Deutschland

Wolfgang Thierse: Medien haben Mitschuld am Erfolg der AfD

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt" den Medien eine Mitschuld am Erstarken der AfD gegeben, auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Politik der Ampel-Regierung jedoch verzichtet. Vielmehr seien die "glorreichen Zeiten der alten Bundesrepublik" vorbei und man könne nicht mehr auf stetiges Wachstum und Wohlstandsmehrung setzen.
Wolfgang Thierse: Medien haben Mitschuld am Erfolg der AfDQuelle: www.globallookpress.com © www.imago-images.de

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat in einem Interview mit der Zeitung Die Welt den Medien eine Mitschuld am Erstarken der AfD gegeben. Diese habe das von der Ampel-Regierung geplante Heizungsgesetz abgelehnt und insbesondere den Streit innerhalb der Koalition einhellig zelebriert. Dies habe bei den Bürgern zu dem Eindruck beigetragen, "die da oben" verstünden die Sorgen des Volkes nicht. Thierse führte aus:

"Der größte Teil der Medien erzeugt inzwischen latent antidemokratische Wirkungen, weil in ihnen Streit immer negativ konnotiert und beschrieben wird. … Wenn [die Medien] unablässig von Streit, von Siegern und Verlierern, von Unfähigkeit reden, dann sinkt das Vertrauen in demokratische Institutionen und Politiker."

Kritisch äußerte sich der frühere SPD-Politiker auch über die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit der die Verabschiedung des Heizungsgesetzes zunächst gestoppt wurde. Die Entscheidung sei ein "problematischer Eingriff des Verfassungsgerichts in die Organisationsfreiheit des Parlaments" gewesen, auch wenn sie gleichzeitig "im Interesse der Freiheit des einzelnen Abgeordneten" stehe. Thierse deutete an, dass er die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Abwägung nicht teile und begründete dies so:

"Die Beschleunigung erhöht das Risiko von Fehlern. Damit will ich nicht jeden Fehler rechtfertigen. Aber es ist zu billig, das nur der Dummheit von Politikern und Beamten in die Schuhe zu schieben. Die Politiker und auch die Bürger müssen gleichzeitig so viel bewältigen. Das erzeugt Unsicherheiten und Ängste und mobilisiert Abwehr."

Ebendies habe in der Folge auch zum Erstarken der AfD beigetragen. Dabei sei eine Dreierkoalition nun einmal schwieriger als eine Zweierkoalition und daher "wünsche ich mir dann von der journalistischen Begleitung mindestens so viel Verständnis, dass solche Einigungsprozesse Zeit brauchen", so Thierse.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Politik der Ampel im allgemeinen oder gar mit dem in der Öffentlichkeit hochumstrittenen Heizungsgesetz im Besonderen sucht man in dem Interview mit dem früheren Bundestagspräsidenten indes vergeblich. Entsprechend kann oder möchte SPD-Mann Thierse auch die Wahl des AfD-Kandidaten zum Landrat im Landkreis Sonneberg nicht nachvollziehen – selbst die These von den "abgehängten Ostdeutschen" ließ er nicht so recht gelten, sie "ärgere" ihn. Thierse erläuterte:

"Ich kenne diesen Landkreis, zu DDR-Zeiten bin ich im Nachbarkreis aufgewachsen. … In der DDR waren wir abgehängt im Grenzgebiet, im wörtlichen Sinne. Um meine Eltern zu besuchen, musste ich jedes Mal hier in Berlin Wochen vorher einen Passierschein beantragen. Einmal hatte ich das vergessen und wurde prompt verhaftet, und das innerhalb des eigenen Landes. Das war abgehängt. Das gilt doch heute nicht mehr! Zumal dieser Landkreis ökonomisch auch gut dasteht."

Immerhin räumt Thierse ein, dass die Medien "nur ein Faktor von vielen" seien und es zu kurz greife, "die Ursache [für das Erstarken der AfD] nur in der Verärgerung über das Heizungsgesetz" zu sehen. Gegen Ende des Interviews resümiert er dann etwas diffus:

"Ich vermute, die glorreichen Zeiten der alten Bundesrepublik sind endgültig vorbei."

Der Umstand, dass in der alten Bundesrepublik "alle Verteilungskonflikte am Ende immer durch ein Mehr gelöst werden konnten, das ist vorbei", so der frühere SPD-Politiker. Denn die "Geschäftsgrundlage" sei damals stets wirtschaftliches Wachstum und Wohlstandsmehrung gewesen, doch dessen könne man sich nun nicht mehr sicher sein. Thierse führte aus:

"Das ist der entscheidende Punkt: ob es uns gelingt, Demokratie und Freiheit auch ohne wirtschaftliches Wachstum zu leben und zu bewahren. Das ist eine der großen Herausforderungen."

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