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Merkel bei US-Präsident Biden: Neuanfang im bilateralen Verhältnis und letzter Besuch als Kanzlerin

Als erste Regierungschefin aus Europa ist Kanzlerin Merkel bei US-Präsident Biden zu Gast. Das Signal des Besuches: ein Neuanfang im bilateralen Verhältnis nach den verheerenden Trump-Jahren. Doch bei einigen Themen herrscht weiterhin Uneinigkeit.
Merkel bei US-Präsident Biden: Neuanfang im bilateralen Verhältnis und letzter Besuch als KanzlerinQuelle: AFP © Christof STACHE

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel vor mehr als zwei Jahren zuletzt im Weißen Haus war, hieß der Gastgeber noch Donald Trump. Der damalige US-Präsident sah in Deutschland eher einen Kontrahenten als einen Verbündeten, entsprechend frostig war das Verhältnis. Ganz anders ist das bei Trump-Nachfolger Joe Biden, der Merkel am heutigen Donnerstag empfängt – als erste Regierungschefin aus Europa. Biden macht bei jeder Gelegenheit deutlich, wie wichtig ihm die transatlantische Partnerschaft und besonders Deutschland ist. Von Merkels Besuch soll ein Signal des Neustartes im bilateralen Verhältnis ausgehen – das zwar sehr viel wärmer, aber doch nicht ganz konfliktfrei geworden ist. 

Die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 ist die größte Hürde beim angestrebten Neuanfang. Biden verzichtete kürzlich zwar auf Sanktionen gegen die Betreibergesellschaft der Pipeline, ist aber weiterhin strikt gegen das beinahe abgeschlossene Projekt. Dabei soll russisches Gas unter Umgehung der Ukraine nach Deutschland geleitet werden. Berlin und Washington haben inzwischen Gespräche zur Lösung des seit Jahren schwelenden Konfliktes aufgenommen, die nach den Worten von Außenminister Heiko Maas "auf einem guten Weg" sind. 

Merkel selbst hatte sich vor ihrer Reise aber skeptisch gezeigt, ob es bei ihrem Besuch schon eine abschließende Lösung geben wird. Kurz vor dem Treffen hatte eine hochrangige US-Regierungsvertreterin ebenfalls erklärt, dass sie erwarte, dass Biden seine Bedenken über die Ostsee-Pipeline bei den Gesprächen im Weißen Haus zur Sprache bringen werde. Sie gehe aber nicht davon aus, dass diese Diskussion am Donnerstag zu einem Ergebnis oder einer offiziellen Ankündigung führen werde. Die "sehr produktiven" Gespräche zwischen Vertretern der Bundesregierung und der USA zu dem Thema würden in den kommenden Tagen weitergeführt.

Auch die Rüstungsausgaben sorgten in den vergangenen Jahren für Verstimmung. Als Bestrafung für die seiner Ansicht nach zu niedrigen Verteidigungsausgaben Deutschlands hatte Trump den Abzug von rund einem Drittel der dort stationierten US-Truppen angekündigt. Biden legte die Abzugspläne zwar auf Eis, auch seine Regierung fordert aber eine "effektive Lastenteilung" innerhalb der NATO. Das Bündnis hat als Ziel vereinbart, dass jeder Mitgliedsstaat zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgibt – bis 2024 sollen sich die NATO-Partner diesem Wert annähern. Deutschland ist davon weit entfernt und dürfte das Zwei-Prozent-Ziel nach Merkels Worten erst "in Richtung 2030" erreichen.

Die USA und Deutschland sind sich einig, dass die Corona-Pandemie global bekämpft werden muss und ärmere Länder dabei unterstützt werden müssen. Gegensätzliche Positionen vertreten Biden und Merkel aber bei der Frage, ob dafür der Patentschutz für Impfstoffe ausgesetzt werden soll. Biden ist dafür, Merkel dagegen. Bei einer vorübergehenden Freigabe der Patente könnten auch andere Hersteller ohne Lizenzgebühren Impfstoffe wie die des deutschen Herstellers BioNTech produzieren. Merkel argumentiert unter anderem, dass eine Freigabe der Qualität der produzierten Vakzine schaden und die Entwicklung künftiger Impfstoffe bremsen könnte.

Auch bei Reisebeschränkungen, die im Zuge der COVID-19-Pandemie verhängt worden waren, gibt es Differenzen. Die EU hatte die Mitgliedsstaaten im vergangenen Monat aufgefordert, die eingeführten Beschränkungen für Reisende aus den USA schrittweise aufzuheben. Deutschland erlaubte daraufhin Einreisen aus den USA "zu allen zulässigen Aufenthaltszwecken einschließlich Tourismus" wieder. Dass die US-Regierung nicht im Gegenzug ihre Beschränkungen für Reisende aus Europa lockerte, führte zu Kritik unter anderem aus der deutschen Wirtschaft.

Eine Einreise aus dem Schengen-Raum in die USA ist für Ausländer in der Regel weiterhin nur mit Ausnahmegenehmigung möglich. Daran wird wahrscheinlich auch der deutsch-amerikanische Gipfel im Weißen Haus noch nichts ändern. Angesichts der steigenden Corona-Zahlen in Europa ist dazu nach Angaben von Außenminister Maas auf US-Seite bisher keine Bereitschaft erkennbar.

Auch beim Thema Handel herrscht nicht in allen Punkten Einigkeit. Im vergangenen Monat erzielten die EU und die USA einen Kompromiss im Streit über Strafzölle wegen Subventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing. Damit gelang es beiden Seiten, ihren ältesten Handelskonflikt zu entschärfen. Keine Einigung gibt es bislang allerdings bei den von Trump verhängten Strafzöllen auf Stahl und Aluminium, auf die die EU mit Gegenmaßnahmen geantwortet hatte.

Ungelöst ist zudem der Konflikt um die Welthandelsorganisation WTO. Deren Streitschlichtungsverfahren ist gelähmt, weil die USA seit Jahren die Ernennung neuer Berufungsrichter blockieren. Sie verlangen auch unter der Biden-Regierung dringend Reformen.

Beim Thema Klimaschutz gab es gigantische Differenzen in der Ära Trump, der die USA aus dem Klimaschutzabkommen von Paris herauszog. Biden machte den Ausstieg an seinem ersten Tag im Amt rückgängig. Unter ihm sind sich die USA und die EU sowie andere Partner grundsätzlich einig, dass der Kampf gegen den Klimawandel von überragender Bedeutung ist.

Differenzen zeigen sich in einzelnen Punkten: So konnten sich etwa die G-7-Staaten bei ihrem Gipfel im Juni nicht auf ein konkretes Datum zum Ausstieg aus der Kohle einigen. Merkel betonte, dass das nicht an Deutschland gelegen habe. Und während die USA auf Atomkraft setzen, steigt Deutschland daraus aus.

Auch das Thema China ist nicht ganz konfliktfrei. Biden hatte bei den Gipfeltreffen der G-7-Staaten und der NATO im vergangenen Monat für einen möglichst harten Kurs gegenüber Peking geworben. Merkel will eine Konfrontation dagegen vermeiden. Die Kanzlerin sagte nach dem NATO-Gipfel im Juni in Brüssel, mögliche Bedrohungen durch China solle man nicht negieren, aber auch nicht überbewerten –  es gehe um die richtige Balance. "China ist Rivale in vielen Fragen. Und China ist gleichzeitig auch Partner für viele Fragen."

Es dürfte der letzte Besuch von Kanzlerin Merkel im Weißen Haus sein. Bei der Bundestagswahl im September tritt die CDU-Politikerin nicht mehr an.

Vor ihren Gesprächen im Weißen Haus wird Merkel am Donnerstag mit US-Vizepräsidentin Kamala Harris zu einem Frühstück zusammenkommen. Danach ist eine Zusammenkunft mit Vertretern der US-Wirtschaft geplant. Anschließend wird die Kanzlerin mit der Ehrendoktorwürde der Johns-Hopkins-Universität ausgezeichnet. Aus diesem Anlass wird sie auch eine Rede halten.

Vor der Rückreise Merkels geben der Präsident und First Lady Jill Biden ein Abendessen zu Ehren der Kanzlerin. Daran soll nach Angaben des Weißen Hauses auch Merkels Ehemann Joachim Sauer teilnehmen. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, hatte vor Merkels Visite gesagt:

"Ihr Besuch wird die tiefen und dauerhaften bilateralen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland bekräftigen."

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(rt/dpa)

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