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Neue Weltmacht China – Die Auferstehung der Lehren von Konfuzius – Teil 1

Während der Westen mit den Vereinigten Staaten von Amerika als selbsternannter globaler Führungsmacht auf Konfrontation zur Behauptung seiner "Full Spectrum Dominance" setzt, fusst die neue Macht Chinas in der Welt auf seiner jahrtausendealten Kultur der Kooperation.
Neue Weltmacht China – Die Auferstehung der Lehren von Konfuzius – Teil 1Quelle: www.globallookpress.com

von Jochen Mitschka

Jeder Student der Politologie lernt die wichtigsten Werkzeuge jeder Herrschaftsform seit Jahrtausenden: Eine gefüllte Schatulle – die Geldbörse des Staates – und eine loyale Armee – das Schwert. Hinzu kommt die kulturelle Hegemonie, welche jedoch durch die beiden wichtigeren Werkzeuge ersetzt werden kann, wie man lehrt. Die Supermacht USA ersetzte die gefüllte Schatulle durch die weltweite Leitwährung, den US-Dollar, was es ihr ermöglichte, jede denkbare Summe als Kredit aufzunehmen, und verfügte so über unbegrenzte Geldmittel, wie kein Imperium vor ihr. Um eine Gefährdung dieses Status des Dollar zu verhindern, benutzten die USA das zweite Werkzeug, ihre mit Abstand mächtigste Armee der Welt, die jemals existiert hat. Diese wiederum wurde durch die unermesslichen Kreditmöglichkeiten finanziert. Auf eine wirkliche kulturelle, moralische und ethische Führungsrolle hatten Generationen von lügenden und kriegführenden Präsidenten stillschweigend verzichtet, im Glauben, allein mit den beiden wichtigsten Werkzeugen ausreichende Macht projizieren zu können, um die Welt zu beherrschen. Aber das war ein entscheidender Fehler.

Gleichzeitig wurde immer deutlicher, dass jene Politiker, welche diese Politik der die Wirtschaft beherrschenden Kräfte des Westens umsetzten, sich immer öfter als sogenannte "Würstchenwender" erwiesen. Das sind solche Politiker, die sich gern überall sehen lassen, keine wirklich kontroverse eigene Meinung – sondern nur die des Mainstreams – vertreten und sich bemühen, bei internen politischen Konflikten möglichst keine eigenständige Position einzunehmen. Derweil Länder wie Russland und China die klügsten, intelligentesten und geschicktesten Geister nicht in die Wirtschaft mit ihren Traumgehältern abwandern lassen, sondern sie in diplomatischen und politischen Kaderschmiden auf zukünftige Führungspositionen vorbereiten. Während im Westen aus den Absolventen der Eliteuniversitäten in erster Linie "Berater" werden, welche ihren Auftraggebern möglichst hohe kurzfristige Profite direkt zu generieren versuchen, oder im Interesse derselben ihre Regierungen beraten, um eben jenes Ziel zu erreichen.

Und während die politische Führungselite Chinas tatsächlich Konfuzius und seine Erben studieren, glaubten die im Westen Studierenden, mit japanischen und deutschen Kriegslehren und Machiavellismus (also der politischen Theorie, nach der für die Erlangung politischer Macht jedes Mittel – unabhängig von Recht und Moral – gerechtfertigt sei) für die Politik optimal gerüstet zu sein. Sie erkannten zwar sehr wohl die Gefahr, welche von einem aufsteigenden China ausging, glaubten aber, durch ihre zwei Hauptwerkzeuge diese Gefahr bannen zu können.

Im Jahr 1992 hatte das US-Verteidigungsministerium angekündigt, eine rivalisierende Macht in Asien verhindern zu wollen. Und so kaperte die Marine ein chinesisches Frachtschiff in internationalen Gewässern und zwang es drei Wochen lang, die Befehle der US-Offiziere zu befolgen. Natürlich beförderte das Schiff keine Schmuggelware, wie von den USA dreist behauptet wurde. Es war der Beginn des Versuchs einer Einschüchterung. Zwei Jahre später schickte der damalige Präsident Clinton eine ganze Flotte durch die Taiwanstraße. Es war die größte, welche jemals von den USA dorthin beordert worden war. Dann folgte der Krieg gegen Serbien. Und – welch zufälliges "Versehen" – die USA warfen Bomben auf Chinas Botschaft in Belgrad ab. Dabei wurden zwanzig Menschen schwer verletzt und drei Diplomaten Chinas getötet. Der ehemalige CIA-Chef George Tenet erklärte dazu dem Kongress später, dass dieses Ziel das einzige gewesen wäre, welches von der CIA ausgewählt worden war. Dann folgte im Jahr 2014 ein Artikel seitens der US Navy, in dem die Idee entwickelt wurde, entlang der chinesischen Küste Unterwasserminen zu legen und Möglichkeiten zu schaffen, um die Kommunikationslinien Chinas zu stören. Gleichzeitig wurden Aufstände in Xinjiang und Tibet unterstützt. Im Jahr 2017 folgte die US Luftwaffe und erklärte ihre Bereitschaft, Nuklearangriffe gegen China zu fliegen. Und so ist es kein Wunder, dass Professor John Mearsheimer seit Jahrzehnten die These vertritt, dass ein Krieg zwischen den USA und China unvermeidbar werden wird.

Aber alle Einschüchterungsversuche, alle "Eindämmungs"-Maßnahmen der letzten Jahrzehnte stellten sich als nutzlos heraus. Mit dem Selbstbewusstsein der kulturellen Überlegenheit einer Tausende von Jahren alten Hochkultur verfolgten nun schon Generationen von chinesischen Politikern Ziele und Herrschaftswerkzeuge, die schon Konfuzius und dessen Erben definiert hatten.

Die Antwort Chinas

Durch die Anwendung von Gewalt und dem Vortäuschen von Wohlwollen wird der Hegemon sicherlich einen großen Staat beherrschen. Durch die Verwendung von Tugend und Wohltätigkeit aber wird der weise Herrscher eine humane Autorität erlangen. (Mencius)

Schon Mao hatte 1956 China gewarnt, dass es absolut notwendig wäre, die USA zu überholen, weil das Land sonst dem Untergang geweiht wäre:

Die Vereinigten Staaten zu überholen ist nicht nur möglich, sondern absolut notwendig und obligatorisch. Wenn wir es nicht tun, wird die chinesische Nation die Welt im Stich lassen und wir werden keinen großen Beitrag zur Menschheit leisten. Wenn wir versagen, werden wir vom Erdboden getilgt.

Und so war fünfzig Jahre später die Gründung der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) die logische Fortsetzung dieser Gedanken. Eine wirtschaftliche, aber auch militärische Kooperation mit verteilten Koordinationszentren in Moskau, Usbekistan und Peking. China, Russland, Indien, Pakistan, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan repräsentieren zusammen schon mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, ein Viertel des globalen Bruttosozialproduktes und die Nuklearmacht von vier Atommächten. Nicht zu vergessen auch drei der größten Volkswirtschaften sowie den größten Teil der derzeit noch wichtigsten Ressourcen der Welt. Und weitere Staaten stehen auf der Warteliste, um zu dem Verbund zu gehören.

Während die USA mit Kriegen den Mittleren Osten "neu ordnen" wollten und auch bekannt wurde, dass sie eine Liste von sieben Ländern aufgestellt hatten, welche sie in fünf Jahren militärisch zu unterwerfen gedachten, forderte der chinesische Präsident Hu vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen:

Neue Wege, um Konflikte in der internationalen Gemeinschaft durch gegenseitiges Vertrauen, gemeinsamen Nutzen, Gleichheit und Zusammenarbeit zu lösen, im Unterschied zu den Gesetzen des Dschungels und der Machtpolitik, um Frieden, Vorteile für alle Beteiligten, und eine weltweite Entwicklung zu erreichen.

Und dieser, einer der Politik der USA gänzlich entgegengesetzten Philosophie blieb China auch weiter treu:

Im Jahr 2013 schlug sein Nachfolger, Präsident Xi, die Belt and Road Initiative, BRI, vor, die auf den Prinzipien von Hu basiert. Die BRI konzentriert sich auf politische Koordinierung, Infrastrukturanbindung, ungehinderten Handel, finanzielle Integration und engere persönliche Beziehungen und integriert vier Milliarden Menschen in einhundertdreißig Ländern sowie dreißig internationalen Organisationen in Eurasien, Afrika, Lateinamerika und dem Südpazifik. Die BRI verändert Wirtschaft, Handel, Logistik, Kommunikation, internationale Beziehungen und sogar Geographie, indem sie Kraftwerke in Pakistan baut, Eisenbahnlinien in Ungarn und Häfen von Afrika bis Griechenland betreibt. Die neue Allianz exportiert Chinas Entwicklungsmodell, ersetzt westliche Institutionen und gestaltet die Weltwirtschaftsordnung neu, indem sie neue Beziehungen knüpft, neue Märkte schafft, Wirtschaftsbeziehungen vertieft und die diplomatischen Beziehungen mit einer Billion Dollar an jährlichen Infrastrukturausgaben stärkt.

Der chinesische Außenminister Wang Yi hob noch einmal die Unterschiede hervor – ganz offensichtlich als Gegenpol zu den Wirtschaftskriegen und Sanktionspolitik der USA – und erklärte, wie eine "Diplomatie mit chinesischen Charakteristika" aussehen kann:

Die einzigartigen Merkmale der chinesischen Diplomatie stammen von der reichen und tiefgründigen chinesischen Zivilisation. In ihrer fünftausendjährigen Geschichte hat die chinesische Nation das humane Konzept entwickelt, alle Geschöpfe so zu lieben, als wären sie von der eigenen Art, und alle Menschen so, als wären sie deine Brüder, die politische Philosophie der Wertschätzung von Tugend und Gleichgewicht, den friedlichen Ansatz der Liebe, der Friedfertigkeit und der guten Nachbarschaft, die Idee, dass der Frieden von größter Bedeutung und Harmonie ohne Eintönigkeit ist, sowie das persönliche Verhalten, andere so zu behandeln, wie du behandelt werden möchtest, und anderen zum Erfolg zu verhelfen, wenn du selbst Erfolg haben willst.

Während transatlantische Politiker vor einer angeblichen Erpressung durch China schwadronieren, welche sich aus den Infrastrukturkrediten und aus den Investitionen in den Zielländern der BRI ergeben würde, aber selbst den Begriff der Diplomatie mit ihren eigenen Erpressungen und Sanktionen zu verwechseln scheinen, findet China immer mehr Anhänger seiner Politik. Allein im Jahr 2018 unterzeichnete Präsident Xi Handels- und Wirtschaftsvereinbarungen im Umfang von über 1.000 Milliarden Dollar. Zu den Ländern, welche sich in dem Jahr zu einer Kooperation mit China entschlossen, waren die Staaten der "Eastern Europe Economic Union" (EEEU), also Weißrussland, Kasachstan, Russland, Armenien und Kirgisistan. Moskau begann bereits mit dem Ausbau einer Hochgeschwindigkeits-Eisenbahn-Verbindung zwischen Moskau und Peking. Und im Jahr 2019 – unter Ausnutzung derzeitiger klimatischer Veränderungen – eröffnete Russland die Nord-Polar-Route, die dramatische Veränderungen in den Warenflüssen mit sich bringen wird. Auf die aber die USA vollkommen unvorbereitet sind – und auf welche die USA wieder nur mit Druck auf ihre Vasallen, mit Behinderungen und dem Versuch der Sabotage reagieren.

Der russische Präsident Putin, der auf Betreiben der USA und seiner Vertreter in Europa erfolgreich davon abgehalten worden war, einen kontinental-europäischen Markt zu verwirklichen, spricht nunmehr von einem großen, integrierten Markt vom Pazifik bis zum Atlantik. Darin werden als Erste dann eben zweifellos die genannten Staaten der EEEU, die BRI-Staaten, die SCO, und die ASEAN-Länder vertreten sein.

Aber damit nicht genug. Man hat in Deutschland – zumindest in den vollständig auf US-Hegemonie ausgerichteten Medien – auch kaum etwas über die "Regional Comprehensive Economic Partnership" (RCEP) gehört oder gelesen. Das ist eine Freihandelszone, welche die ASEAN-Länder Thailand, Indonesien (das größte muslimische Land der Welt), Malaysia, die Philippinen, Singapur und Brunei sowie Vietnam, Myanmar, Laos und Kambodscha umfasst. Der Verband südostasiatischer Nationen ASEAN ist flächenmäßig und hinsichtlich der Bevölkerungszahlen vergleichbar mit der EU, natürlich noch nicht in Hinsicht auf die Wirtschaftskraft. Aber zur RCEP gehören außerdem auch noch Australien, China, Indien, Japan, Süd-Korea und Neuseeland, insgesamt also 3,4 Milliarden Menschen, die ungefähr 40 Prozent des Welt-Bruttosozialproduktes erwirtschaften. Bis 2045 ist geplant, den gesamten eurasischen Kontinent komplett integriert und durch alle denkbaren Kommunikations- und Verkehrswege verwoben zu haben. Dazu gehört auch das sehr interessante Projekt eines Stromnetzwerkes (GEIDCO) auf Basis von Ultra-Hochspannung, wodurch umweltfreundlich produzierte Energie global verteilt werden soll. Während "der Westen" offenbar gerade alles Erdenkliche unternimmt, damit eine Integration des europäischen Kontinents eben nicht stattfindet, sondern ein neuer eiserner Vorhang zwischen Ost und West errichtet wird. Eine Politik, die von der Angst geprägt ist, dass Europa in den Einflussbereich Chinas und Russlands entgleiten könnte.

Ausblick

Im zweiten Teil der Artikelserie über Chinas Aufstieg wird zu berichten sein, mit welchen Mitteln die Führung des Landes die hegemonialen Ansprüche der USA erfolgreich unterminiert und wie andere Staaten der Welt darauf reagieren. Natürlich wird auch die Politik Deutschlands beleuchtet werden und welche Außenpolitik die politische Führung unseres Landes derzeit betreibt.

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