Aluhut für Corona-Politik? – Magazin mit deutlicher Kritik an "Datenzauber" aus dem RKI
von Tilo Gräser
Seit Langem gibt es Zweifel an den gemeldeten Zahlen der Behörden zur COVID-19-Pandemie sowie an den Grundlagen dafür. Die Debatte darum brandete nach den Korrekturen der sogenannten Impfquote durch das Robert Koch-Institut (RKI) neu auf. Das Magazin Cicero veröffentlichte am Mittwoch in seiner Online-Ausgabe einen Beitrag, in dem nach den Gründen für das Zahlentheater gefragt wird.
Das RKI hatte am 7. Oktober verkündet, es sei anzunehmen, dass unter Erwachsenen bis zu 84 Prozent mindestens einmal und bis zu 80 Prozent vollständig geimpft sind. Das ist im aktuellen RKI-Bericht "COVID-19 Impfquoten-Monitoring in Deutschland (COVIMO)" nachzulesen. Daraufhin hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärt, es seien "keine weiteren Beschränkungen notwendig".
Zuvor waren Ministerium und das ihm unterstellte RKI von einer "Impfquote" von 79,1 Prozent für mindestens einmal geimpfte Erwachsene und für vollständig Geimpfte bei 75,4 Prozent ausgegangen. Im Juli hatte das vom Tiermediziner Lothar Wieler geleitete Institut erklärt, dass "mindestens 85 Prozent der 12- bis 59-Jährigen bzw. 90 Prozent der ≥60-Jährigen vollständig gegen COVID-19 geimpft" sein müssten, um dem Ende der Pandemie näherzukommen.
Die Impfquote sieht die Bundesregierung als einen wichtigen Maßstab bei der Bekämpfung von COVID-19 an. Das Magazin Cicero wundert sich nun über "Wielers Zahlenzauber". Es müsse "endlich geklärt werden, warum man am RKI von einem statistischen Fehltritt zum nächsten stolpert", fordert der stellvertretende Chefredakteur Ralf Hanselle.
Zahlenzauber beim RKI
Dem Beitrag nach verlangen inzwischen auch Gesundheitsminister der Bundesländer wie der bayerische Klaus Holetschek (CSU), "das Datenchaos am RKI einmal genauer unter die Lupe zu nehmen". Hanselle erinnert, dass das RKI selbst bereits im August auf "gewisse Unsicherheiten" bei den Zahlen zu den Injektionen mit den Impfstoffen hingewiesen habe. Die Meldungen müssten nach oben korrigiert werden, hieß es dabei.
Für den Cicero-Redakteur ist die "eigentliche Frage", "warum man über Wochen hinweg von der arithmetischen Fehlleistung gewusst habe, sich aber dennoch nicht bemüßigt sah, den Fehler am ehrwürdigen Institut an der Berliner Seestraße abzustellen". Das Warum führe schnell zur "wahren Dimension des Koch'schen Zahlenzaubers". Eine Reihe von "Buchhaltungsfehlern" würden "noch ganz andere Fragen berühren".
Hanselle erinnert daran, dass seit Beginn der am 11. März 2020 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgerufenen COVID-19-Pandemie immer wieder Zweifel an den offiziellen Daten laut wurden. So hätten international renommierte Statistiker und Epidemiologen wiederholt darauf hingewiesen, "dass viele Zahlen aus dem täglichen Corona-Dashboard in keinem Verhältnis zum wahren Epidemie-Geschehen stünden". Doch Politik, Wissenschaft, aber auch der interessierten Öffentlichkeit sei das "weitestgehend egal" gewesen, gibt der Cicero-Redakteur als Eindruck wieder.
Absichtlicher Verzicht auf bessere Daten?
Er verweist unter anderem auf Aussagen des Medizinstatistikers Gerd Antes gegenüber dem Magazin Anfang September. Dieser sagte unter anderem, es sei "konsequent verhindert" worden, eine repräsentative Kohortenstudie zu erstellen. Diese hätte anhand einer repräsentativen Gruppe aus 40.000 bis 60.000 Menschen Auskunft über das tatsächliche Ausmaß der Pandemie geben können.
Antes weiter:
"Das aber ist nicht wirklich geschehen. Und da, wo eine solche Studie begonnen wurde, ist sie – ich muss es leider so hart sagen – gegen die Wand gefahren worden."
Im August dieses Jahres hatte unter anderem der Ökonom Gabriel Felbermayr, Direktor des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), wegen der offensichtlich schlechten Datenlage deutliche Kritik an der Bundesregierung geübt. Er warf ihr in einem vom Magazin Spiegel online veröffentlichten Interview "gravierende Versäumnisse beim Erheben verlässlicher Coronazahlen" vor.
Fehlendes Interesse bei Politikern?
Felbermayr sieht Absicht dahinter und meint, die Regierung verzichte bewusst auf eine bessere Datenerhebung. Nach seiner Auffassung ließen sich durchaus "umfassende, genaue Daten zur Pandemie erheben: vom Infektionsgeschehen bis zum Impfen. Anhand dieser Daten könnte die Politik zielgerichtete Maßnahmen ergreifen. Aber: Die systematische Datenerhebung ist politisch nicht gewollt. Das ist frustrierend".
So habe die Bundesregierung im Frühjahr 2020 ein vom IfW vorgelegtes Konzept zur Datenerfassung abgelehnt. Grundlage sollte damals laut Felbermayr eine repräsentative Studie mit mehreren zehntausend Menschen sein. Eine solche hatte im Frühjahr 2020 unter anderem der Bonner Virologe Hendrik Streeck gefordert und sich gewundert, dass das dafür zuständige Robert Koch-Institut eine entsprechende Studie nicht startete.
Der Vorschlag für eine repräsentative Datenerfassung sei dann im Sommer 2020 den zuständigen Ministerien erneut vorgelegt worden, berichtete Felbermayr: "... aber wieder bewegte sich nichts. Das war hochgradig frustrierend. Wir haben dann aufgegeben." Der IfW-Direktor bezweifelte im Interview "stark, dass die verantwortlichen Politiker Interesse daran haben, so kurz vor der Wahl ein komplettes Datenbild zu erheben".
Der renommierte Medizinstatistiker Antes wirft der Regierung seit Langem ein denkbar schlechtes Datenmanagement vor. In einem im Juli dieses Jahres in der Apotheken-Umschau veröffentlichten Interview sagte er, "wenn Gesundheitsminister Spahn jetzt erst, nach 15 Monaten, genauere Klinikmeldungen wie Alter, Art der Behandlung und den Impfstatus fordert, dann ärgert mich das ungemein. Denn genau darüber wurde spätestens im November im Bundestagsausschuss debattiert und dieses zögerliche Verhalten kann einen großen Schaden angerichtet haben".
Antes zählt dazu den ökonomischen Schaden, den "psychischen Schaden vor allem bei Kindern und Jugendlichen", aber auch bei Erwachsenen, "die ständig aufeinander hockten und für die Kinder einen Teil der Schule ersetzen mussten", ebenso aber auch medizinische Schäden zum Beispiel durch verschleppte Krebsdiagnosen.
Vom Ministerium bezahlte Wissenschaftler
Auch der Mathematiker und Statistikexperte Gerd Bosbach fordert seit Langem eine repräsentative Studie zur Pandemiesituation. Die sei unter anderem notwendig, um die Dunkelziffer der tatsächlich mit SARS-CoV-2 Infizierten bestimmen zu können. Das erklärte er im Februar dieses Jahres gegenüber der Berliner Zeitung.
"Eine flächendeckende repräsentative Untersuchung hat das Robert Koch-Institut (RKI), ich muss das leider so sagen: verweigert. Wir wissen daher nicht, wie hoch sie ist."
Die Folge ist laut Cicero-Redakteur Hanselle eine "Maßnahmenpolitik im Blindflug, die man an ihren besonders pseudowissenschaftlichen Stellen ganz sicher mit einem Aluhütchen hätte krönen können". Als offensichtliche Ursache beschreibt er Interessenkonflikte. So sei RKI-Präsident Wieler kein unabhängiges Zahlengenie, sondern ein "Graf Zahl im gehobenen Beamtenstand, dessen Handeln weisungsabhängig vom Bundesgesundheitsminister ist".
Darauf machte auch Medizinstatistiker Antes im September gegenüber der Berliner Zeitung aufmerksam. Wieler könne "nicht gleichzeitig als Wissenschaftler auftreten und so tun, als würde er unabhängig forschen". Das gelte ebenso beispielsweise für den Infektionsmodellierer Dirk Brockmann: "Er tritt oft als Wissenschaftler der Humboldt-Universität auf, diese Professur wird jedoch vom RKI finanziert. Dann sitzt er bei Lanz in der Talkshow und kommentiert die massiv falschen Vorhersagen des RKI für Mitte April 2021, ohne dass seine Rolle klar gemacht wird."
Die "enge Symbiose zwischen Wieler und der ihn finanzierenden Exekutive" wurde laut Cicero bereits im März 2020 deutlich, als das Bundesinnenministerium (BMI) mithilfe des RKI Wissenschaftler ansprach. Sie sollten das bekannt gewordene Angst-Strategie-Papier des BMI erstellen, das die Bedrohungen durch das Virus SARS-CoV-2 gezielt dramatisch darstellte. Damit sollte das folgende harte politische Handeln begründet werden.
Politische Ziele wichtiger?
Die Offenlegung der entsprechenden E-Mails zwischen dem Ministerium und den Angefragten wurde von einer Gruppe von Juristen in einer mehrmonatigen rechtlichen Auseinandersetzung mit dem RKI erstritten. Darüber hatte die Tageszeitung Die Welt im Februar dieses Jahres berichtet. Wieler und andere Mitarbeiter des RKI selbst gaben laut Cicero in den E-Mails "immer wieder zu erkennen, dass politische Ziele letztlich wichtiger als wissenschaftliche Evidenz seien".
Hanselle dazu weiter:
"Damit, so das Fazit der damals auf Offenlegung klagenden Medizinrechtlerin Marion Rosenke, sei der Grundstein für Unwissenschaftlichkeit, fehlende Empirie und fehlende Evidenz gelegt worden. Ein Grundstein, der sich durch die gesamte Krise wie ein roter Faden zöge."
Hanselle verweist in seinem Cicero-Beitrag darauf, dass unter anderem die FDP-Politikerin Christine Aschenberg-Dugnus die zu große Nähe des RKI und von Wieler an der Linie der Bundesregierung kritisiert. "Wir machen uns dafür stark, dem RKI künftig politische Unabhängigkeit zu garantieren", so Aschenberg-Dugnus vor wenigen Tagen gegenüber der Bild-Zeitung. Dazu gehört laut FDP-Wahlprogramm auch eine neue Leitung des Instituts.
Forderungen nach unabhängigem RKI
Ähnlich hatten sich vor der Bundestagswahl am 26. September zahlreiche namhafte Wissenschaftler, Ärzte, Juristen, Künstler und Unternehmer in einem offenen Brief an die Parteien geäußert. Zu den Unterzeichnenden gehörten neben Antes unter anderem der Berliner Rechtsanwalt Niko Härting, der Kinderarzt Steffen Rabe, die Fachärztin Heike L. Funck, der Rechtswissenschaftler Oliver Lepsius, die Psychologin Cora Hubrich, der Virologe Klaus Stöhr, der Musiker Paul van Dyk und zahlreiche andere aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Sie fragten:
"Warum ist das Robert Koch-Institut – anders als beispielsweise die Datenschutzbehörden – keine unabhängige Behörde, sondern dem Bundesministerium für Gesundheit unterstellt?"
Cicero-Redakteur Hanselle sieht das als "sinnvolle Forderung" und fügt hinzu: "Für unsere Grundrechte indes und für den nüchternen und wissenschaftlichen Blick auf das epidemische Geschehen kommt sie 20 Monate zu spät."
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