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Auswärtiges Amt: Die Einschätzung der Bundesregierung zu Afghanistan war falsch

Das Auswärtige Amt räumte bei der Einschätzung der Lage in Afghanistan Fehler ein. Regierungssprecher Seibert sprach von "bitteren Entwicklungen" angesichts des langjährigen NATO-Einsatzes. Laut der Bundeskanzlerin soll die weitere Evakuierung ohne die Hilfe der USA nicht möglich sein.
Auswärtiges Amt: Die Einschätzung der Bundesregierung zu Afghanistan war falschQuelle: www.globallookpress.com © Alexander Blum

Das Auswärtige Amt (AA) hat bei der Einschätzung des Vormarsches der Taliban in Afghanistan Fehler eingeräumt. "Richtig ist, dass – und da gibt es auch nichts zu beschönigen – unsere Einschätzung falsch war", sagte der stellvertretende Sprecher des AA, Christofer Burger, auf der Bundespressekonferenz am Montag. In der falschen Einschätzung über die Entwicklung der Lage habe man aber mit den Bündnispartnern übereingestimmt. 

Regierungssprecher Steffen Seibert sprach im Zusammenhang mit den Ereignissen in Afghanistan der letzten Tage von "bitteren Entwicklungen, wenn man sie vor dem Hintergrund des langjährigen Einsatzes der westlichen Staatengemeinschaft betrachtet."

Bezüglich der Evakuierung aus Kabul hätten deutsche Staatsangehörige Priorität sowie Ortskräfte deutscher Organisationen, mit denen man in der Demokratieförderung oder in Menschenrechts- oder Bildungsprojekten zusammengearbeitet hatte. Nach diesen Gruppen müssten auch so viel wie möglich weitere Afghanen, die Schutz suchten, außer Land gebracht werden. 

Die Bundesregierung schließe sich dem Appell des UN-Generalsekretärs António Guterres an die Taliban an. Guterres hatte die islamische Miliz zur Zurückhaltung aufgefordert und den Schutz der Menschen in Afghanistan verlangt.

Wird Deutschland immer noch am Hindukusch verteidigt?

Zum Stand der Evakuierung sagte Burger, dass am Sonntag vierzig Mitarbeiter der Botschaft Kabul verlassen hatten. Am Flughafen in Kabul sei noch ein operatives Kernteam verblieben, um die Flüge zu koordinieren. Zudem kündigte Burger an, dass Außenminister Heiko Maas (SPD) am Montag erneut den Krisenstab der Bundesregierung einberufen werde.

Der Sprecher des Verteidigungsministeriums David Helmbold sagte, dass am Montagmorgen das erste Militärflugzeug den Flugplatz Wunstorf verlassen hatte. Zwei weitere Flugzeuge seien ebenfalls bereits Richtung Afghanistan gestartet. Nach dem letzten Stand könnten Flugzeuge auf dem Flughafen Kabul aber weder landen noch starten, da sich auf dem Rollfeld zu viele Menschen befänden.

Zu der Frage, ob Deutschland immer noch am Hindukusch verteidigt werde, wollte sich Regierungssprecher Seibert nicht äußern. Er verwies darauf, dass der Einsatz in Afghanistan der Bundeswehr im Rahmen eines NATO-Einsatzes stattgefunden hatte. Aufgrund des gemeinsamen Einsatzes müsse auch eine Analyse gemeinsam mit den Bündnispartnern stattfinden, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt.

"Der Einsatz in Afghanistan war ein gemeinsamer Einsatz und die Bilanz dieses Einsatzes wird auch gemeinsam zu ziehen sein."

Helmbold fügte hinzu, dass man eine Bilanzdiskussion mit allen relevanten Aspekten und mit aller Ehrlichkeit und Offenheit führen werde. 

Zu der Frage, ob die Bundeswehr auch schon Samstag hätte fliegen können, wurde auf die nationale und internationale Koordination verwiesen. Der Krisenstab habe im Ergebnis seiner Tagung am Freitag die Planungsintensität weiter erhöht. Die Entwicklungen und Planungen seien dann mit einem sehr, sehr hohen Tempo vorangeschritten. Bezüglich des Einsatzes von Flugzeugen des Militärs habe man erst die erforderlichen Überflugrechte einholen müssen.

Evakuierung Kabuls seit vergangenem Freitag geplant

Schon am vergangenen Freitag hatte der Krisenstab der Bundesregierung im Auswärtigen Amt über die möglichen Folgen des Vormarschs der Taliban auf Kabul beraten. Das hatte der stellvertretende Sprecher des Auswärtigen Amts am selben Tag mitgeteilt. Auf dem Treffen war es laut Bauer um die Unterstützung der Deutschen Botschaft in Kabul bei der Vorbereitung auf alle möglichen Szenarien gegangen.

Bereits vor dem Wochenende hatte Burger die Lage in Kabul als sehr besorgniserregend bezeichnet. Seinen Angaben zufolge stand man schon am Freitag mit den Bündnispartnern in Kontakt und habe sich sehr genau angesehen, welche Maßnahmen andere Staaten ergriffen hatten. 

Für Dienstagnachmittag planen die Außenminister der EU-Länder eine außerordentliche Videokonferenz durchzuführen. Das kündigte der EU-Außenbeauftragte am Montag auf Twitter an. Auf der Konferenz wolle man eine erste Bewertung der Lage vornehmen. Auch der Verteidigungsausschuss des Bundestags soll noch diese Woche zu einer Sondersitzung tagen.

Evakuierung ist ohne die Amerikaner nicht möglich

Nach Informationen der dpa machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in einer Sitzung des CDU-Präsidiums deutlich, wie wichtig die gerade angelaufene Aktion der Bundeswehr zur Rettung von deutschen Staatsangehörigen, Angehörigen der Botschaft und Ortskräften sei.

In einer anschließenden Sitzung des größeren CDU-Vorstands sagte Merkel, die Bundesregierung habe vor Monaten bereits 2.500 Ortskräfte in Afghanistan identifiziert. Insgesamt gehe es bei dieser Gruppe um 10.000 Menschen, da die Familienmitglieder mitgerechnet würden. Hierzu sagte Merkel:

"Wir evakuieren nun in Zusammenarbeit mit den USA die Menschen. Ohne die Hilfe der Amerikaner könnten wir so einen Einsatz nicht machen."

Die Situation schätzte die Bundeskanzlerin als "bittere Stunden ein". Für die Vielen, die auf Fortschritt und Freiheit gebaut hätten – vor allem die Frauen –, seien es "bittere Ereignisse".

In der Vorstandssitzung soll Merkel den 20-jährigen Bundeswehreinsatz in Afghanistan gelobt haben. "Unsere Soldaten haben einen tollen Job gemacht", sagte sie nach Informationen aus Teilnehmerkreisen. Das Mandat für den Einsatz sei bis Januar 2022 gegangen – aber man sei abhängig von den USA gewesen. Die US-Regierung hatte sich zu einem schnellen Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan entschieden und damit auch den schnelleren Rückzug etwa der Bundeswehr aus dem Land ausgelöst.

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