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Ukrainischer Regierungsabgeordneter zu Nuklearwaffen: "Könnten die ganze Welt erpressen"

Hätte die Ukraine im Nachgang des Zerfalls der UdSSR nicht die Atomwaffen auf ihrem Staatsgebiet aufgegeben, könnte sie heute die ganze Welt um Geld erpressen. Diese Aussage machte David Arachamia, ein Rada-Abgeordneter der ukrainischen Regierungspartei.
Ukrainischer Regierungsabgeordneter zu Nuklearwaffen: "Könnten die ganze Welt erpressen"

Das Thema Nuklearwaffen ist bekanntlich ein sehr kontroverses. Bei allgemeiner Anerkennung ihres apokalyptischen, kaum kontrollierbaren Zerstörungspotenzials vertreten einige dennoch die Ansicht, dass sich ein Land nur dadurch gegen die Souveränität Eingriffe von außen schützen könne. In der Regierungspartei der Ukraine "Diener des Volkes" gehen einige allerdings noch weiter – und verklären Nuklearwaffen zu einem Erpressungswerkzeug gegen Drittländer, mit dem man ganz alltäglich Devisen beschaffen kann.

David Arachamia, der Fraktionsvorsitzende dieser Partei in der Werchowna Rada, erklärte am 28. Juli live auf TV-Sendung bei Ukraina 24:

"[Der damalige ukrainische Präsident Leonid] Krawtschuk, so scheint mir, hat den fatalen Fehler begangen, nach der Unterzeichnung des bedeutungslosen [Budapest-]Memorandums die Nuklearwaffen abzuschaffen. […] Wenn wir eine Atommacht wären, würde jeder anders mit uns reden, anders verhandeln. […] Wir könnten die ganze Welt erpressen, und man würde uns Geld für die Wartung [des nuklearen Arsenals] geben."

Einige andere Parteimitglieder versuchten alsbald, öffentlichkeitswirksam zurückzurudern. Alexander Kornijenko, ein weiterer "Diener des Volkes"-Abgeordneter, maß der Aussage eher den Charakter einer Gedankenübung der Gattung "alternative Geschichte" zu. Doch weite Teile der ukrainischen Gesellschaft sehen das Ganze deutlich ernster – und beängstigenderweise sehen es nicht einmal alle kritisch.

In den sozialen Medien wurde Arachamias Aussage größtenteils kritisiert. Der Journalist Sergei Rudenko konstatierte trocken:

"Arachamia sollte man den Mund zunähen."

Ein weiterer Kommentator meinte:

"Er kann sich auf die Erfahrung Irans und [Nord-]Koreas stützen."

Andere Nutzer führten eher aus:

"Ihr macht einen derartigen Aufstand um die aktuellste Äußerung eines Herrn aus der Rada-Lügen-Oberkammer zu Fragen der nuklearen Bewaffnung, als hätte der besagte Herr zuvor durch gesunden Menschenverstand geglänzt."

"Die ganze Welt erpressen – das Lebensziel einer Führungsperson der regierenden Partei der Ukraine. […] Die Welt erpressen, damit jemand Geld gibt. […] Dafür stimmten 73 Prozent? Für eine Marginalisierung?"

"Fehlen einmal Lebensmittel, drohen wir mit dem Sprengkopf – und bekommen Lebensmittel ausgehändigt? Ich weiß nicht, was ich dazu überhaupt noch denken soll."

Es sei ja auch noch gar nicht alles verloren, witzelte jemand:

"Wir haben ja Atomkraftwerke, mit denen man im Prinzip auch erpressen kann!"

Bei solchen Witzeleien vermag einem das Lachen im Halse steckenzubleiben. Denn einige Nutzer nahmen die Aussage des "Diener des Volkes"-Fraktionsvorsitzenden hingegen ernsthaft positiv auf und brachten sie etwa mit der Rückkehr der Krim nach Russland in Verbindung – dies wäre nicht passiert, wenn die Ukraine ein Kernwaffenarsenal hätte.

Beunruhigenderweise sehen das weite Teile der ukrainischen politischen Elite allem Anschein nach ähnlich – immerhin hatte mit Igor Smeschko ein (wenn auch ehemaliger) Leiter des ukrainischen Geheimdienstes SBU erst im Februar dieses Jahres eine ähnliche Aussage getätigt: Erhalte die Ukraine in ihrem Kampf gegen die angebliche Aggression Russlands nicht genügend Hilfe der anderen Unterzeichner des Budapester Memorandums, müsse sie aus dem Nichtverbreitungsvertrag aussteigen. "Diese beiden Verträge gehen miteinander einher, ohne den einen zerfällt der andere."

"Und wir beginnen dann innere Beratungen: Wir haben alles, wir haben genügend Uran, wir kennen die Technologien. Vergessen Sie nicht, die erste Atomspaltung in der UdSSR fand in Charkow statt, wir haben die mächtigen Charkower und Kiewer Schule und alle nötigen Fachkräfte. […] Dann würden Sie also sehen, wie die diplomatische Ausstrahlung der Ukraine sich ändern würde."

Die Mentalität der ukrainischen politischen Elite

Die Opposition zeigte sich empört. Die Partei "Oppositionsplattform – Für das Leben" (im Folgenden "Oppositionsplattform") betrachtet Arachamia und seine Aussage pars pro toto für seine gesamte Regierungspartei "Volksdiener" und den Staatspräsidenten Selenskij persönlich auf. Es folgen Zitate durch die russische Nachrichtenagentur TASS:

"Jene Erklärung führt nicht einmal den äußersten Zynismus, sondern eine moralische Verkrüppelung der Vertreter der heutigen ukrainischen Regierung auf die krasseste Weise vor – sowie die ganze Tiefe ihres Unverständnisses ihrer eigenen Handlungsverantwortung gegenüber dem ukrainischen Volke und der ganzen Welt."

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Es gehe hierbei keineswegs um ein Gedankenspiel, denn die Oppositionsplattform hält eine derart parasitäre Einstellung in der aktuellen ukrainischen Außenpolitik für virulent:

"Das einzige Ziel der Außenpolitik Selenskijs und seiner Umgebung ist die schandhafte Bestrebung, um jeden Preis – auch durch Drohungen mit dem Status einer Atommacht – Präferenzen zu erwirken, Gelder zu erbetteln, andere Länder und internationale Organisationen ausschließlich zum Abpumpen von Finanzressourcen zu missbrauchen."

Als Ergebnis dessen sehen die Oppositionellen momentan bereits eine Revision der Beziehung anderer Staaten zur Ukraine:

"Als Resultat unkluger Bettelei, die durch ständige Drohungen, internationale Provokationen sowie Vertragsunfähigkeit, Engstirnigkeit und beispiellose Amateurhaftigkeit der ukrainischen Regierung verstärkt wurde, sind die auswärtigen Partner bereits dabei, ihre Beziehungen zur Ukraine der Neubewertung und Revision zu unterziehen."

Wehret den Anfängen

Den Gedanken aus dem oben angeführten scherzhaften Kommentar dachte man bei der Oppositionsplattform in vollem Ernst zu Ende – und war daher nicht nur empört, sondern auch alarmiert. Wohl habe die Regierung Selenskijs keine Kontrolle über irgendwelche Atomwaffen – doch dafür, betonte man, seien in der Ukraine eine Reihe von Atomkraftwerken und anderen Nuklearanlagen in Betrieb.

Diese 

"werden heute de facto dem Ruin anheimgegeben – durch die verbrecherische Politik der Regierung, die damit unter anderem bezweckt, die Nachbarn mit der nuklearen Bedrohung zu erpressen. Dies planen die 'Diener des Volkes' unverhohlen."

Die ukrainische Oppositionspartei forderte von der "Diener des Volkes"-Fraktion im Parlament eine Bewertung des von ihrem Vorsitzenden angedeuteten Standpunktes – und eine Verurteilung seiner Ideen "der internationalen nuklearen Erpressung, der Drohgebärden und des Terrors".

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