Amri-Untersuchungsausschuss verzeichnet Fehler beim "Gefährdermanagement"
Der 1. Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses von Berlin hat seinen Bericht zum Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz vorgelegt. Der Ausschuss kam zu dem Ergebnis, dass die Sicherheitsbehörden schwere Fehler in Bezug auf den Attentäter Anis Amri und sein Umfeld begangen hatte.
Der Vorsitzende Stephan Lenz (CDU) sagte dazu, man habe "keinen einzelnen Schuldigen" gefunden und "keine Einzelfehler" aufgedeckt, die direkt zum Anschlag geführt hätten. Es seien viele Fehler vor allem von Kriminalpolizei und Verfassungsschutz festgestellt worden. "Und es ist die Summe dieser Fehler und Versäumnisse, die den Anschlag möglich gemacht haben", sagte Lenz.
Vor vier Jahren, am 14. Juli 2017, hatte der Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufgenommen. Auf 64 Sitzungen wurden insgesamt 94 Zeuge und Gutachter von den Mitgliedern angehört. Am 19. Dezember 2016 hatte der Tunesier Anis Amri einen Lkw auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz in Berlin gelenkt und dadurch elf Menschen getötet.
Fehler beim "Gefährdermanagement"
Der Ausschuss hatte die Aufgabe, die Arbeit der Ermittlungsbehörden in Bezug auf den Attentäter und sein Umfeld zu untersuchen und zu bewerten. Zu den Problemen, die der Ausschuss bei den Behörden vor dem Anschlag feststellte, gehörten zu wenig Personal, fehlende Zusammenarbeit zwischen den Ermittlungsbehörden sowie allgemein Untätigkeit trotz hinreichender Indizien.
Das LKA Berlin soll in den Jahren 2015 und 2016 nicht genug Personal gehabt haben. Der Dezernatsleiter, der in der für den polizeilichen Staatsschutz verantwortlichen Abteilung 5 für Amri zuständig war, habe trotz der angeblichen Unterbesetzung der Behörde eine Nebentätigkeit ausgeführt. Laut dem Bericht hätte Amri auch nachts und am Wochenende observiert werden müssen. Schließlich wurde die von der Staatsanwaltschaft beantrage Beobachtung ganz abgebrochen. Seine abgehörten Telefonate und Chats seien zudem nicht gründlich genug ausgewertet worden.
Der Austausch zwischen den Ausländerbehörden, den Landeskriminalämtern von Berlin und Nordrhein-Westfalen, dem Berliner Verfassungsschutz und der Berliner Staatsanwaltschaft sei unzureichend gewesen. Zusammenfassend ist im Bericht die Rede von einem fehlenden "konsequenten Gefährdermanagement" durch eine Zusammenführung der Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft. Besser wäre auch die Übernahme des Beobachtungsfalls Amri durch das BKA gewesen.
Einer der Hauptfehler lag nach Ansicht des Ausschusses aber in der Fehleinschätzung, dass Amri, weil er mit Drogen handelte, kein radikaler Salafist sein konnte. Auch der Verfassungsschutz sei hier zu passiv gewesen und von einem Polizeifall ausgegangen.
Kritik und Sondervoten der Parteien
Von den beteiligten Parteien fügten die Abgeordneten der Grünen, der Linken und der AfD dem Bericht jeweils ein Sondervotum hinzu. Im Sondervotum der Linken, das unter allen am umfangreichsten ausfiel, wurde kritisiert, dass die Behörden bis heute von einem Einzeltäter ausgingen. Auch von den Abgeordneten der Grünen und der FDP wird die Frage aufgeworfen.
Die Linke warf den Ermittlern insbesondere vor, wenig Interesse am Netzwerk Amris gehabt zu haben. Stattdessen habe der Fokus der Polizei zu sehr "im Phänomenbereich Links" gelegen, eine mögliche Erklärung für die Beendigung der Observation Amris. Die bestehenden Befugnisse hätten die Behörden dagegen nicht genug genutzt. Das sogenannte Frühwarnsystem des Verfassungsschutzes habe nicht funktioniert.
Die FPD kritisierte, dass Amri nicht in sein Heimatland Tunesien abgeschoben worden war. Weiter übte die FDP Kritik an den zu schwachen Rechten des Untersuchungsausschusses. Die eigene Macht gegenüber den Ermittlungsbehörden schätzte man als zu gering ein. Durch die von den Behörden häufig vorgebrachte Begründung des Quellenschutzes sei die Aufklärung behindert worden. Geschwärzte Dokumente mussten teilweise erst gegen das Innenministerium eingeklagt werden.
Mehr Stellen und ein neues Antiterrorzentrum
Infolge des Anschlags erhielt die Polizei bereits deutlich mehr Personal. Nach Angaben des LKA Berlin wurden 587 neue Stellen eingerichtet, viele davon beim Staatsschutz, der für Linksextremismus, Rechtsextremismus und Islamismus zuständig ist. Im Jahr 2020 wurde zudem die Abteilung 8 für Islamismus und islamistischen Terrorismus mit 166 Stellen geschaffen. Ein neues Antiterrorzentrum soll 2022/2023 seine Arbeit aufnehmen.
Die Arbeitsabläufe im LKA, etwa bei den Observationen, wurden überarbeitet. Die Einstufung und Beobachtung islamistischer Gefährder wurde auf Bundesebene durch das BKA neu konzipiert. Die Staatsanwaltschaften sollen stärker einbezogen werden. Ende 2020 beschloss der Berliner Senat einen Antiterrorplan.
Der Verfassungsschutz möchte sich mit seinem bereits 2017 gegründeten Referat Islamismus mehr auf Einzeltäter konzentrieren. Der Informationsaustausch mit dem LKA soll vertieft worden sein.
Zuletzt erhielt die Polizei für mehr als 60 Millionen Euro neue Fahrzeuge, Waffen, Schutzkleidung und Tablets. Auch der IT-Bereich der Polizei wurde ausgebaut. Für die Betreuung der Opfer wurde ein neues Konzept mit einer Checkliste ausgearbeitet.
Mehr zum Thema - Anschlag mit Auto auf der Berliner Stadtautobahn: Prozess gestartet
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.