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Auf dem Weg in die multipolare Weltordnung – Teil 3

Die multipolare Weltordnung wird zunehmend zur gelebten Realität. Geopolitisch und geo-ökonomisch existieren mehrere Machtzentren, es bildet sich ein neues Gleichgewicht der Mächte heraus, was mit entsprechenden militärischen und ökonomischen Konflikten verbunden ist – siehe Ukraine-Krieg.
Auf dem Weg in die multipolare Weltordnung – Teil 3Quelle: Sputnik © http://sputnikimages.com/search/?query=Ilya%20Pitalev&area=author

Eine Analyse von Dr. Anton Friesen

Teil 1 finden Sie hier, Teil 2 hier.

Eine Nation, die eine solche Kathedrale zu Ehren Gottes errichtet, hat eine immense geistige Tiefe und Kraft – so schrieb einer der bekanntesten US-Konservativen, Rod Dreher, über die 2018 geweihte Hauptkirche der Russischen Streitkräfte.

Während Russen und Chinesen ihr eigenes Gesellschaftsmodell und ihre Werte genauso wenig exportieren wie die Inder, sind die USA berühmt-berüchtigt dafür, sich selber als Gottes eigenes Land (God's Own Country) und das neue, himmlische Jerusalem zu sehen (City on a Hill), das der Welt als leuchtendes Vorbild dienen soll. Nur dass es nicht mehr leuchtet. Stattdessen steigt schwefelartiger Geruch der Vermoderung aus dem selbsternannten Reich des Guten auf.

Hunderttausende Arbeiter und Angestellte aus der US-amerikanischen Mittelklasse sterben jährlich an Drogensucht – die Opium-Epidemie hat Dimensionen angenommen wie Ende des 19. Jahrhunderts im Chinesischen Kaiserreich, bevor und während es unter den imperialistischen Mächten faktisch in Einflusssphären aufgeteilt wurde.

Staatsfreie Räume wie in Seattle und die Selbstzerstörung einer stolzen Nation seit den BLM-Ausschreitungen 2020 sprechen Bände. Ist das nur das Werk einer abgehobenen, globalisierten Elite? Nein, die Mehrheit der US-Amerikaner unterstützt diesen Weg in den Abgrund. Rod Dreher schreibt in seiner "Benedikt-Option", dass die Anti-Kultur der 68er fröhlich bis zum Endsieg marschiert. Während 2000 noch die große Mehrheit der US-Amerikaner die sogenannte Homo-"Ehe" ablehnte, ist 2020 genauso eine große Mehrheit dafür.

Nicht, dass es in God's Own Country keine Hoffnung gäbe – die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, das Recht auf den Mord an ungeborenem Leben aufzuheben und in bester US-amerikanischer Tradition an die Bundesstaaten zurückzugeben, zeugt zumindest davon, dass sich Konservative nicht in ihren Gärten verkriechen und den Kulturkrieg aufgenommen haben, denen ihnen die Linken spätestens 1968 erklärt haben. Doch zeigen auch hier die Umfragen, dass die Mehrheit der Amerikaner gegen diese Entscheidung und für den hunderttausendfachen Mord plädiert.

Womit wir beim Punkt wären – Gesellschaften wie die reichen Industriestaaten, die nicht einmal sich selbst reproduzieren wollen, haben keine Zukunft. Bis auf Israel erreicht keine einzige (westliche) Industrienation (inklusive Japan, Südkorea, Singapur) das bestandserhaltende Niveau.  

Dabei kann das Erreichen eines bestandserhaltenden Niveaus als Indikator für Stabilität und eine lebensfähige gesellschaftliche und soziale Ordnung angesehen werden, während die demographische Krise aus einer kulturell-sozialen Dekadenz entspringt, die die Souveränität und (militärische) Machtprojektion, den Erhalt der nationalen Souveränität gefährdet bzw. langfristig untergräbt. Das bestandserhaltende Niveau liegt bei 2,1 Kindern pro Frau. Russland erreicht nach der demographischen Katastrophe der neoliberalen Neunziger 1,5; die USA 1,6; China 1,7; Brasilien 1,7; Indien 2,2 und Südafrika 2,4 (alle Daten für 2020, https://data.worldbank.org/). Damit erreichen nur Indien und Südafrika das bestandserhaltende Niveau. Die USA sind steil abgestürzt – über Jahrzehnte lagen sie, was die Geburtenrate angeht, weit über dem ebenfalls von Dekadenz befallenen (West)Europa.

Der Anteil des kollektiven Westens an der Weltbevölkerung betrug im Jahr 1900 noch rund 30 Prozent. Heute stellen die wichtigsten Industrienationen des Westens – die G7 – nur noch 10 Prozent der globalen Weltbevölkerung. Tendenz sinkend. Demographisch, kulturell, wirtschaftlich und militärisch steigt der Westen ab und aus der US-dominierten unipolaren Weltordnung seit 1991 wird zunehmend eine multipolare Welt, die für manche Überraschung gut sein wird. Ross Douthat, einer der bekanntesten Vordenker der Republikaner in den USA, hält zum Beispiel ein christlich gewordenes chinesisches Imperium für möglich, das den säkularistisch-neoheidnischen, gottlosen USA gegenübersteht.

Das ist nicht unmöglich, auch für das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Eventuell könnte das 21. Jahrhundert, als Asiatisches Jahrhundert tituliert, anders verlaufen als gedacht. Aber es wäre ein Christentum mit chinesischem Antlitz. Fest steht, dass der übersteigerte Individualismus des postmodernen Westens der Vergangenheit angehört. Zeit, umzukehren und das eigene christliche Erbe neu zu entdecken – bevor es andere tun.

Dr. Anton Friesen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Bundestag und ehemaliger Bundestagsabgeordneter (Auswärtiger Ausschuss sowie Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe). Der Autor vertritt im Artikel ausschließlich seine eigene Meinung.

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