagte.

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Weiter betonte sie die hohen Güter, die es zu verteidigen gelte:

Für geltendes internationales Recht, für unversehrtes Territorium, für freie Schifffahrt.

Die Rolle des unabdingbaren NATO-Partners USA, der bereits Kriegsschiffe in die Region sendet, wurde in dem Zusammenhang übergangen. Dabei hat das Vorgehen der US-Navy im Südchinesischen Meer hohes Eskalationspotenzial, obwohl damit vorgeblich nur die "Freiheit der Navigation" gewahrt wird.

Während Peking in dem Gewässer eine Zwölf-Meilen-Sicherheitszone um die dortigen Inseln deklariert hat, deren Durchquerung genehmigt werden müsse, hat Washington genau diese Zonen mehrfach durchquert und ebendieses Vorgehen als "Freedom of Navigation Operations" (FONOPS) bezeichnet. Aus der Sicht Pekings hingegen gefährden fremde Militäroperationen den Frieden in der Region. Weiterhin erachtet China die US-Kriegsschiffe in dem Seegebiet als "Verletzung seiner Souveränität". Die externe Einmischung in die Angelegenheiten der Region sei nicht förderlich und nicht erwünscht.

An den FONOPS-Manövern, die auch außerhalb Chinas stark umstritten sind, nehmen bereits die NATO-Verbündeten Großbritannien und Frankreich zusammen mit den von Kramp-Karrenbauer erwähnten Verbündeten Deutschlands Australien, Indien und Japan teil, wenn auch weniger offensiv.

Vor drei Jahren bereits hatte sich Frankreich für eine dauerhafte Militärpräsenz ausgesprochen. Doch Berlin wollte diese nicht unterstützen.

Die Position Deutschlands ist im Einklang mit der EU-Position zum Südchinesischen Meer. Es gilt hier, die Freiheit der Seewege mit friedlichen Mitteln aufrechtzuerhalten, auf Basis des geltenden Völkerrechts. Das schließt den Einsatz von militärischen Mitteln aus", so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums noch im August 2016.

Und noch im Jahr 2010 entbrannte gar eine heftige, folgenreiche Diskussion um die Äußerungen des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Dieser sagte im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz, dass auch die deutsche Bevölkerung auf dem Wege sei, "zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern". Diese Aussagen wurden mit der sogenannten "Kanonenbootpolitik" verglichen, die Position sei "extrem" und nicht mit dem Grundgesetz vereinbar – Köhler trat zurück.

Im Jahr 2019 hingegen lässt die Marine dieser Idee Taten folgen, wenn auch nicht explizit. Doch ist die Entsendung einer Fregatte in die Region bereits im kommenden Jahr eine Option. So schließe die geplante Indien-Tour der deutschen Fregatte "auch die Möglichkeit Südchinesisches Meer" ein, so die Marineführung.

Zur "Klarstellung" äußerten sich die Marine und der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums (BMVg) im Nachhinein relativierend und betonten, dass die Entsendung einer Fregatte zunächst nur geplant sei, um beim Indian Ocean Naval Symposium Präsenz zu zeigen – einem von Indien initiierten Treffen von Anrainerstaaten des Indischen Ozeans, zu dessen Beobachtern unter anderem Deutschland zählt.

Das mögliche Durchfahren des Südchinesischen Meeres kann auch so gestaltet werden, dass es die deutsche Forderung nach freien Seewegen unterstreicht und gleichzeitig nicht eskalierend wirkt", betonte der Sprecher der Marine in dem Zusammenhang.

Christian Thiels, vormals ARD-Korrespondent mit Schwerpunkt Verteidigungsministerium und seit diesem Jahr BMVg-Sprecher, schrieb auf seinem privaten Twitter-Account, dass die Entsendung lediglich eine Option von vielen sei und es konkrete Planungen nicht gebe – allerdings erwähnte er "Gedankenspiele auf Arbeitsebene".

Das Verteidigungsministerium hatte auf Anfrage des Neuen Deutschlands mitgeteilt, dass eine Präsenzfahrt im Südchinesischen Meer "nicht in Planung" sei. Allerdings können

Unbenommen davon (...) Überlegungen zu Auslandsausbildungsreisen der Marine in den Indischen Ozean auf der Arbeitsebene angestellt werden.

Dabei ist die Region bereits seit einiger Zeit hoch militarisiert und von Spannungen geprägt. Somit ist eine Überlegung auf Arbeitsebene riskant, auch über die Teilnahme an FONOPS-Manövern, nicht zuletzt, weil Verbündete dort provokativ agieren. Peking hat die USA explizit aufgefordert, die "Muskelspiele" in der Region zu unterlassen. Während Großbritannien und Frankreich die Zwölf-Meilen-Seelinie respektieren, tun die USA dies vorsätzlich nicht.

Zwar hatte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg beim jüngsten NATO-Ministertreffen betont, die Militärallianz plane keine Ausweitung des Operationsgebiets auf das Südchinesische Meer.

Doch befindet sich beispielsweise in Singapur, dessen Sicherheitspolitik sich auf die militärische Präsenz der USA stützt, bereits britisches und französisches Militär, unter anderem mit dem atomgetriebene Flugzeugträger Charles de Gaulle. Im Sommer dieses Jahres hat Singapur auch die Deutsche Marine zur Beobachtung eingeladen, weil kriegerische Konflikte befürchtet würden.

Das Pentagon hat seinen Schwerpunkt zudem klar auf diese Region gelegt. Laut US-Außenministerium ist die Indopazifik-Region bereits jetzt ein Hauptfokus der US-Militärstrategie. Allerdings ist das genau dort US-Militär höchst verwundbar und wäre seinem potenziellen Gegner China unterlegen, so eine aktuelle Studie des United States Study Center der University of Sydney, Australien. Offenbar kommt zunehmend Hilfe aus Europa.

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