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Parler-vous Rostow? Kleine russische IT-Firma schlägt einen Spalt in die US-Brandmauer

Parler ist ein soziales Netzwerk, das überwiegend von US-Erzkonservativen genutzt wird und dem dafür die Präsenz auf den Vertriebsplattformen von Google und Apple sowie die Server von Amazon entzogen wurden. Eine kleine russische IT-Firma hilft Parler, den Betrieb wiederaufzunehmen.
Parler-vous Rostow? Kleine russische IT-Firma schlägt einen Spalt in die US-BrandmauerQuelle: RT

Die App des sozialen Netzwerks Parler war während der US-Präsidentschaftswahlen die von US-Usern am meisten installierte; im Jahr 2020 wuchs die Nutzerschaft von unter einer Million auf über 15 Millionen. Nach dem Eindringen Betriebsfremder ins US-Kapitol am 6. Januar 2020 schlossen Google und Apple in einem Akt der Zensur Parler, das überwiegend von erzkonservativen US-Amerikanern und Trump-Unterstützern genutzt wird, von ihren Vertriebsplattformen aus; Amazon verweigerte dem sozialen Netzwerk die Server.

DDoS-GUARD, ein auf digitale Sicherheit im Bereich Inhaltsschutz spezialisiertes kleines IT-Unternehmen aus dem russischen Rostow am Don, hilft Parler dabei, den Betrieb wiederaufzunehmen. Die Anfrage nach Zusammenarbeit kam von den Betreibern von Parler – sie wandten sich an das russische IT-Unternehmen.

Für ihre Zusammenarbeit wurden beide Unternehmen sofort in den US-Medien kasteit – vor allem natürlich Parler. Es sei unverantwortlich, so etwa The Guardian, dass Parler die Daten von Millionen Nutzern einer russischen Firma anvertraut, sodass russische Geheimdienste Zugriff darauf erhalten. Derartige Vorwürfe nennt Jewgeni Martschenko, Geschäftsleiter von DDoS-GUARD, völligen Unsinn. "Das hat mit der Realität nichts zu schaffen. Der Datenverkehr ist in den allermeisten Fällen verschlüsselt … Nicht einmal wir haben Einsicht."

Die Sicherheit nimmt man sehr ernst: So dürfen die RT-Journalisten von bestimmten Bildschirmen keine Aufnahmen machen, damit keine Informationen über die Netzwerkstruktur nach draußen gelangen. Um zu verdeutlichen, warum man es so handhabt, erinnert der Firmenleiter einfach daran, welch mächtigen Konzernen der Auftraggeber Parler (und Parler ist nur einer von vielen) alles über den Weg gelaufen ist: "Amazon, Apple und Google haben die Zusammenarbeit mit ihnen abgebrochen. Natürlich stehen sie mehreren Bedrohungen gegenüber, die sie neutralisieren müssen."

Drohungen waren übrigens auch das Erste, das Geschäftsführer Martschenko im Zusammenhang mit Parler vernahm – zuvor war Parler ein Kunde von DDoS wie jeder andere: "Ich persönlich habe das erste Mal von Parler gehört, als bei unserem Support anonyme Drohungen gegen die Firma einzugehen begannen." Ein Beispiel gefällig? Martschenko zitiert eine Drohnachricht, die aus den USA verschickt wurde, und kommentiert sie:

"'Hey. Ihr hostet Parler.com. Schmeißt sie raus, sonst wird eure ASN (Autonome Systemnummer) zum Schwarzen Loch.' Das heißt, man würde versuchen, unser Netzwerk über irgendeinen Anbieter zum Absturz zu bringen und die Erbringung von Dienstleistungen durch uns unterbrechen."

Der erste Schritt bei der Hilfe von DDoS-Guard für Parler war es, der Plattform die Möglichkeit wiederzugeben, zunächst Nachrichten an seine Nutzer zu verbreiten – sprich, einfach Lebenszeichen von sich zu geben.

"Ja, das ist bloß eine kleine Seite, aber Unternehmen mit US-Sitz werden es sehr schwer haben, sie zu blocken – weil sie auf einer Plattform mit Sitz in Russland gehostet wird. Von den Hightech-Großkonzernen mit Sitz in den USA und der US-Regierung sind wir völlig unabhängig – wie übrigens von jeder anderen Regierung auch."

Dass Martschenko in diesem Zusammenhang mit Nachdruck Regierungen erwähnt, ist nicht zufällig – im Plattformentzug, den die drei Digitalriesen gegen Parler verübten, sieht er eine keineswegs nur von geschäftlichen Belangen diktierte Entscheidung:

"Wir sehen, wie Regierungen Maßnahmen zur Kontrollübernahme über Informationsfluss und Datenverkehr im Internet ergreifen – und im Augenblick können wir beobachten, wie die USA es umsetzen. Das Bollwerk der Demokratie, der persönlichen und der Redefreiheit arbeitet tatsächlich an Mechanismen, um alles Mögliche auf Wunsch abzuschalten. Wir beobachten, wie die 'Amerikanesische Brandmauer', eine Firewall um die USA, entsteht."

Trotz des Augenmerks auf Sicherheit sehen die Räume der Firma nicht gerade trist aus – und schon gar nicht nach dem klischeehaften düsteren KGB-Objekt. An schwarz gefärbten Säulen prangen als comicartige Kreidemalereien verfasste Memos an Kollegen, am Tag des Besuchs von RT wird eine kleine Party geschmissen, und als IT-Unternehmen hat DDoS-Guard selbstverständlich auch eine Videospielecke. Beim Fußballspielen auf der Konsole beschwert sich Igor, ein leitender Angestellter, über die immerwährenden Vorurteile:

"Da läuft eine Art Hexenjagd, als sei jeder Russe ein Hacker und müsse dafür gebannt werden." Möglicherweise sei das auf unlauteren Wettbewerb zurückzuführen, fügt Igor nachdenklich hinzu: "Der globale IT-Markt ist riesig. Und wenn man eine Chance bekommt, einen oder zwei Konkurrenten aus dem Weg zu räumen – tja, warum nicht?"

Auf die Frage, ob man dem Druck von Hightech-Riesen wie Apple oder Amazon überhaupt standhalten kann, wenigstens theoretisch, antwortet Igor:

"Sie können es uns ganz schön schwer machen, auf jeden Fall. Das Gute ist: Das Internet gehört ihnen noch nicht in Gänze."

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