"Tödlich für internationalen Zahlungsverkehr" – Merz gegen SWIFT-Ausschluss Russlands
Der designierte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat davor gewarnt, Russland vom internationalen Banken-Zahlungssystem SWIFT auszuschließen. "SWIFT infrage zu stellen, das könnte die Atombombe für die Kapitalmärkte und auch für die Waren- und Dienstleistungsbeziehungen sein", sagte er der dpa in Berlin kurz vor der Reise von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in die Ukraine und Russland an diesem Montag und Dienstag.
"Wir sollten SWIFT unangetastet lassen."
"Ich würde massive ökonomische Rückschläge auch für unsere Volkswirtschaften sehen, wenn so etwas geschieht. Es würde Russland treffen. Aber wir würden uns selbst erheblich schaden", warnte Merz mit Blick auf die exportorientierte deutsche Wirtschaft.
Er befürchte große Rückwirkungen nicht nur auf den europäisch-russischen Dienstleistungs- und Warenhandel, sondern auch auf den weltweiten Handel. SWIFT sei das System für die Abwicklung des internationalen Geldverkehrs für Waren und Dienstleistungen. Ein Ausschluss Moskaus "würde im Grunde genommen diesem internationalen Zahlungsverkehr das Rückgrat brechen".
Die USA und eine Reihe ihrer westeuropäischen Partner haben Russland wiederholt mit "verheerenden Konsequenzen" gedroht, sollte der Kreml in der Ukraine militärisch aktiv werden. Zu den potenziellen Sanktionen gehören offenbar auch Maßnahmen gegen große russische Geschäftsbanken und den russischen Energiesektor, die Sperrung des Zugangs Russlands zu den Anleihemärkten, der Ausschluss des Landes vom internationalen Zahlungssystem SWIFT sowie verschärfte Ausfuhrkontrollen.
Mit welcher rechtlichen Begründung die USA Zugriff auf das im belgischen La Hulpe ansässige Unternehmen nehmen könnte, ist allerdings unklar. SWIFT wickelt für mehr als 11.000 Finanzinstitute in mehr als 200 Ländern weltweit Nachrichten und Finanztransaktionen über gesicherte Netze ab und ermöglicht damit Zahlungen in Höhe von bis zu einer Billion US-Dollar täglich.
Ein Präzedenzfall für einen SWIFT-Ausschluss ist Iran. Im November 2018 sperrte die Zahlungsverkehrsorganisation infolge der damals gegen Iran verhängten US-Sanktionen bestimmten iranischen Banken den Zugang zu seinem Datenaustausch-System. Der Schritt sei bedauerlich, aber im Interesse der Stabilität und Integrität des globalen Finanzsystems unternommen worden, teilte SWIFT damals mit. Ziel bleibe es, auch weiterhin ein globaler neutraler Anbieter zu sein.
Wenn Banken SWIFT nicht mehr nutzen können, kann dies fatale Folgen für deren Geschäfte haben, weil sie damit quasi vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen sind. Auch für den Außenhandel des betreffenden Landes hätte dies gravierende Folgen. Der von der Tagesschau zitierte Russlandexperte Alexander Libman von der FU Berlin findet für diesen Vorstoß deutliche Worte:
"Sobald russische Banken von SWIFT abgeschaltet werden, ist es eine Atombombe nicht nur im Finanzsystem, sondern auch im internationalen Handel, der dann massiv beeinträchtigt wird."
Denn sind die russischen Banken von SWIFT abgekoppelt, käme kaum mehr Geld nach Russland oder aus dem Land heraus. Zudem würden neben den Geldströmen auch die Warenströme stocken. Bei Öl und Gas hätte das gravierende Folgen, so Libman. "Wenn morgen die russischen Lieferungen einfach ausfallen, dann kann es zu einem massiven Preisanstieg auf den Gasmärkten kommen. Das wird zu weiteren Komplikationen für die europäische Wirtschaft führen."
Sollte der SWIFT-Ausschluss Russlands Realität werden, so sei Russland für diesen Schritt gewappnet, erklärten russische Offizielle. Denn ähnlich wie China hat auch Russland mit einigen seiner Nachbarstaaten bereits ein eigenes Zahlungssystem MIR aufgebaut. Wie der IT-Experte Jan Oetting vermutet, könnten westliche Banken somit Geld mit SWIFT in Anrainerstaaten Russlands schicken, die dieses Geld dann über MIR nach Russland weiterleiten. Die Umwege würden die Zahlungen jedoch verlangsamen und vor allem kostspieliger machen.
Baerbock will am Montag in der ukrainischen Hauptstadt Kiew mit Präsident Wladimir Selenskij und Außenminister Dmitri Kuleba zusammentreffen. Am Dienstag sind Beratungen mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow in Moskau geplant. Der ukrainische Botschafter in Berlin Andrei Melnyk appellierte indes erneut an die deutsche Politik, der Ukraine Waffen zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung leistet der Ukraine zwar Hilfe im militärischen Bereich (Militärmedizin- und Logistik), lehnte Waffenlieferungen bislang aber strikt ab.
Die Debatte um die Ukraine findet vor dem Hintergrund einer russischen diplomatischen Initiative statt. Russland pocht auf das Prinzip der ungeteilten Sicherheit und verlangt den Verzicht auf eine Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die NATO sowie einen US-Truppen- und Waffenabbau in Europa. Die USA und die NATO lehnen das ab. Der Westen verlangt den Rückzug der russischen Truppen von der Grenze zur Ukraine und droht mit massiven Sanktionen, sollte Russland in die Ukraine einmarschieren.
Der Oppositionspolitiker Merz nannte den Wunsch der Ukraine nach Waffenlieferungen legitim. "Das Land wird massiv bedroht, alleine durch den Truppenaufmarsch an seiner Ostgrenze. Und insofern kann ich den Wunsch sehr gut verstehen." Die Antwort solle aber eine europäische sein. "Wichtig ist, dass hier die Europäische Union mit einer Stimme spricht."
Russische Militäranalysten weisen darauf hin, dass die im Westen Russlands stationierten Militärkräfte für eine Invasion im Nachbarland bei weitem nicht ausreichen. Auch aus technisch-logistischer Sicht gebe es keine Belege für dieses Vorhaben. Der Sekretär des Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine Alexei Danilow konnte die Russland unterstellten Einmarschpläne ebenfalls nicht bestätigen.
"Wir beobachten keine große Ansammlung von russischen Truppen. Es gibt einige Truppenbewegungen, aber das ist für uns nicht entscheidend. Für eine groß angelegte Invasion brauchen wir mindestens die drei-, vier- oder fünffache Anzahl – viel mehr als wir derzeit haben", sagte er Ende Dezember dem US-Sender Current Time.
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