Wegen politischer Risiken: Gazprom hält Einstellung von Nord Stream 2 für möglich
Das russische Erdgasförderunternehmen Gazprom schließt nicht aus, dass die Umsetzung des Projekts Nord Stream 2 zeitweilig ausgesetzt oder sogar vollständig eingestellt werden kann, wenn sich die politische Situation stark verändert. Dies folgt aus dem jüngsten Memorandum des Konzerns für Investoren angesichts der Neuplatzierung seiner Eurobonds.
Der Erdgasriese weist darauf hin, dass er bei der Umsetzung einiger großer internationaler Projekte wie Turkish Stream und Nord Stream 2 mit politischen Risiken konfrontiert worden sei bzw. werde. Eine Änderung der politischen Situation in verschiedenen Regionen könne zu Spannungen zwischen den beteiligten Parteien führen und in einer Änderung der jeweiligen Position resultieren:
"In einigen Fällen können solche Änderungen dazu führen, dass die Umsetzung eines Projekts unmöglich oder sinnlos wird, was eine vorübergehende Einstellung oder sogar einen Ausfall des Projekts zur Folge haben kann."
Gleichzeitig rechnet das russische Erdgasförderunternehmen damit, dass die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 rechtzeitig erfolgt. Dabei wird betont, dass Nord Stream 2 eines der vorrangigen Investitionsprojekte der Holding im Jahr 2021 bleibt.
Die Analystin im Erdgasbereich Anna Butko unterstreicht, dass Gazprom nicht zum ersten Mal das Einstellungsrisiko in seine Memoranden einschließt. Ihr zufolge ist dies kaum ein Warnsignal. Jedoch könne man dieses Szenario auch nicht völlig ausschließen.
Dmitri Marintschenko, Ressortchef für natürliche Ressourcen und Rohstoffe der Ratingagentur Fitch, erläutert:
"Unternehmen sind verpflichtet, in ihren Memoranden zur Bondsplatzierung Anleger über alle möglichen Risiken zu informieren. Es ist klar, dass Sanktionen und Geopolitik Risiken für das Projekt darstellen."
Der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Oliver Hermes sieht laut einem Statement, das RT DE vorliegt, weiter eine gute Möglichkeit, dass die Bundesregierung mit der neuen US-Regierung eine Lösung finden wird, damit die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zeitnah fertiggestellt und in Betrieb genommen wird. Hermes zufolge sind die neuen US-Sanktionen gegen das Energieprojekt, an dem neben russischen auch deutsche, französische, niederländische und österreichische Firmen beteiligt sind, eine Bevormundung im Stil von "America First":
"Die EU ist erwachsen genug, ihre Energiepolitik selbst zu bestimmen und ein nach ihren Regeln genehmigtes Investitionsprojekt wie Nord Stream 2 vor äußerer Einflussnahme zu schützen."
Der Ost-Ausschuss-Vorsitzende betont, dass das Projekt Nord Stream 2 privat finanziert sei und auf der Grundlage des geltenden EU-Rechts umgesetzt werde. Investitionssicherheit sei eine wesentliche Errungenschaft des europäischen Binnenmarkts und sollte nicht in Frage gestellt werden. Sollte Nord Stream 2 gestoppt werden, wäre in erster Linie mit steigenden Gas- und Strompreisen für die europäischen Verbraucher und die Industrie zu rechnen.
Gazprom führt das Bauprojekt Nord Stream 2 zusammen mit seinen europäischen Partnern durch. Dabei werden zwei Leitungen der Gasleitung mit der Gesamtkapazität von 55 Milliarden Kubikmetern von der russischen Küste über die Ostsee nach Deutschland verlegt. Wegen der Sanktionsdrohungen der USA wurden die Arbeiten im Jahr 2019 auf Eis gelegt. Dennoch wurden die Arbeiten im Dezember 2020 wiederaufgenommen. Momentan ist die Gasleitung zu 94 Prozent fertiggestellt.
Am Dienstag wurde bekannt, dass sich der Mannheimer Industriedienstleister Bilfinger SE als erstes deutsches Unternehmen aus dem Projekt zurückgezogen hat, wie das Boulevardblatt Bild berichtet. Das Unternehmen hatte Verträge mit einem Auftragsvolumen von 15 Millionen Euro "für die Entwicklung, Lieferung und Inbetriebnahme der Prozessleit- und Sicherheitssysteme für den Betrieb der Pipeline" mit der Nord Stream 2 AG abgeschlossen. Hinzu kam noch ein Vertrag mit der russischen Seite über "das Engineering, die Lieferung, Montage und Inbetriebnahme einer 90 MW + 30 MW Reserve erdgasbefeuerten Wärmeerzeugungsanlage" beim Anlandepunkt der Pipeline in Lubmin.
Grund sei die Androhung von Sanktionen gegen das Unternehmen durch die USA gewesen. Bilfinger SE hatte seinen Schritt bereits im Dezember angekündigt, jetzt erfolgte die Bestätigung. Gegen das russische Unternehmen KVT-RUS, das das Verlegeschiff "Fortuna" betreibt, traten indes heute US-Sanktionen in Kraft. Dies sei auch als "letzte Warnung für deutsche Unternehmen" gedacht, wie Bild weiter unter Berufung auf eine "mit dem Fall vertraute Quelle" berichtet. Der Schweizer Versicherungskonzern Zurich, die norwegische Klassifikationsgesellschaft DNV-GL und das dänische Umweltberatungsunternehmen Ramboll hatten sich bereits in den vergangenen Tagen von Nord Stream 2 distanziert.
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