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Treffen der NATO-Außenminister: Afghanistan und die "Wiederbelebung" der NATO

Ex-US-Präsident Trump hatte die NATO als "obsolet" bezeichnet. Seit nun die "Diplomatie" in Washington zurück ist, hoffen die Partner auf einen neuen Schulterschluss. Es gilt, "gemeinsame Interessen" zu verteidigen. Nun steht der Abzug aus Afghanistan zur Diskussion.
Treffen der NATO-Außenminister: Afghanistan und die "Wiederbelebung" der NATOQuelle: Reuters © Yves Herman

Am Dienstag trafen sich die Außenminister der 30 NATO-Staaten zum ersten Mal seit Ausbruch der ausgerufenen COVID-19-Pandemie wieder gemeinsam in der Brüsseler Bündniszentrale. Eine einmalige Gelegenheit, den mutmaßlichen "Hirntod", den der französische Präsident dem Militärbündnis attestiert hatte, hinter sich zu lassen und wieder im engen Schulterschluss für die "gemeinsamen Interessen" zu streiten.

Und spätestens seitdem US-Präsident Joe Biden erklärt hatte, dass nicht nur "Amerika", sondern damit auch die Diplomatie ins Weiße Haus zurückgekehrt sei, war die transatlantische Vorfreude vor allem auf eine Person besonders groß.

Für Antony Blinken ist es das erste Mal, dass er als neuer US-Außenminister die NATO-Bühne betritt. Die NATO, so der Diplomat, befinde sich in einem entscheidenden Moment ihrer Geschichte. Es gehe nun darum, gemeinsam "Bedrohungen" auf der ganzen Welt und dem Klimawandel zu begegnen. Dazu wollten die USA das Militärbündnis "wiederbeleben".

"Ich bin hierhergekommen, um das unerschütterliche Eintreten der Vereinigten Staaten (für die NATO) zum Ausdruck zu bringen. Die Vereinigten Staaten wollen unsere Partnerschaften wiederaufbauen, in erster Linie mit unseren NATO-Verbündeten, wir wollen die Allianz wiederbeleben."

Und während die USA bereits Raketenangriffe auf Syrien flogen und Biden erklärte, dass er den russischen Präsidenten Wladimir Putin für einen "Mörder" halte, ist zumindest innerhalb des Bündnisses noch nicht geklärt, wie die neue US-Administration die eigene Führungsrolle in einer zunehmend multipolaren Welt zu interpretieren gedenkt.

Einen Lackmustest könnte der gemeinsame und nunmehr zwanzigjährige Militäreinsatz in Afghanistan darstellen. Im Rahmen des sogenannten Doha-Abkommens mit den Taliban und der afghanischen Regierung hatte zuvor die Trump-Regierung einen Abzug aller ausländischen Soldaten bis Ende April in Aussicht gestellt – ohne Rücksprache mit den Verbündeten.

Auf die Frage nach einem möglichen Rückzug aus Afghanistan sagte Blinken, dass eine Überprüfung der Optionen durch die USA noch im Gange sei und er zuhören und sich mit den Verbündeten beraten werde.

"Wir sind gemeinsam hineingegangen, wir haben uns gemeinsam (auf die Situation) eingestellt, und wenn die Zeit reif ist, werden wir gemeinsam abziehen."

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg wurde da schon um einiges deutlicher.

"Es ist keine endgültige Entscheidung gefallen. Vorerst bleiben alle Optionen offen."

Den übrigen NATO-Mitgliedsstaaten bleibt keine andere Wahl, als auf eine klare Positionierung der USA zu warten. Das gilt auch für Deutschland, den mit etwa 1.000 Soldaten zweitgrößten Truppensteller. Die USA stellen noch etwa 2.500 der insgesamt noch rund 10.000 NATO-Soldaten vor Ort.

Und längst wurde der Ball den Taliban zugespielt. Es sind nun vor allem die radikal-islamischen Kämpfer, die unter Beweis zu stellen haben, ob sie sich an das Abkommen mit den Vereinigten Staaten vom Februar 2020 halten. Längst drohten die Taliban mit einer "Frühjahrsoffensive" für den Fall, dass die USA sich nicht bis zum vereinbarten Datum aus Afghanistan zurückziehen sollten.

Für Stoltenberg ein Grund mehr, sich für diesen Fall zu wappnen.

"Wir werden alle Maßnahmen treffen, um unsere Truppen zu schützen."

Dennoch seien Friedensgespräche mit den Taliban und der afghanischen Regierung der beste Weg, "um die Errungenschaften des zwei Jahrzehnte dauernden NATO-Einsatzes zu sichern".

Derweil sorgt das nicht abgesprochene Vorgehen der US-Regierung in Afghanistan für Irritationen bei den US-Partnern, die sich ein anderes Vorgehen von der Biden-Administration erhofft hatten. So verweist der Spiegel etwa auf ein Schreiben des US-Außenministers an den afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani, "mit dem sich die US-Regierung von dem bisherigen Friedensprozess mit den Taliban distanzierte". In dem Brief brachte Blinken demnach seine Unzufriedenheit mit dem in Doha erzielten Abkommen zur Sprache und kündigte stattdessen eine Friedenskonferenz in der Türkei an.

"Während die US-Regierung die Türkei damit diplomatisch aufwertete und auch Russland zu dem Format einlud, erfuhren Verbündete wie Italiener und Deutsche davon aus der Zeitung."

Und Blinken soll am Rande des NATO-Treffens demzufolge auch erstmals mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu zusammentreffen. Ob es dabei auch um Afghanistan gehen wird, ist zur Stunde noch ungewiss. Dafür dürften die von Ankara erworbenen russischen S-400-Flugabwehrraketen jedoch ganz sicher ebenso zur Sprache kommen wie der Streit zwischen der Türkei und Griechenland um Ressourcen im östlichen Mittelmeer. Zudem gilt es, sich im syrischen Stellvertreterkrieg abzustimmen.

Beim Thema Afghanistan bezog nun Außenminister Heiko Maas Stellung zum mutmaßlichen Abzug. Ihm zufolge soll ein Ende des NATO-Einsatzes in Afghanistan vom Erfolg der Friedensverhandlungen zwischen den Taliban und der Regierung in Kabul abhängig gemacht werden.

"Wir wollen nicht durch einen zu frühzeitigen Abzug aus Afghanistan riskieren, dass die Taliban zurückkehren zur Gewalt und versuchen, mit militärischen Mitteln an die Macht zu kommen."

Laut der Deutschen-Presse-Agentur hat Maas erklärt, Deutschland "habe das Ziel, das Land nach rund zwei Jahrzehnten Einsatz nicht so zu hinterlassen, wie man es vorgefunden habe".

Laut Maas wird ein an Bedingungen geknüpften Abzug aller Streitkräfte aus Afghanistan angestrebt. Dieser solle jedoch "vor allen Dingen an den Erfolg der Friedensverhandlungen" gekoppelt werden.

Ob die USA als größter Truppensteller und als wohl wichtigstes Land bei der Entscheidung über den NATO-Einsatz dies genauso sehen, ist bislang allerdings unklar.

Am Rande des NATO-Außenministertreffens möchte Blinken auch mit seinem deutschen Amtskollegen sprechen. Dabei soll es auch um die Nordseepipeline Nord Stream 2 gehen. Davon, dass die Diplomatie nun in Washington zurück sei, dürfte der deutsche Außenminister kaum etwas spüren. So machte Blinken bereits im Vorfeld deutlich, dass auch Biden den Weiterbau der Pipeline für einen sehr "schlechten Deal" halte. Zudem forderte Blinken alle am Bau der Gaspipeline beteiligten Unternehmen auf, ihre Arbeiten "unverzüglich" einzustellen, ansonsten drohten Sanktionen. Gegenüber Maas wolle er die Position Washingtons noch mal unmissverständlich zum Ausdruck bringen, erklärte Blinken.

Thema der zweitägigen NATO-Gespräche soll neben Afghanistan die Vorbereitungen für den nächsten NATO-Gipfel sein, bei dem die Überarbeitung des strategischen Konzepts und Reformen für eine engere politische Zusammenarbeit auf den Weg gebracht werden sollen. Auch die stark angespannten Beziehungen zu Russland will man gemeinsam erörtern.

Das letzte NATO-Außenministertreffen, bei dem die Minister persönlich anwesend waren, fand im November 2019 in Brüssel statt. Damals war Donald Trump noch US-Präsident und Mike Pompeo noch US-Außenminister.

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