"Die Anfrage kam aus Los Angeles": Wie Nawalny seinen Putin-Film in einem Studio bei Freiburg drehte
Der russische Politblogger Alexei Nawalny hat vergangene Woche in einer aufwendigen Dokumentation Vorwürfe einer beispiellosen Korruption erhoben – gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der fast zweistündige Film "Ein Palast für Putin. Die Geschichte der größten Bestechung" ist seit einer Woche Gesprächsthema in Russland und im Ausland, so dass sogar die Bundesregierung Moskau am Montag aufforderte, die Vorwürfe gegen Präsident Putin um einen Mega-Palast an der Schwarzmeeresküste zu entkräften.
"Wenn die Vorwürfe nicht zutreffen sollten, kann die russische Regierung das ja ihren Bürgerinnen und Bürgern gegenüber aufklären, statt sie festzunehmen", erklärte Johann Saathoff, der Russland-Koordinator der Bundesregierung, im Hinblick auf die Demonstrationen in Russland, die die Nawalny-Büros organisieren. Wladimir Putin hat inzwischen persönlich bei einer Konferenz mit Studenten erklärt, dass er und seine Familie mit dem Palast nichts zu tun haben.
Der Film entstand während Nawalnys Aufenthalt zu medizinischen Zwecken in Deutschland. Als "Gast der Kanzlerin" bekam Alexei Nawalny den bestmöglichen Polizeischutz und wurde zu allen seinen Reisezielen mit einer großen Entourage eskortiert.
Am Anfang des Films gab Nawalny an, dass er und seine Kollegen sich die Investigation schon während seiner Behandlung auf der Intensivstation in der Berliner Klinik Charité "ausgedacht" hätten. Dort wurde er nach einem von ihm behaupteten Giftanschlag mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok behandelt. Die ersten acht Minuten des knapp zweistündigen Films wurden in Dresden gedreht, wo der russische Präsident ab 1985 als KGB-Offizier tätig war.
Ende September wurde Nawalny aus der Klinik entlassen. Er blieb eine Zeit lang in Berlin. Mitte Oktober zog er in das beschauliche Feriendorf Ibach im südlichen Schwarzwald, um dort "eine Kur" zu machen. Mit ihm zogen seine Frau Julia und ein Spezialkommando von Leibwächtern. Auch die engsten Mitarbeiter seines Antikorruptionsfonds wurden in seiner Nähe immer wieder gesichtet.
Jetzt wurden die Einzelheiten zu den Dreh- und Schnittarbeiten am aufwendigen und mit sehr vielen Grafiken versehenen Video bekannt. Sie deuten auf eine US-amerikanische Produktion hin. Die Badische Zeitung machte letzte Woche den Ort, an dem Nawalny seinen Text zum Film eingesprochen hat, ausfindig und sprach mit den Betreibern des Studios.
Das sind Sebastian Weiland und seine Frau Nina Gwyn Weiland, die die Black Forest Studios in Kirchzarten bei Freiburg erst im November letzten Jahres eröffneten. Der Nawalny-Film war ihr erster großer Auftrag. Sie erzählten:
"Anfang Dezember kam eine Anfrage per Mail aus Los Angeles von einer amerikanischen Produktionsfirma. Die Rede war von einer Dokumentation. Gesucht wurden für ein paar Drehtage geeignete Räumlichkeiten, Personal und Equipment in Süddeutschland. Wir kannten die Firma nicht, obwohl wir selbst enge Kontakte nach L.A. haben, aber die Anfrage machte einen sehr professionellen Eindruck."
Eine 20-köpfige internationale Crew aus Berlin arbeitete an dem Film, viele auch in Kirchzarten, wo eine "filmische Atmosphäre" herrschte. Eigentlich sei das Studio nur für eine knappe Woche gemietet worden, geblieben sei die Crew aber für insgesamt drei Wochen.
Die Studiobesitzer sind stolz auf ihren Auftrag und freuen sich über die Reichweite des Films, mit dem sie "inhaltlich nichts zu tun" haben. Ein Werbefilm auf der Webseite des Studios zeigt, wie groß, schön und modern die Black Forest Studios sind. Besonders bekannt ist nun Barn Kitchen, das als Kulisse für Nawalnys Erzählung gedient hat. Gearbeitet wurde von morgens bis spätabends. Über den enormen Zeitdruck berichteten auch Nawalnys Mitarbeiter in Interviews.
Konnte eine so aufwendige Produktion an einem kleinen Ort wie Kirchzarten, wo jeder jeden kennt, unbemerkt bleiben? Ja! Sogar der Bürgermeister habe nichts davon mitbekommen, so die Badische Zeitung. Mit einem abgesperrten Parkplatz und hochgezogenen Jalousien fand der Dreh "unter der größten Geheimhaltung" statt. "Sicherheit war unseren Mietern wichtig", betonten die Weilands.
Berichte badischer Medien machen noch mal deutlich, dass Alexei Nawalny, der unter strengster Bewachung auf staatliche Kosten quer durch Deutschland eskortiert wurde, sich bei weitem nicht nur um seine Rehabilitation gekümmert hat. Er war vor allem politisch äußerst aktiv – ohne dass er in Deutschland politisches Asyl hatte. Neben der Arbeit an dem Film sei an seinen Auftritt im EU-Parlament Ende November erinnert, wo er aus seinem Zimmer im badischen Ibach von Deutschland und der EU einen härteren Kurs gegen die russische Führung forderte. Oder an Interviews in den russischen oppositionellen Fernsehsendungen unter dem Titel "Präsident Nawalny: Wie er Moskau schwächen will, Milliardäre zur Kasse bitten und wem er die Gehälter erhöhen will".
Reaktionen in den Medien
Im Nachspann gibt Nawalny keine internationale Crew aus Berlin als Macher des Films an, sondern nur sich und weitere neun Personen, darunter mehrere langjährige Mitarbeiter. Das deutsche Portal NachDenkSeiten sieht vor allem die deutsche Regierung in der politischen Verantwortung dafür, dass Nawalny, statt sich um seine Bewährungsauflagen zu kümmern, in Deutschland "Propaganda-Arbeit gegen die russische Regierung" leistete. Die Tatsache, dass über die brisanten Details zur Entstehung des Films bislang nur lokale badische Medien berichteten, sei laut dem Chefredakteur Albrecht Müller auch ein Punkt für Kritik. Er lässt einen offenen Brief eines Lesers an den Bundespräsidenten, die Bundeskanzlerin, die Minister und den Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU/SPD/Die Grünen/Die Linken veröffentlichen. Der Leser Joachim Otte schreibt:
"Immer klarer wird (Südkurier vom 23.1., Schwarzwälder Bote vom 22.1.), dass Nawalny, statt sich vom Nowitschok-Anschlag in Ibach/Schwarzwald zu erholen, munter wochenlang in den Black Forest Studios/Kirchzarten, mit US-Unterstützung und Mitarbeiterstab am 'Protzpalast-Propaganda'-Video gearbeitet und ganz Deutschland bereist hat! Alles unter Begleitschutz und Augen der Politik und Medien. Sie alle haben im Geheimen geduldet, dass Nawalny in provokanter Weise gegen rechtmäßige russische Bewährungsauflagen deshalb verstieß, um seine Verhaftung in Moskau herauszufordern. Das war genau der von ihm kalkulierte Zeitpunkt, um seine 'Bombe', das 'Palast-Video', mit Getöse, Empörung und Beifall von Ihnen und den Medien platzen zu lassen. Und gleichzeitig konnte er damit hunderttausende Demonstranten aktivieren!"
Das auffallende Schweigen zu den Aktionen Nawalnys sei deshalb "entsetzlich", der Aufschrei und die Verurteilungen Russlands "heuchlerisch". Diese würden nur eine Spirale von Hass und Aufrüstung weiter hochschrauben. Der Leser nimmt dabei den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier beim Wort, als dieser sagte, dass man nicht als "Schlafwandler" in den Krieg tappen dürfe.
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