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Auf dem Weg in die multipolare Weltordnung – Teil 2

Die multipolare Weltordnung wird zunehmend zur gelebten Realität. Geopolitisch und geo-ökonomisch existieren mehrere Machtzentren, es bildet sich ein neues Gleichgewicht der Mächte heraus, was mit entsprechenden militärischen und ökonomischen Konflikten verbunden ist – siehe Ukraine-Krieg.
Auf dem Weg in die multipolare Weltordnung – Teil 2Quelle: Sputnik © Vitaliy Belousov

Eine Analyse von Dr. Anton Friesen

Teil 1 finden Sie hier.

Im Jahr 2034 sind die USA ein kriegszerstörtes Land. Indien hilft mit Krediten beim Wiederaufbau und der Iran bekommt einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. China ist der große Gewinner. Was wie ein Science-Fiction-Film aus Bollywood oder der Traumfabrik der China Film Group klingt, ist tatsächlich ein realistischer Thriller aus der Feder von Vier-Sterne-Admiral Jim Stavridis, 2009 bis 2013 Alliierter Oberkommandierender der NATO in Europa, und Elliot Ackerman, mehrfach mit ranghohen Orden ausgezeichneter (Ex-)Marine.

Die multipolare Weltordnung – sie wird auch militärisch Realität.

Weltwirtschaftliche Macht, wie sie bereits in Teil I analysiert wurde, kann in Militärmacht transformiert werden, da erstere die Grundlage für letztere ist, wie der bekannte britische Historiker Paul Kennedy schrieb. Zwar sind immer noch die USA mit Abstand das Land mit den höchsten Militärausgaben weltweit, doch nehmen mit China auf Platz 2, Indien auf Platz 3 und Russland auf Platz 4 gleich drei BRICS-Staaten die Plätze unter den TOP-4 ein.

Die BRICS-Staaten arbeiten nicht nur im Bereich der Wirtschaft, sondern auch der Sicherheit eng zusammen. Beispiele hierfür sind der gemeinsame Einsatz gegen die Militarisierung des Weltraums, wie zuletzt in der "New Delhi Declaration" 2021 bekräftigt, oder die BRICS-Strategie zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Die BRICS-Länder treten ebenfalls gemeinsam für eine bessere Kontrolle der Biowaffen ein, die über die Ratifizierung eines Protokolls zur Biowaffen-Konvention mit einem objektiven Verifizierungsmechanismus erfolgen soll.

Auch wird der Reformbedarf bei der OPCW (Organisation für das Verbot chemischer Waffen) anerkannt, der sich nicht zuletzt in fragwürdigen Berichten zum angeblichen Chemiewaffen-Einsatz der syrischen Regierung gezeigt hat, wie es der bekannte Orientalist Michael Lüders 2021 im Buch "Die den Sturm ernten. Wie der Westen Syrien ins Chaos stürzte" dargelegt hat.

Indien, China und Russland sind neben BRICS gleichzeitig auch Mitglieder der Sicherheitsorganisation Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), wo sie sich ebenfalls eng sicherheitspolitisch abstimmen. Im Global Firepower Index, der die wirtschaftliche und militärische Stärke eines Landes berücksichtigt, steht Russland auf Platz 2, China auf 3, Indien auf 4 und Brasilien auf Platz 10 weltweit (zum Vergleich: USA – Platz 1, Deutschland – Platz 16).

Eine potentielle Militärallianz aus Russland und China wäre den USA und NATO fast in allen Parametern quantitativ überlegen – nur bei der Luftwaffe schneiden die Vereinigten Staaten und die NATO besser ab. Einer Studie der US-amerikanischen Rand Corporation zufolge – einer Denkfabrik, die im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums Auftragsforschung erstellt – würden die USA gegen eine Militärallianz aus Russland und China verlieren.

Tatsächlich haben die Vereinigten Staaten (von Siegen gegen Kleinststaaten abgesehen) im 20. Jahrhundert zuletzt 1945 einen Krieg gewonnen, wie der Vordenker der Republikaner, Ross Douthat, in seinem Bestseller mit dem vielsagenden Titel "The Decadent Society" bemerkt. Einschränkend müsste hinzugefügt werden, dass die USA (genauso wie Russland oder Indien) über kampferprobte Streitkräfte verfügen, während die chinesischen (noch) keine Kampferfahrung sammeln konnten – vorausgesetzt, die USA zündeln nicht, wie im eingangs erwähnten Roman "2034" beschrieben, im Südchinesischen Meer und überschätzen ihre eigene (schwindende) Stärke mit katastrophalen Folgen für sich selbst und ihre westlichen Alliierten.

Letztlich geht es jedoch nicht nur um ökonomische oder militärische Macht – es geht auch um kulturelle Ressourcen, die die Größe und das Wohlgedeihen einer Nation und ihren Platz ausmachen. Genau davon handelt der dritte Teil.

Dr. Anton Friesen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Bundestag und ehemaliger Bundestagsabgeordneter (Auswärtiger Ausschuss sowie Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe). Der Autor vertritt im Artikel ausschließlich seine eigene Meinung.

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