Deutschland

Entwurf des Justizministeriums: Für Geimpfte keine Kontaktbeschränkungen oder Ausgangssperren

Bundesweit geltende Privilegien für Geimpfte und von COVID-19 Genesene nehmen allmählich Konturen an. Das Bundesjustizministerium legte nun einen Entwurf vor. Bundesgesundheitsminister Spahn betont: "Wenn wir uns einig sind, geht's schnell". Zahlreiche Bundesländer haben bereits begonnen, Einschränkungen für Geimpfte aufzuheben.
Entwurf des Justizministeriums: Für Geimpfte keine Kontaktbeschränkungen oder AusgangssperrenQuelle: www.globallookpress.com © Christian Ohde via www.imago-images.de

Vollständig Geimpfte und Genesene sollen wieder mehr Rechte bekommen und insbesondere von Auflagen für private Treffen und nächtlichen Ausgangsbeschränkungen ausgenommen werden. Das geht nach Angaben der dpa aus einem Verordnungsentwurf des Bundesjustizministeriums hervor. Das Justizministerium versandte den Vorschlag am Donnerstag an die anderen Bundesministerien. Bundestag und Bundesrat müssen diesem noch zustimmen. Wenn es nach der SPD geht, soll das bereits in der kommenden Woche geschehen.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht argumentiert, das Grundgesetz lasse "Einschränkungen unserer Grundrechte nur zu, wenn es hierfür eine besondere Rechtfertigung gibt". Dazu gehöre "der Schutz von Leben und Gesundheit in der Pandemie". Die SPD-Politikerin betont:

"Wenn aber jetzt belegt ist, dass von vollständig Geimpften und Genesenen keine besondere Gefahr mehr ausgeht, dann müssen wir die Einschränkungen ihrer Grundrechte zurücknehmen. Es geht hier nicht um Sonderrechte oder Privilegien, sondern um ein zentrales Gebot unseres Rechtsstaats."

In dem Entwurf des Justizministeriums ist vorgesehen, dass es "geimpften und genesenen Personen zukünftig wieder möglich sein wird, ohne vorherige Testung zum Beispiel Ladengeschäfte zu betreten, Zoos und botanische Gärten zu besuchen oder die Dienstleistungen von Friseuren und Fußpflegern in Anspruch zu nehmen". Vollständig Geimpfte sollen sich nicht an die jeweils lokal geltenden Ausgangsbeschränkungen halten müssen. Mit einem Impfnachweis sollen sie sich bei Polizeikontrollen ausweisen können.

Laut Entwurf soll auch die Beschränkung privater Zusammenkünfte auf Angehörige eines Haushalts und eine weitere Person – plus Kinder bis 14 Jahre – nicht gelten, wenn an dem Treffen ausschließlich geimpfte Menschen oder genesene Personen teilnehmen. Bei privaten Treffen von Geimpften oder Genesenen mit anderen Menschen, die weder geimpft sind noch von COVID-19 genesen sind, werden die Angehörigen dieser zwei Gruppen nicht mitgezählt. Es könnten sich also zum Beispiel Angehörige eines Haushalts mit einem Paar treffen, das bereits geimpft wurde. Und noch einen Vorteil sollen Geimpfte und Genesene demnach haben: Für sie gilt die Quarantäne-Pflicht nach Einreise aus einem Risikogebiet nicht – es sei denn, sie haben sich in einem Land aufgehalten, das als Virusvariantengebiet eingestuft ist.

Für alle soll aber weiterhin die Pflicht zum Tragen einer Maske an bestimmten Orten gelten, ebenso das Abstandsgebot im öffentlichen Raum. Von den geplanten Erleichterungen sollen Menschen mit COVID-19-Symptomen wie Atemnot oder Geruchs- und Geschmacksverlust ausgenommen sein.

Als Beleg für eine vollständige Impfung kann demnach ein Nachweis auf Papier oder digital auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch oder Spanisch dienen. Die Impfung muss mit einem beim bundeseigenen Paul-Ehrlich-Institut gelisteten Impfstoff gemacht worden sein. Und es müssen "seit der letzten erforderlichen Einzelimpfung mindestens 14 Tage vergangen" sein. Dies ist meist die zweite Impfung, beim Präparat von Johnson & Johnson reicht die erste Impfung.

Dass man genesen ist, soll man ebenfalls belegen müssen – mit einem Nachweis eines positiven (sic!) PCR-Labortests, der mindestens 28 Tage und höchstens sechs Monate zurückliegt. Auch dieser Nachweis soll auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch oder Spanisch und auf Papier oder elektronisch möglich sein. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, wenn man den Original Test-Nachweis nicht mehr habe, könne man sich dies bei derselben Stelle auch noch einmal nachträglich bescheinigen lassen. Man muss außerdem frei von Krankheitssymptomen sein.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte am Donnerstag, ein Gleichstellen mit negativ Getesteten etwa bei Friseurbesuchen oder Einreisen sei ein relativ einfach zu klärender Teil. Bei anderen Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen gehe es aber um schwierige Abwägungen. Für ein rasches Vorgehen wolle die Regierung Bundestag und Bundesrat früh in Abstimmungen über eine Verordnung einbeziehen. Der späteste Termin für eine abschließende Entscheidung des Bundesrats soll der 28. Mai sein. Spahn machte deutlich:

"Wenn wir uns einig sind, geht's schnell."

Die SPD verlangte noch mehr Tempo. Sonst drohten gerichtliche Beschlüsse, sagte der SPD-Rechtsexperte Johannes Fechner der dpa. Es müsse vermieden werden, dass das Bundesverfassungsgericht die Bundes-Notbremse aufhebe "mit der denkbaren Begründung, dass diese nicht zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften differenziert".

Impfprivilegien in den einzelnen Bundesländern

Mehrere Bundesländer sind bereits aktiv geworden und haben Geimpfte mit negativ Getesteten gleichgestellt, etwa beim Zugang zu Läden und Dienstleistungen. Das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und das ZDF haben Auflistungen mit den Regelungen der einzelnen Bundesländer erstellt:

Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg sind Geimpfte und Genesene seit Samstag von der Testpflicht befreit. Konkret heißt das laut ZDF: "Wer geimpft ist und zum Friseur, zur Fußpflege, in den Zoo oder botanischen Garten geht, braucht keinen Test mehr vorzulegen".  Außerdem entfällt die Quarantänepflicht bei der Einreise – eine Ausnahme ist die Einreise aus einem sogenannten Virusvariantengebiet.

Bayern

In Bayern sind seit dieser Woche vollständig Geimpfte mit negativ Getesteten gleichgestellt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder machte deutlich: "Wer zweimal geimpft ist, sollte auch mehr Freiheiten zurückbekommen". Vorgesehen ist auch, genesene COVID-19-Patienten rechtlich mit Geimpften und negativ Getesteten gleichzustellen.

Berlin

Der Berliner Senat hat am Dienstag beschlossen, Geimpfte, Genesene und Getestete rechtlich gleichzustellen. Ausnahmen gelten für Personal in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen einschließlich ambulanter Pflegedienste.

Brandenburg

Brandenburg hat geimpfte und getestete Menschen gleichgestellt und konkretisiert, dass für sie die Testpflicht entfällt. Das Bundesland machte aber deutlich, dass Geimpfte einen in der EU zugelassenen Impfstoff erhalten haben müssen – explizit also nicht den russischen Impfstoff Sputnik V, der noch keine EMA-Zulassung bekommen hat.

Bremen

Bremen hat die Quarantänepflicht für Geimpfte aufgehoben – mit Ausnahme von Patienten in Kliniken und von Bewohnern stationärer Pflegeeinrichtungen.

Hamburg

In Hamburg gelten bislang keine Privilegien für Geimpfte und Genesene. Die Stadt will nach eigenen Angaben gegenüber dem RND bundeseinheitliche Regeln abwarten.

Hessen

Für Geimpfte entfällt in Hessen die Quarantänepflicht für Reiserückkehrer (ausgenommen Virusvariantengebiete), sowie die Isolation, wenn in ihrem Haushalt ein COVID-19-Fall auftritt. Die Testpflicht besteht in den Schulen und im Einzelhandel.

Mecklenburg-Vorpommern

Ab dem 1. Mai soll in Mecklenburg-Vorpommern die Testpflicht für vollständig geimpfte Menschen entfallen. Das sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) laut RND gestern nach Kabinettssitzung. Sie sprach von einem wichtigen Zeichen, dass erstmals Erleichterungen "aufgrund eines wirksamen Schutzes gegen Corona" ermöglicht werden.

Niedersachsen

Niedersachsen hat Geimpfte bereits von Test- und Quarantänepflichten befreit. Weitere Erleichterungen schloss der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Montag aus, "solange wir noch nicht allen Menschen ein Impfangebot machen können".

Nordrhein-Westfalen

In NRW gibt es bislang keine Privilegien für Geimpfte. Laut RND möchte der NRW-Ministerpräsident und Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet in der Frage nicht vorpreschen, sondern "abgestimmt mit dem Bund" vorgehen.

Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz sind Getestete und vollständig Geimpfte seit dem 11. April gleichgestellt. Damit entfällt auch die Quarantäne- und Isolationspflicht, wenn Geimpfte aus einem Risikogebiet einreisen.

Saarland

Zwar befürwortet die saarländische Landesregierung Erleichterungen für Geimpfte, will aber laut der Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) abwarten, "um dem Bundeskabinett und dem Bundestag nicht vorzugreifen".

Sachsen

In Sachsen gelten derzeit keine Privilegien für Geimpfte. Dennoch sprach sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) dafür aus, die geltenden Corona-Einschränkungen für Geimpfte zeitnah zu lockern. Vorgesehen ist eine Aufhebung von Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen für geimpfte Personen.

Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt sind vollständig Geimpfte von der Testpflicht befreit. Die Befreiung von der Testpflicht gilt laut Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) auch für vollständig geimpfte Besucher in Pflegeeinrichtungen.

Schleswig-Holstein

Negativ Getestete und Geimpfte sollen ab der nächsten Landesverordnung am 10. Mai gleichgestellt werden. Der Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) erklärte am Mittwoch: "Ich glaube schon, dass man Freiheitsrechte so schnell wie möglich wieder zurückgeben kann und auch muss".

Thüringen

In Thüringen werden Geimpfte, von COVID-19 Genesene und negativ Getestete ab dem 5. Mai gleichgestellt werden. Damit entfällt jegliche Testpflicht für diese Personen. Allerdings gilt für Genesene, dass die Infektion nicht länger als sechs Monate zurückliegen darf.

Das Vorpreschen einzelner Länder bei Lockerungen für Geimpfte wird von einigen Bundespolitikern kritisiert. So äußerte zum Beispiel der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), dass man damit Vertrauen in jene bundeseinheitlichen Corona-Maßnahmen zerstören könne, die erst kürzlich beschlossen wurden. Schäuble machte deutlich:

"Jetzt haben wir schon wieder den Zustand, dass sich eine Reihe von Ländern nicht an die Absprachen hält. […] Wie sollen die Bürger, die durch Corona allmählich ja auch müde und durch immer neue Informationen überflutet werden, das noch verstehen?"

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(rt/dpa)

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