Fall Assange: Steht langjähriger Guardian-Chefredakteur auch vor der Auslieferung?
Rusbridger hatte bei der britischen Zeitung in den Jahren von 1995 bis 2015 das Kommando als Chefredakteur. In dieser Zeit veröffentlichte The Guardian einige der folgenreichsten Berichte zu ausgewählten, schmutzigen Geheimnissen der USA – basierend auf dem von Whistleblowern zugespielten Material. Er arbeitete daher eng mit Julian Assange zusammen, als sein Blatt über Afghanistan, über die Irak-Kriegsprotokolle und geheime diplomatische Nachrichten schrieb. Auch die Informationslecks dank Edward Snowden, womit eine weltweite, massenhafte elektronische Überwachung durch die USA enthüllt wurde, gingen gleichfalls unter Alan Rusbridger durch die Guardian-Redaktion.
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Assange befindet sich bekanntlich jetzt noch immer in einem Hochsicherheitsgefängnis in Großbritannien, weil die USA versuchen, ihn ausliefern zu lassen, um seiner habhaft zu werden und ihn anschließend gemäß ihrem Espionage Act vor Gericht zu bringen. Der Auslieferungsantrag wurde von Richterin Vanessa Baraitser abgelehnt – mit der wenig hilfreichen Begründung, bei Assange bestünde im Falle einer Überführung in US-Gewahrsam ein hohes Selbstmordrisiko. Doch damit ist der Berufungsantrag gegen dieses erstinstanzliche Urteil noch lange nicht vom Tisch. Die Richterin stand sichtlich auf der Seite der US-Amerikaner, was sich in praktisch jedem Teil ihrer richterlichen Begründung, warum Assange nicht ausgeliefert werden sollte, auch sichtbar niederschlug. Das bedeutet, dass nur der miserable Zustand des US-Strafvollzugssystems Assange vorläufig noch vor einer effektiv überlebenslangen Haftstrafe bewahrt.
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Leute, die über den somit in Großbritannien gesetzten Präzedenzfall besorgt sind, machen nun darauf aufmerksam, dass jetzt auch Rusbridger und viele andere, die jemals mit WikiLeaks zusammengearbeitet hatten, offensichtlich nach gleichem Grundsatz ebenfalls zum Ziel eines Auslieferungsantrages werden könnten, sollte jemand im US-Justizministerium sie strafrechtlich verfolgen wollen. Rusbridger selbst meint dennoch, es sei wohl eher unwahrscheinlich, dass er das Schicksal von Assange teilen müsse.
"Technisch gesehen mag das zutreffen. Doch meine Erfahrung mit diesen Blättern war die, dass man sich davor hütete, Schaden anzurichten – mit hohem redaktionellen Aufwand und strenger Materialauswahl", so Rusbridger gegenüber Afshin Rattansi bei der RT-Sendung "Going Underground".
Rattansi fragt nach: "Redaktionelle Auswahl war kein Aspekt des Falles, oder?". Assange wird nämlich von den USA gesucht, weil er sich angeblich der illegalen Beschaffung von geheimen Materialien mitschuldig gemacht hätte. Seine Unterstützer sind indes der Ansicht, tatsächlich sei er von Washington ins Visier genommen worden, weil er für die US-Regierung peinliche Geheimnisse offenlegte.
Rusbridger besteht hier auf einer klaren Unterscheidung: Das, was The Guardian und andere Mainstream-Medienbetriebe taten, "war ganz anders, als einfach alles ins Internet zu stellen".
"Es ist anders. Ich meine, die Leute könnten denken, dass es besser ist."
Der Guardian unter Rusbridger verurteilte WikiLeaks sogar für die angebliche Veröffentlichung einer vollständigen, ungekürzten Version der US-Diplomaten-Depeschen. Auch dieser berüchtigte Vorfall wurde während des Prozesses um die mögliche Auslieferung von Assange überprüft, wobei Assanges Verteidiger die Kette der Ereignisse genau nachverfolgten. Eine verschlüsselte Version des Archivs, das von Journalisten für die Berichterstattung über die diplomatischen Depeschen verwendet wurde, war als Vorsichtsmaßnahme gegen eine mögliche Löschung der WikiLeaks-Server durch einen Cyberangriff online verfügbar gemacht worden.
Die Öffentlichkeit erhielt allerdings erst dann Zugang zu den Inhalten dieses Archivs, als die Guardian-Autoren David Leigh und Luke Harding in ihrem Buch das zur Entschlüsselung benötigte Passwort veröffentlichten. Als Rusbridger von Rattansi damit konfrontiert wurde, sagte er, er sei sich dieser Details des jüngsten Auslieferungsprozesses gar "nicht bewusst", weil "der Prozess medial nicht besonders gut abgedeckt wurde". Dies könnte man durchaus auch als kleinlautes Eingeständnis werten, dass die britische Presse dabei ihren Job gerade nicht richtig gemacht hatte.
Im Interview sprach Rusbridger auch darüber, warum er die Rolle von WikiLeaks bei der Veröffentlichung von E-Mails der Demokratischen Partei der USA während des Wahlkampfs im Jahr 2016 für "problematisch" hält. Er erklärte auch seine zwiegespaltene Haltung gegenüber der Verbannung Donald Trumps von den Online-Plattformen der US-Technikriesen und sprach über die Krise des öffentlichen Vertrauens in die Mainstream-Medien.
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