Deutschland

Neue Hinweise auf Manipulation der Intensivbettenzahl – Kritik an "Medienkampagne" gegen Schrappe

Wie aus den Zahlen der DAK hervorgeht, wurden in Deutschland auffallend viele COVID-19-Patienten intensiv beatmet. FDP-Politiker Wolfgang Kubicki kritisierte unterdessen den "kampagnenartigen Furor" diverser Medien und Christian Drostens gegen die Aufklärung.
Neue Hinweise auf Manipulation der Intensivbettenzahl – Kritik an "Medienkampagne" gegen SchrappeQuelle: www.globallookpress.com © Petra Nowack

In der Vergangenheit wurden immer wieder Vorwürfe laut, dass in Deutschland womöglich mehr COVID-19-Patienten auf der Intensivstation behandelt wurden als nötig. Neue Indizien dafür liefern die Zahlen der DAK, der größten deutschen Krankenkasse.

Aus diesen geht nach einem Bericht der Welt am Sonntag hervor, dass möglicherweise mehr COVID-19-Patienten intensivmedizinisch und damit kostenintensiver behandelt wurden als nötig. Der Anästhesist und Palliativmediziner Matthias Thöns erklärte der Zeitung, dass von Februar bis Mitte Juni 5.157 DAK-Versicherte wegen COVID-19 auf der Intensivstation behandelt wurden. Von diesen wurden 81 Prozent beatmet:

"Der sehr hohe Anteil an Beatmung lässt sich nicht allein mit intensivmedizinischer Notwendigkeit erklären."

Dadurch stehe nun wieder einmal der Verdacht im Raum, dass es den Kliniken darum ging, besonders teure Leistungen abzurechnen. In anderen Staaten der Europäischen Union sei die Beatmungsquote geringer gewesen – und das bei einer geringeren Todesrate. Auch laut einer Analyse der TU Berlin landeten in Deutschland wesentlich mehr COVID-19-Patienten auf der Intensivstation als in anderen Ländern: Im Herbst waren es mit 19 Prozent wesentlich mehr als in Dänemark (neun Prozent) oder in Spanien (acht Prozent). Auch hier war die Todesquote geringer.

Dieter Köhler, Lungenarzt und ehemaliger Chef des Verbandes der Pneumologischen Kliniken, findet ebenfalls, dass die hohe Zahl der beatmeten Patienten "erschreckend" sei, da die invasive Beatmung bekanntermaßen riskant sei und auch zum Tod führen könne. Ähnlich sieht es Franz Knieps, Vorstand des BKK-Dachverbandes, der kritisiert, dass vor allem in der Frühphase der Corona-Krise viele Patienten intubiert wurden. Dies sei möglicherweise oft kontraproduktiv gewesen.

Die Beatmung von Patienten sei vor allem kostspielig: Während die stationären Behandlungskosten im Schnitt bei 5.000 Euro liegen, können im Fall der Intensivbeatmung 38.500 Euro abgerechnet werden, teilweise sogar bis zu 70.000 Euro. Thomas Voshaar, der Chefarzt des Krankenhauses Bethanien in Moers, erklärte dem Springer-Blatt:

"Durch die hohe Vergütung gibt es leider einen finanziellen Anreiz für die invasive Form der Beatmung."

Bei schweren Fällen sei der Befund zwar eindeutig, bei leichteren Fällen gebe es jedoch einen gewissen Ermessensspielraum, so Voshaar. Laut dem Spitzenverband der Krankenhausträger gebe es jedoch keinerlei Anzeichen für Fehlbehandlungen, auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft weist die Vorwürfe, dass durch finanzielle Anreize zu oft invasiv beatmet wurde, vehement zurück. Es sei auch "keine internationale Studie bekannt, wonach in Deutschland der Anteil beatmeter COVID-19-Patienten […] signifikant höher lag als in anderen Ländern". Der Verband der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands gab zudem bekannt, dass "die Zahlen der DAK allen bekannten offiziellen Zahlen widersprechen".

Allerdings bleibt immer noch die Tatsache bestehen, dass Kliniken ab Herbst einen Anreiz hatten, Patienten vermehrt auf die Intensivstation zu verlegen: Ausgleichszahlungen waren ab bestimmten Inzidenzwerten dann möglich, wenn die Auslastung der Intensivstationen mehr als 75 Prozent betrug. Die Auslastung der Intensivstationen wurde von der Politik auch als eines der Hauptargumente für die Einführung der "Bundesnotbremse" angeführt.

Dabei ist es nicht das erste Mal, das Vorwürfe dieser Art laut wurden: Bereits Mitte Mai hatte sich unter anderem eine Autorengruppe um den Gesundheitsökonomen Matthias Schrappe kritisch mit der Verlässlichkeit der Zahlen zur Belegung der Intensivbetten befasst. Mittlerweile wurde der zentrale Kritikpunkt Schrappes auch durch den Bundesrechnungshof bestätigt, der einen Anreiz zur Manipulation der Belegungszahlen erkannte und sich dabei unter anderem auf das Robert Koch-Institut berief. Dieses hatte im Januar in einem Schreiben an das Bundesgesundheitsministerium vom dem Verdacht gesprochen, dass Krankenhäuser womöglich "zum Teil weniger intensivmedizinische Behandlungsplätze" meldeten, "als tatsächlich vorhanden waren".

Die Deutsche Interdisziplinarische Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft wiesen die Vorwürfe des Teams um Schrappe damals jedoch "aufs Schärfste" zurück. Auch in den meisten deutschen Medien wurde eher Kritik an Schrappes Positionspapier laut, und man konzentrierte sich auf die durchaus vorhandenen und später korrigierten Fehler in Schrappes Arbeit statt auf die Hauptaussage des Thesenpapiers.

So schrieb der Spiegel am 18. Mai von "in der Luft hängenden Vorwürfen", die von "zum Teil schiefen, zum Teil falschen" Theorien umgeben seien. Auch bei den Öffentlich-Rechtlichen war man eher daran interessiert, Schrappes Arbeit in Zweifel zu ziehen. So hieß es beim ZDF, dass er "keine schlüssigen Belege" dafür liefere. Auch der WDR versuchte vor allem, die Arbeit in Zweifel zu ziehen, und verlinkte dabei auch den sogenannten "Anti-Fake-News-Blog" Volksverpetzer.

Erstaunlich ist auch, dass selbst der in Deutschland bekannte Virologe Christian Drosten wohl versuchte, Einfluss auf die Veröffentlichung der Arbeitsgruppe um Schrappe zu nehmen. Nach einem Bericht der Welt soll Drosten eine Mail an Hedwig François-Kettner, ein Mitglied der Arbeitsgruppe um Schrappe, die früher ebenfalls an derCharité gearbeitet hatte, geschrieben haben. In der Mail vom 18. Mai unterstellt er der Gruppe eine "Vielzahl von Denkfehlern, falschen Argumenten und haltlosen Anschuldigungen", die er "unerträglich" finde. Zudem sei die Arbeit von "schlechter Qualität". Weiter soll es im Schriftverkehr heißen:

"Die Rücksichtslosigkeit in der Verbreitung persönlicher Meinungen unter Vorspiegelung der Professionalität schädigt die Institutionen und gefährdet die Einzelpersonen, die sie und ihre Gruppe seit Monaten unverhohlen angreifen."

In der Mail deutete Drosten laut der Welt zudem an, dass "die Medien", in den nächsten Tagen "dieses und auch frühere Machwerke ihrer Gruppe analysieren werden".

Unterdessen meldete sich der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki in einem Facebook-Post zu Wort und erklärte, dass es bei den Betrugsvorwürfen um die Intensivbetten noch viel aufzuarbeiten gebe. Da das Problem im Gesundheitsministerium offensichtlich schon seit Januar bekannt war, sei unverständlich, warum man nicht hart durchgriff. In seinem Post kritisierte der FDP-Politiker auch das Vorgehen diverser Medien scharf:

"Einen extrem bitteren Beigeschmack hat aber auch der kampagnenartige Furor diverser Medien, der auch auf diejenigen niederging, die den Ungereimtheiten bei den Intensivbetten schon länger nachgingen."

Auch die Vorgehensweise Drostens nach Bekanntwerden der Arbeit Schrappes findet Kubicki fragwürdig:

"Dass Christian Drosten gegenüber der Arbeitsgruppe von Matthias Schrappe wohl drohend schon vorher ankündigte 'die Medien' würden die Untersuchungen der Arbeitsgruppe jetzt 'analysieren', zeigt, dass auch ein brillanter Virologe nicht davor gefeit ist, aktiver Teil einer unseligen politischen Instrumentalisierung von Wissenschaft zu werden."

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