Die USA wollen den Mond annektieren: Die Umgehung des "Weltraumvertrags"
Von Thomas Frank
UN: Gegen Imperialismus im All
Am 27. Januar 1967 unterzeichneten 89 Staaten den "Weltraumvertrag". Der "Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper" trat dann am 10. Oktober 1967 in Kraft. Bis heute haben ihn 107 Länder unterzeichnet und ratifiziert, 1967 bereits auch die DDR. Für die Bundesrepublik Deutschland gilt er seit dem 10. Februar 1971.
In der Präambel heißt es, dass die Erforschung und Nutzung des Weltraums "zum Wohle aller Völker ohne Ansehen ihres wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungsstandes" sein sollte, es zu einer "umfassenden internationalen Zusammenarbeit bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums zu friedlichen Zwecken" kommen sollte, und dass "weder Gegenstände mit Kernwaffen oder anderen Massenvernichtungswaffen in Erdumlaufbahnen" zu bringen, "noch Himmelskörper mit derartigen Waffen zu bestücken"seien.
Im Artikel I wird darauf aufmerksam gemacht, dass es "allen" Staaten frei steht, den "Weltraum einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper ohne jegliche Diskriminierung, gleichberechtigt und im Einklang mit dem Völkerrecht zu erforschen und zu nutzen; es besteht uneingeschränkter Zugang zu allen Gebieten auf Himmelskörpern".
Der Artikel II besagt klipp und klar:
"Der Weltraum einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper unterliegt keiner nationalen Aneignung durch Beanspruchung der Hoheitsgewalt, durch Benutzung oder Okkupation oder durch andere Mittel".
Die Unterzeichner verpflichten sich zudem, auf keinem Himmelskörper Militärstützpunkte zu errichten oder gar Waffen zu testen und den Weltraum nur zu friedlichen Zwecken zu nutzen. Damit ist der Weltraumvertrag bis heute ein völkerrechtliches Schlüsseldokument für die friedliche Nutzung des Weltraums und die Rüstungskontrolle im Weltraum.
Im Jahr 1992 wurden diese Prinzipien mit der UN-Resolution A/RES/47/51: "The Prevention of an Arms Race in Outer Space" (PAROS) bestätigt.
Doch auch wenn das Militarisierungsverbot (die Stationierung von Nuklear- und anderen Massenvernichtungswaffen) für den Mond und andere Himmelskörper umfassend ist, so hat der Weltraumvertrag doch seine Schwächen:
Er begrenzt die militärische Nutzung des Weltraums nur teilweise.
Der Abschuss von Objekten im Weltraum, zum Beispiel Satelliten oder Raketen, von der Erde oder aus der Luft, ist nicht verboten.
Die Stationierung von konventionellen (aktiven) Waffen sowie von militärischen Aufklärungs-, Kommunikations- und Navigationssatelliten im All bleiben erlaubt.
Konventionelle oder mit Massenvernichtungswaffen bestückte Raketen dürfen den Weltraum durchqueren.
Aufgrund der technologischen Entwicklungen und der benannten Lücken im Weltraumvertrag werden im Rahmen der UN seit längerem Vorschläge diskutiert, wie ein Wettrüsten im All verhindert werden kann. Doch sie führen wegen der Ablehnung rüstungskontrollpolitischer Weltraum-Verträge durch die USA bisher zu keinem Ergebnis.
USA: Für Imperialismus im All
Wohl nicht umsonst weigern sich die USA, verpflichtende Rüstungskontrollverträge für den Weltraum abzuschließen. Denn die US-Weltraumbehörde NASA, in Kooperation mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), will in nur wenigen Jahren wieder Astronauten zum Mond schicken.
Hintergrund dafür ist auch das umstrittene Abkommen "Artemis Accords", welches die US-Amerikaner im Oktober 2020 mit Australien, Kanada, Japan, Luxemburg, Italien, Großbritannien und den Vereinigten Arabischen Emiraten abgeschlossen haben. Das Abkommen regelt unter anderem die Einrichtung von Sicherheitszonen auf dem Mond und die Ausbeutung dortiger Ressourcen.
Im Jahr 2021 traten Südkorea, Neuseeland, Brasilien, Polen und Mexiko dem Abkommen bei. Im Jahr 2022 kamen Bahrain, Frankreich, Israel, Kolumbien, Rumänien, Saudi-Arabien, Singapur und – wie sollte es auch anders sein – die Ukraine dazu.
Das Artemis-Abkommen wurde von der Trump-Regierung auf den Weg gebracht, aber die Nachfolge-Regierung unter Joe Biden bekannte sich im Februar 2021 zur Fortsetzung des Programms und kündigte an, dass man damit "Amerikas Werte demonstrieren" wolle. NASA-Administrator Bill Nelson betonte, dass die USA nicht gegenüber China ins Hintertreffen geraten dürften und das Artemis-Programm forcieren müssten.
Im Abschnitt Nr. 11 (Section 11) der "Artemis Accords" heißt es unter dem neutralen Titel "Konfliktentschärfung bei Weltraumaktivitäten", dass die Artemis-Accords-Vertragsstaaten beabsichtigen, Sicherheitszonen rund um eine Mondbasis oder um Regionen, an denen Bergbau betrieben wird, einzurichten. So soll sichergestellt werden, dass sich die Staaten nicht in die Quere kommen.
Die USA wollen den Mond de facto "annektieren"
Im Jahr 2024 sollen erstmals nach 1972 wieder Astronauten auf dem Mond landen. Bis zum Jahr 2028 soll eine dauerhafte US-Präsenz auf dem Mond geschaffen werden. Darunter versteht die NASA eine "nachhaltige Rückkehr" zur Mondoberfläche. Zudem sollen Wohnmodule als Basis für Aufenthalte bis zu sechs Wochen bereitgestellt werden.
Bereits ab Ende 2022 sollen "kommerzielle Mondnutzlastdienste" erfolgen und die Südpolregion erkunden. Ob es sich dabei tatsächlich nur um "kommerzielle" und nicht auch um militärische Dienste handelt, ist dagegen fraglich. Dennoch dürfte dies eine de facto Annexion des Himmelskörpers darstellen.
Kritiker jedenfalls sehen im Artemis-Abkommen einen Verstoß gegen den Weltraumvertrag (Bezahlschranke). Weltraumrechtler Frans von der Dunk von der University of Nebraska stellt klar:
"Staaten dürfen Flaggen im Mondstaub aufstellen, aber sie dürfen keine Gebiete annektieren, und sie können diese auch nicht für künftige Siedlungen reservieren."
Der Spiegel zitiert den Völkerrechtler Stephan Hobe, den Leiter des Instituts für Luftrecht, Weltraumrecht und Cyberrecht an der Universität Köln:
"Wir sind wieder an einen Punkt gekommen, wo die Größeren den Kleineren diktieren, was sie gerne hätten: Das Recht muss aber auf der Seite der Schwächeren sein."
Hobe kritisierte, zitiert von Spektrum.de, zudem, wie die Verträge zustande gekommen sind: Weder in einem internationalen Gremium, noch durch eine breite Diskussion, sondern "diktiert" von den USA:
"Den Amerikanern geht es stets darum, die Regeln des Spiels vorzugeben. Erst dann dürfen möglichst viele andere Staaten kooperieren. Und es geht ihnen darum, schnell vollendete Tatsachen zu schaffen."
Zudem seien Sicherheitszonen "genau bestimmte Gebiete, und die Aneignung solcher Gebiete ist durch den Weltraumvertrag verboten". Aber je mehr Staaten einen Vertrag unterschreiben, desto schwerer ließe sich das Rad zurückdrehen, so Hobe:
"Umso wichtiger wäre es, dass Deutschland ein Ausrufezeichen setzt und sagt: Wir stimmen diesen Dingen nicht zu. Und wir sind der Auffassung, dass alle, die dabei mitmachen, an der Aushöhlung des Weltraumrechts arbeiten."
Doch Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums wollten sich auf Nachfrage von Spektrum.de zu den Artemis Accords nicht äußern. Aus dem Ministerium hieß es lediglich, man stehe mit den Amerikanern "in engem Austausch", rechtliche Fragen würden "zu gegebener Zeit eine Rolle spielen". Und:
"Grundsätzlich ist die Bundesregierung an einer Weiterentwicklung des geltenden völkerrechtlichen Rechtsrahmens auf multilateraler Ebene interessiert."
So gehorsam antwortet eben ein US-Vasall.
Der Chef der russischen Weltraumbehörde Roskosmos, Dmitri Rogosin, hingegen sprach Klartext: Das Artemis-Programm sei "zu US-zentriert", daher werde sich sein Land nicht groß an den amerikanischen Mondplänen beteiligen. Im Juli 2022 beklagte sich Rogosin in der Komsomolskaja Prawda:
"Es geht nur um Amerika, alle anderen sollen helfen und zahlen. Ganz ehrlich, an so etwas sind wir nicht interessiert."
Die Russen und Chinesen wehren sich gegen den US-Imperialismus im All
Aber nicht nur die USA haben großes Interesse, den Mond militärisch und auch kommerziell zu nutzen, sondern auch die Chinesen. Deren Forscher arbeiten ebenso an Verfahren, wie ihre amerikanischen Kollegen, aus Mondgestein Rohstoffe zu gewinnen, vor allem Sauerstoff und Wasser. Damit sollen künftige Mondbasen versorgt werden.
Russland plant ebenfalls, mit einem eigenen Raumschiff zum Mond fliegen, um dort – gemeinsam mit den Chinesen – eine Basis zu errichten. Laut Spektrum.de sieht Peking das Artemis-Abkommen ebenso kritisch, wie ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums unmissverständlich klarstellte:
"Verhaltensregeln fürs All sollten von UNO-Gremien festgelegt werden, nicht von einem einzelnen Land."
Konflikte zwischen den Staaten um die begrenzten Ressourcen des Himmelskörpers sind also vorprogrammiert. Vor allem die USA sind eifrig dabei, den Mond für ihre Zwecke zu nutzen. Der militärische und kommerzielle Wettlauf zum Mond ist also schon in vollem Gange.
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