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Trotz Foltervorwürfen: Generalmajor aus den Emiraten neuer Interpol-Präsident

An der Spitze der Polizeiorganisation Interpol steht künftig Ahmed al-Raisi, gegen den seit Längerem Foltervorwürfe erhoben werden. Der Generalmajor stammt aus den Emiraten - einem der größten Geldgeber der Organisation, der Interpol zur Verfolgung von Dissidenten missbraucht haben soll.
Trotz Foltervorwürfen: Generalmajor aus den Emiraten neuer Interpol-PräsidentQuelle: Reuters © REUTERS/Edgar Su

Foltervorwürfen zum Trotz hat die internationale Polizeiorganisation Interpol einen Generalmajor aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zum neuen Präsidenten gewählt. Der Generalinspekteur im dortigen Innenministerium, Ahmed Nasser al-Raisi, tritt die Nachfolge von Meng Hongwei aus China an. Bei einer Vollversammlung der 195 Interpol-Mitgliedsstaaten in Istanbul bekam er am Donnerstag die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Al-Raisi wird das weitgehend zeremonielle Amt für eine Zeit von vier Jahren trotz Kritik an der Personalie übernehmen.

Von Menschenrechtlern kam Kritik. Aus deren Sicht steht al-Raisi für einen aggressiven Sicherheitsapparat, in dem Menschen mit kritischer Haltung gegenüber der Regierung willkürlich festgenommen oder gar gefoltert werden. In mindestens fünf Ländern wurden in Zusammenhang mit Foltervorwürfen Klagen gegen ihn eingereicht. Die Menschenrechtsgruppe MENA Rights Group schrieb auf Twitter:

"Die internationale Polizeiorganisation wird jetzt von einem autokratischen Regime vertreten, das Kritik als Terrorismus betrachtet und Andersdenkende abhört, festnimmt und foltert."

In einem Fall klagt der britische Politikwissenschaftler Matthew Hedges, der 2018 für Recherchen in die Emirate gereist war. Auf der Rückreise nahmen ihn Sicherheitskräfte am Flughafen vorübergehend unter dem Vorwurf fest, er sei ein britischer Spion. "Ich wurde gefoltert. Ich wurde gezwungen, Arznei- und Beruhigungsmittel zu nehmen."

Nicht nur wurden ihm körperliche Gewalt oder die Überstellung an eine Militärbasis im Ausland angedroht, sondern auch Schaden für seine Familie. "Dies geschah durch die emiratischen Sicherheitsdienste in einem Gebäude, für das Naser al-Raisi ... die Verantwortung trägt", so Hedges gegenüber Reuters in Istanbul.

"Die Möglichkeit, dass al-Raisi Präsident von Interpol wird, schafft einen extrem gefährlichen Präzedenzfall, in dem systematische Missbräuche legitimiert und normalisiert werden, sodass andere Staaten sie auf der ganzen Welt weiter anwenden", fügte er hinzu.

Im November erhielt Ursula von der Leyen als Präsidentin der Europäischen Kommission ein Schreiben von drei Mitgliedern des Europäischen Parlaments, in dem diese warnten, dass al-Raisi mehr Schaden als Nutzen bringen könnte:

"Die Wahl von General al-Raisi würde den Auftrag und den Ruf von Interpol untergraben und die Fähigkeit der Organisation, ihren Auftrag effektiv zu erfüllen, stark beeinträchtigen", zitiert Al-Jazeera aus dem Brief vom 11. November.

Schon im vergangenen Jahr hatten 19 Nichtregierungsorganisationen, darunter Human Rights Watch, ihre Besorgnis über die mögliche Wahl von al-Raisi geäußert, den sie als "Teil eines Sicherheitsapparats, der weiterhin systematisch gegen friedliche Kritiker vorgeht" anprangern.

Außerdem soll Abu Dhabi Interpols System der sogenannten "Roten Liste" für gesuchte Verdächtige zur Verfolgung politischer Dissidenten missbraucht haben. Al-Raisi hatte in Großbritannien und den USA studiert. Bei Interpol war er bislang für Asien zuständig. Wie die Polizeiorganisation mitteilte, war er in einem dritten Wahlgang auf 68,9 Prozent der Stimmen gekommen. In den ersten beiden Durchgängen hatten weder er noch seine einzige Gegenkandidatin, die Tschechin Šárka Havránková, eine Zweidrittelmehrheit erreicht. Havránková ist Vizepräsidentin im Exekutivkomitee der Organisation.

Interpol zufolge kommt dem Präsidenten vor allem die Aufgabe zu, der Generalversammlung und drei Sitzungen des Exekutivausschusses pro Jahr vorzusitzen. Der Präsident bleibe aber in Vollzeit auf dem Posten in seinem Heimatland. Generalsekretär von Interpol ist seit 2014 Jürgen Stock, ein ehemaliger Vizepräsident des Bundeskriminalamtes.

Die Emirate hatten schon 2015 mit Spenden an Interpol im großen Stil begonnen und die Frage aufgeworfen, ob das Land sich damit Einfluss erkaufen wolle. Die Organisation mit Sitz in Lyon lebt von den Beiträgen der 195 Mitgliedsstaaten. Der Anteil der Emirate macht 0,425 Prozent des Budgets aus – rund 243 000 Euro im Jahr 2019.

Da die Summe nicht ausreicht, ruft Interpol regelmäßig zu Beiträgen auf. So verpflichteten sich die Emirate 2016, über fünf Jahre 50 Millionen Euro zu zahlen, also den jährlichen Beitrag von rund 100 Staaten. Damit ist das Land nach den USA der zweitgrößte Beitragszahler.

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(dpa/rt de) 

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