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Vor der Bund-Länder-Beratung: Konsens für mehr Freiheiten für Geimpfte zeichnet sich ab

Vor einigen Wochen galten sie noch als Sakrileg: Privilegien für Geimpfte. Heute könnten sie von der Bund-Länder-Beratung beschlossen werden. Ein entsprechender Entwurf liegt bereits vor. Zustimmung kommt von der Union, aber auch von der FDP und den Grünen.
Vor der Bund-Länder-Beratung: Konsens für mehr Freiheiten für Geimpfte zeichnet sich abQuelle: www.globallookpress.com © Andreas Gora / Keystone Press Agency

Im Vorfeld der heute stattfindenden Bund-Länder-Beratung – von der Tagesschau als Impfgipfel tituliert – mehren sich die Stimmen aus der Politik, die eine Aufhebung der Grundrechteeinschränkungen für Geimpfte fordern. Die seit Wochen geführte Debatte um Privilegien für geimpfte Bürger nähert sich einen Höhepunkt und einer möglichen Entscheidung. Zusammen mit der Frage der Freiheiten für Geimpfte wird auf der Bund-Länder-Beratung auch über einen digitalen Impfpass und eine Aufhebung der Impfreihenfolge debattiert werden.

Für den CDU-Vorsitzenden und Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet steht fest, es sei "rechtlich geboten, dass Geimpfte dieselben Rechte haben wie Getestete". Laschet beruft sich dabei auf Verlautbarungen aus dem Robert Koch-Institut, wonach Geimpfte und Genesene weniger infektiös seien als negativ getestete Personen.

Rückendeckung bekommt Laschet von seinem ehemaligen Kontrahenten um die Unions-Kanzlerkandidatur, dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder. Söder argumentiert, mit den Corona-Maßnahmen "beschränken wir Freiheitsrechte", dies sei nur dann gerechtfertigt, wenn keine andere Möglichkeit bestehe. Wer aber beide Impfdosen erhalten habe, "der schützt sich und andere". Deshalb müssen laut dem bayerischen Ministerpräsidenten "Geimpfte ihre Rechte wieder einfordern können".

Nach einem Bericht der Tagesschau hat das Bundesjustizministerium bereits ein Eckpunktepapier vorgelegt, das Vorschläge für mögliche Lockerungen für Geimpfte und Genesene aufführt. Dieses wird heute zentraler Diskussionspunkt beim Impf-Gipfel sein. Demnach sollen geimpfte und genesene Personen Erleichterungen bei Ausgangssperren, Kontakten oder auch bei Reisen erhalten. "Weniger eingreifende Schutzmaßnahmen", also etwa Abstandsgebote und das Tragen von Masken könnten aber auch für Geimpfte, Genesene und Getestete weiterhin gelten.

Einer solchen Planung stimmt auch die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Alena Buyx zu. Wenn die dritte Welle vorüber sei, "wäre eine zukünftige Gleichstellung von Getesteten, Geimpften und gegebenenfalls auch Genesenen etwa beim Zugang zu Restaurants oder Geschäften aus ethischer Sicht unproblematisch", sagte Buyx. Je sicherer es sei, dass Geimpfte das Virus nicht weitertragen, desto eher "müssten auch die starken Freiheitseinschränkungen für Geimpfte aufgehoben werden, etwa Quarantänepflichten".

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, betonte gegenüber der Funke Mediengruppe:

"Wir brauchen jetzt eine klare Vorgabe, dass Personen, die beide Impfungen erhalten haben, aber auch Bürgerinnen und Bürger, die eine Corona-Erkrankung durchgemacht haben und nachweisbar nicht ansteckend sind, von bestimmten Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes ausgenommen werden."

Zustimmung auch von der FDP und den Grünen

Entgegen ihrer sonstigen Kritik an bestimmten Corona-Maßnahmen begrüßt die FDP den Vorstoß der Bundesregierung für mehr Freiheiten für Geimpfte. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, es sei inzwischen klar, "dass von Geimpften nach der Zweitimpfung und einer Wartezeit keine Gefahr ausgeht". Damit entfalle "jegliche rechtliche Grundlage, die Menschen bei der Verwirklichung ihrer Grundrechte einzuschränken". Dies sei auch der Grund, warum aus seiner Sicht "die Bundes-Notbremse nicht verfassungsgemäß" sei, "denn sie sieht Beschränkungen auch für Menschen vor, von denen keine Gefahr ausgeht". Der FDP-Vorsitzende betont:

"Geimpfte sollten in nächster Zeit bis auf wenige Ausnahmen keine Einschränkungen mehr hinnehmen müssen. In Bahnen und Bussen zum Beispiel könnte das Masketragen noch für einige Zeit Pflicht bleiben, weil eine Unterscheidung zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften dort wenig praktikabel ist."

Der FDP-Generalsekretär Volker Wissing bekräftigte die Aussagen seines Parteivorsitzenden:

"Nachdem wir wissen, dass Geimpfte das Virus nicht übertragen können, dürfen deren Grundrechte nicht länger eingeschränkt werden. […] Der Staat muss gegenüber jedem Einzelnen einen Grund haben, weshalb er Freiheiten einschränkt."

Ebenso äußerte sich die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in der ARD-Fernsehsendung Anne Will. Dort kritisierte die FDP-Politikerin den Umgang mit Geimpften durch die Bundes-"Notbremse". Es sei "der komplett falsche Ansatz", auch Geimpften die Grundrechte einzuschränken. Das halte sie für strikt verfassungswidrig, da sie kein Infektionsrisiko mehr darstellen würden.

Von den Grünen erklingen ähnliche Wortmeldungen. So forderte die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, laut dpa eine Aufhebung von Beschränkungen für geimpfte Pflegeheimbewohner. Diese sollten wieder gemeinsam essen und Besuch bekommen dürfen. Nötig seien auch alltagstaugliche Nachweise für Bürger, die geimpft oder negativ getestet sind.

Die Grüne-Kanzlerkandidatin und Parteivorsitzende Annalena Baerbock sprach sich in der ARD-Fernsehsendung Anne Will für eine Aufhebung der Grundrechtebeschränkung bei geimpften Personen aus. Baerbock macht deutlich:

"Man muss sie aus meiner Sicht gleichstellen so wie Personen, die getestet sind."

Als weiterer Teilnehmer des TV-Gesprächs bei Anne Will argumentiert Wolfgang Merkel, Politikwissenschaftler und Demokratieforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, dass aus seiner Sicht die "verfassungsrechtliche Lage vollkommen klar" sei. Man müsse "Freiheitsrechte dann zurückgegeben", "wenn der Grund des zeitweiligen Entzugs weggefallen ist". Gleichzeitig warnt er jedoch vor einer Ungleichbehandlung der Bevölkerung als einem politischen Problem: Wenn nicht allen Menschen eine Impfung angeboten wurde, "haben wir eine Spaltung".

Ein Impfangebot für alle und eine Aufhebung der Impfpriorisierung?

Die Bund-Länder-Beratung wird heute auch über die Bereitstellung von Impfangeboten für alle Bürger und eine mögliche Aufhebung der Impfpriorisierung beraten. Unter anderem hatte sich der CSU-Vorsitzende Markus Söder dafür stark gemacht. Er forderte, dass die Impfreihenfolge bereits im Mai aufgehoben werden solle, um das Impftempo zu beschleunigen. Neben Impfungen in Arztpraxen brauche man auch "Betriebsimpfungen" und "Familienimpfungen".

Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet zeigt sich dabei zurückhaltender. Er peile eher eine Aufhebung im Juni an. Ähnlich hatte sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geäußert.

Für den Vorsitzenden des  Ärzteverbandes Virchowbund ist das zu spät. Er forderte gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung eine Aufhebung der Priorisierung "spätestens in zwei, drei Wochen". Andernfalls würde es zu einem "Impfstau" kommen.

Auch der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Andreas Gassen sprach sich laut dpa für eine Aufhebung der Priorisierung aus. Gassen verteidigte die Impfreihenfolge als wichtigen Schritt "zu Beginn", jetzt sei es aber wichtig, "die Breite der Bevölkerung sehr schnell zu impfen". Er argumentiert:

"Herdenimmunität bekommen wir nur, wenn wir nicht nur Alte und Hochbetagte impfen, sondern vor allem die Menschen mit vielen Kontakten."

Der Ko-Vorsitzende der SPD, Norbert Walter-Borjans, sagte hingegen dem Tagesspiegel, er halte es "für einen ehrlichen und machbaren Plan, den Mai noch im Rahmen der geltenden Priorisierung zu nutzen und ab Juni unterschiedslos zu impfen". So kämen auch jüngere Menschen schneller zu einer Impfung, "die sich nun mal am ehesten in Gruppen treffen".

In Bayern, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin wurde der Impfstoff von AstraZeneca bereits in Hausarztpraxen für alle Altersgruppen freigegeben. Die Priorisierung ist bei diesem Impfstoff folglich weggefallen. Allerdings gilt in Deutschland seit dem 31. März die Empfehlung, ihn aufgrund der erhöhten Gefahr eine Thrombosebildung bei unter 60-Jährigen nur noch bei Menschen ab 60 Jahren einzusetzen. Personen unter 60 Jahren können sich dennoch nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse damit impfen lassen.

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