Britischer Söldner in der Ukraine gefangen genommen, Däne schildert Mord an russischen Gefangenen
Das Thema Ausländer – ob nun westlichen Emissäre, Freiwillige oder Söldner aus dem Westen oder woanders her –, die sich in Kiews Dienste begaben und als Berater, Spezialisten oder Soldaten gegen die Truppen Russlands und Milizen der beiden Volksrepubliken Donezk und Lugansk kämpfen, ist in aller Munde.
So machte das russische Verteidigungsministerium erst am 8. April darauf aufmerksam, dass abgefangenen Funksprüchen nach Zugereiste aus mindestens sechs Staaten in Mariupol aktiv seien. Einigen Berichten zufolge hatten mehr als 200 ausländische Söldner auf ukrainischer Seite in Mariupol gekämpft, wie Ramsan Kadyrow jüngst mit Verweis auf die Aussage eines gefangenen ukrainischen Nationalisten informierte. Militärsprecher General Igor Konaschenkow erklärte noch beim Pressebriefing am 9. April zu diesem Thema:
"Abgefangene Funksprüche zeigen, dass sich in den besetzten Gebieten der Stadt neben Nazis aus dem Asow-Bataillon und Resten der ukrainischen Streitkräfte eine bedeutende Anzahl ausländischer Söldner befindet. Der Funkverkehr findet neben Ukrainisch und Russisch in sechs weiteren, meist europäischen Sprachen statt.
Offensichtlich ist, dass in der Stadt nun nicht Beschützer sogenannter europäischer Werte blockiert sind, sondern ausländische Söldner – angereist, um hinter einem menschlichen Schutzschild aus Zivilisten Slawen für US-Dollar zu töten."
Nur wenige Tage zuvor, am 6. April, hatte ein ehemaliger Angehöriger der dänischen Streitkräfte dem dänischen Medienunternehmen TV2 ein Interview gegeben. Nach Angaben des Söldners, der nur "Jonas" genannt wird (Name von TV2 geändert), sah er mit eigenen Augen, wie Kiew-treue Truppen russische Kriegsgefangene ermordet hatten. Er selbst bestritt jede Beteiligung an den Morden. TV2 gibt an, seine wahre Identität zu kennen und Nachweise dafür gesehen zu haben, dass er sich wirklich in der Ukraine aufhalte und aktuell der ukrainischen Armee angehöre. Es sei nicht das erste Mal, dass "Jonas" in einem Krisenherd kämpfe; ob er die Male zuvor ebenfalls schon als Freiwilliger oder Söldner an Kampfhandlungen beteiligt gewesen war oder nur als Berufssoldat, wird nicht angegeben.
Er habe die Zerstörung des ausländischen Söldnerstützpunkts in Jaworow bei Lwow durch einen Mittelstrecken-Lenkflugkörper hautnah miterlebt – und schätzt, dass etwa die Hälfte der Ausländer Reißaus nahm und über polnisches Staatsgebiet den Rückweg nach Hause antrat. Der Däne sei stattdessen in den Osten der Ukraine gefahren, wo die härtesten Kämpfe stattfinden, und habe unter anderem in Mariupol gekämpft. Ob er sich zum Zeitpunkt des Interviews noch in der Stadt aufhielt, wurde nicht angegeben. Dafür schildert "Jonas", mehrfach Zeuge von Morden an russischen Kriegsgefangenen geworden zu sein, was er als Kriegsverbrechen verurteilte und woran er jegliche eigene Beteiligung abstritt. Einen Willen der Kiew-treuen Truppen zum Gefangenenaustausch bestätigt er ausdrücklich nicht:
"Zuvor hatte ich über einen erfolgreichen Gefangenenaustausch gehört, und das war's – doch unterm Strich? Die Menschen werden getötet."
Er habe mit einigen der russischen Kriegsgefangenen vor deren Hinrichtung gesprochen, so der Söldner, darunter ein, wie er erklärte, 18-jähriger Programmierer:
"Was er mir erzählte, kann ich hier nicht sagen. Doch am nächsten Morgen wurde er verscharrt. So etwas lässt dich nicht wieder los."
Trotz der Morde an unbewaffneten Gefangenen, die ukrainische Soldaten begehen, will "Jonas" weiter auf deren Seite kämpfen – denn er sieht den Konflikt als einen Angriff auf Europa. Der angeblich erfahrene Scharfschütze prahlt damit, mehrere Dutzend russischer Soldaten getötet zu haben, und drückt die Hoffnung aus, es noch auf eine Zahl im dreistelligen Bereich zu bringen. Auch sein Vater in Dänemark sei stolz auf ihn.
Der Vorsitzende des russischen Ermittlungskomitees Alexander Bastrykin kündigte am 7. April an, die Angaben des dänischen Söldners über die Morde an russischen Kriegsgefangenen durch ukrainische Streitkräfte untersuchen zu lassen. Ebenso wird sich das Komitee mit der Ermittlung des echten Namens des mutmaßlichen Scharfschützen befassen. Auch drängt sich die Vermutung auf, dass außerdem geprüft wird, ob die Schilderung seiner Leistung lediglich Angeberei eines Söldners ist oder der Realität entspricht, was dann ein Ermittlungsverfahren gegen "Jonas" zur Folge haben dürfte – falls er überhaupt lebend gefangen genommen wird.
Der ruhmlose Fall eines Medienstars
Deutlich höhere mediale Bekanntheit erlangte derweil eine weitere Figur: Der britische Söldner Aiden Aislin, der in den Reihen der ukrainischen Streitkräfte gegen russische Truppen gekämpft hatte, hatte sich am 13. April 2022 in Mariupol ergeben. Dies wurde von Quellen im russischen Militär berichtet. In den Veröffentlichungen wird einer der letzten Einträge des Kämpfers zitiert, der auf seiner Twitter-Seite veröffentlicht wurde:
"Wir haben 48 Tage lang unser Bestes gegeben, um Mariupol zu verteidigen, aber wir haben keine andere Wahl, als uns den russischen Truppen zu ergeben. Wir haben weder Lebensmittel noch Munition. Ich hoffe, dass dieser Krieg bald zu Ende ist."
Es ist erwähnenswert, dass der 27-jährige Brite sich in ganz Großbritannien einen Namen machte. Viele britische Zeitungen, darunter die Times und die Daily Mail, hatten mit geradezu überbordender Bewunderung über ihn berichtet.
Diese Aufmerksamkeit war nicht zufällig. Es stellte sich heraus, dass Aislin gar kein Berufssoldat ist. Vielmehr ist er ein ehemaliger Sozialarbeiter aus der kleinen Stadt Newark in Nottinghamshire. Anstatt sich um ältere Menschen zu kümmern, beschloss er aber irgendwann, sich an einem echten Krieg zu versuchen.
Zunächst soll er in Syrien gekämpft haben – wie es heißt, auf der Seite der syrischen Kurden gegen die Terrormiliz Islamischer Staat –, Mitte März 2022 verschlug es ihn schließlich mit einer Gruppe von "Freiwilligen" in die Ukraine, "um Putin zu bekämpfen". Gedient hat Aislin in einem Bataillon der ukrainischen Marineinfanterie – dessen Soldaten ergaben sich unlängst in Mariupol, und er ergab sich ebenfalls.
Die britische Presse hatte sich zuvor gar nicht genug in Begeisterung über den ach so tapferen Recken überschlagen können, der da den Entschluss gefasst habe, die "russischen Eindringlinge" in die Schranken zu weisen. In zahlreichen Zeitungsartikeln wurde der auch unter seinem Internetnamen CossackGundi bekannte Söldner gar zum Symbol für den Kampf gegen die "russische Invasion in der Ukraine" bis auf den letzten Blutstropfen verklärt. Dem hatte Aislin höchstselbst Vorschub geleistet – in einem Interview erklärte der Glücksritter vom sprichwörtlichen hohen Ross aus der Anzeigezeitung Newark Advertiser: "Ich werde mich niemals in Gefangenschaft begeben."
Doch trotz seiner großmäuligen Behauptungen musste der "Reisende" aus England seine Waffen niederlegen und sich ergeben. Ein Kriegsjournalist kommentierte: "Tja, das ging daneben."
Aislin ist bisherigen Berichten zufolge der erste britische Söldner, der sich in der Ukraine ergab. Eine offizielle Bestätigung dieser Information liegt jedoch bisher nicht vor. Dafür kursiert ein Videoclip im russischen Internetsegment, bei dem ein doch sehr nach dem Selfie-Krieger aussehende Mann zuerst nach seinen russischen Sprachkenntnisse gefragt – die er bescheiden mit "50/50" einschätzt – und anschließend verhört wird. Mit einem am ehesten als indisch oder pakistanisch einzuschätzenden Akzent verneint der Söldner jegliche Teilnahme an Kämpfen:
"Sagen Sie mir: Haben Sie Menschen getötet?"
"Ich weiß nicht."
"Warum nicht?"
"Ich habe nicht gekämpft."
"Wurden vor Ihren Augen Menschen getötet?"
"Ähhh … Ähh … Nein."
Ob die Beule auf der Stirn des selbst ernannten Kosaken einem urplötzlichen Sturz von seinem hohen Ross entstammt, gilt es noch zu präzisieren.
Dem russischen Ermittlungskomitee liegt eine Liste mit Namen von Söldnern vor, die sich aus 47 Staaten in die Ukraine einfanden, um dort auf der Seite Kiews zu kämpfen. Auf dieser Liste sollen 600 Namen stehen. Allein 200 Söldner sollen aus Kroatien angereist sein – nach Auffinden einer gehissten kroatischen Flagge in Melitopol war noch Anfang März ein Militärattaché dieses Landes ins russische Verteidigungsministerium einbestellt worden. Mindestens weitere 600 wurden Ende März/Anfang April getötet, weitere 500 sollen das Land wieder verlassen haben, schrieb die Zeitung Moskowski Komsomolez mit Verweis auf das russische Militär. Doch ebenfalls Anfang März kündigte der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij auf Instagram an, sage und schreibe 16.000 Mann an "Freiwilligen" aus aller Welt in der Ukraine zu erwarten, die die hohen personellen Verluste der Kiew-treuen Truppen kompensieren sollen.
Ende März belief sich die Zahl in der Ukraine befindlicher Söldner Aufklärungsdaten zufolge auf gut 6.000 Mann aus 62 Staaten. Das russische Außenministerium meldete am 13. April, dass die Einrichtungen der ukrainischen Kollegen unter Verstoß gegen das Völkerrecht zu sprichwörtlichen Werbestützpunkten für ausländische Glücksritter geworden seien. Und am 15. April seien 30 Freischärler eines polnischen Militärunternehmens nach Angabe des russischen Militärs in der Ortschaft Isjumskoje in der Region Charkow bei einem Raketenangriff getötet worden.
Mehr zum Thema – Medienbericht: Gewaltakte des ukrainischen Geheimdienstes und Militärs gegen die Zivilbevölkerung
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.