Drosten: Auffrischungsimpfung im Herbst für die meisten unnötig – auch WHO dagegen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kritisiert die Pläne, bei gesunden Menschen mit Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus zu starten. Auch laut dem Virologen Christian Drosten seien für die meisten Geimpften im Herbst keine Auffrischungsvakzine nötig.

Die US-Regierung kündigte am Mittwoch an, die gesamte amerikanische Bevölkerung voraussichtlich ab September mit Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus versorgen zu wollen. Vollständig Geimpfte sollen rund acht Monate nach der zweiten Spritze mit den Präparaten von Moderna oder Pfizer/BioNTech eine dritte Dosis bekommen, wie hochrangige Gesundheitsbeamte mitteilten. Grund dafür seien die Ausbreitung der als besonders ansteckend geltenden Delta-Variante des Virus sowie Datenauswertungen zum allmählich abnehmenden Impfschutz.

Kritik an den Plänen in den USA, auch bei gesunden Menschen eine dritte Dosis zu verabreichen, kommt von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Bislang sei nicht einmal klar, ob sie nötig seien, sagte die Chef-Wissenschaftlerin Soumya Swaminathan am Mittwoch in Genf. Während in reichen Ländern jede Menge Impfstoff vorhanden ist, warten weltweit in Dutzenden Ländern viele Millionen Menschen noch auf die Chance einer Impfung. Der WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan meinte, Menschen eine Auffrischimpfung anzubieten sei so, als gebe man Menschen mit Rettungswesten noch eine weitere Weste dazu, während Millionen andere ohne jeglichen Schutz bleiben müssten.

Auch der Virologe Christian Drosten ist überzeugt, dass für die meisten Geimpften im Herbst keine Auffrischungsimpfung nötig sein wird. Der Nachrichtenagentur dpa sagte der Leiter der Virologie in der Berliner Charité, dass die Schutzwirkung der Corona-Impfstoffe viel besser sei als beispielsweise bei den Influenza-Impfstoffen. Auch das baldige Aufkommen einer neuen Virusvariante, die gegen die verfügbaren Impfstoffe resistent ist, erwartet er nicht.

Eine dritte Spritze in diesem Herbst hält Drosten jedoch bei älteren Menschen sowie bestimmten Risikopatienten durchaus für sinnvoll. Der Virologe ergänzte:

"Nach einem halben Jahr geht das über die Impfung erworbene Antikörper-Level vor allem bei sehr alten Menschen deutlich runter."

In besonderen Umfeldern wie Seniorenheimen sei eine dritte Impfung als Booster daher denkbar. Die dafür benötigten Dosen nicht ins Ausland abzugeben sei trotz der internationalen Impfstoff-Knappheit vertretbar.

Für die übrige Bevölkerung werde irgendwann vielleicht ein Altersniveau definiert werden, ab dem eine Auffrischungsimpfung sinnvoll werde. "In diesem Herbst kommt es aber darauf an, überhaupt erst einmal die Impflücken bei den über 60-Jährigen zu schließen", so Drosten.

Während in den USA die dritte Impfung als Booster erst ab September angeboten werden soll, wird unter anderem in Israel und Serbien bereits die Verabreichung der Auffrischungsimpfung an Willigen vorgenommen. Das Angebot richtet sich vor allem an Ältere sowie an Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Auch die Berliner Charité hatte jüngst damit angefangen, bestimmte Gruppen aus dem medizinischen Personal zum dritten Mal gegen das Coronavirus zu impfen. Es handelt sich dabei um Angestellte, die vor mindestens sechs Monaten ihre zweite Dosis erhalten haben, mindestens 60 Jahre alt sind und in COVID-19-Risikobereichen arbeiten.

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(rt/dpa)