Sputnik V bald in Deutschland? – "Zulassungsprozess der EMA ist ganz klar geregelt"
Deutschland will mit Russland über mögliche Lieferungen des Corona-Impfstoffs Sputnik V sprechen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn betonte, dass es zunächst eine Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA geben muss. Zugleich sagte der CDU-Politiker, dass die EU-Kommission erklärt habe, dass sie über das russische Präparat keine Verträge wie mit anderen Herstellern schließen werde. Daraufhin habe er bei einer Videokonferenz der EU-Gesundheitsminister erklärt, "dass wir dann bilateral auch mit Russland reden werden", erklärte Spahn.
Einige Bundesländer haben schon vor einer möglichen EU-Zulassung Vorverträge unterzeichnet. Bayern etwa unterzeichnete am Mittwoch einen Vorvertrag über 2,5 Millionen Sputnik-Dosen, Mecklenburg-Vorpommern zog am Donnerstag mit einer Option auf eine Million Dosen nach.
Über die Zulassung des russischen Präparats gegen SARS-CoV-2 und was es für die deutsche Impfkampagne bedeuten könnte, sprach RT DE mit Prof. Dr. Theodor Dingermann, Professor für Pharmazeutische Biologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür, dass die EMA so lange braucht, um den russischen Impfstoff zu überprüfen?
Ich denke nicht, dass man sagen kann, dass die Prüfung durch die EMA ungewöhnlich lange dauert. Sie benötigt allerdings alle erforderlichen Daten. Ob diese zeitnah und komplett übermittelt wurden, entzieht sich natürlich meiner Kenntnis. Der Zulassungsprozess der EMA ist ganz klar geregelt. Es gibt auch Zeitfenster, an die sich die EMA halten muss. Diese "Uhr" wird nur angehalten, wenn Daten fehlen oder zusätzliche Daten nachgefordert werden. Ein nicht zu unterschätzender Nachteil besteht auch darin, dass die abschließende klinische Prüfung des Impfstoffs (Phase III) bisher nicht angemessen publiziert wurde. Es gibt zwar Publikationen. Diese wurden aber kritisiert, da sie offensichtlich fehlerhaft waren, was wenig Vertrauen in die Daten schafft.
Könnte Sputnik V nach dem ursprünglichen Gegenwind gegen den russischen Impfstoff das Schicksal von AstraZeneca erleiden, sodass Tausende Impfdosen angesichts des mangelnden Vertrauens auf Lager liegen? Welche anderen Herausforderungen kann man von der Impfung mit Sputnik V in Deutschland erwarten?
Ich denke nicht, dass man dem Impfstoff skeptisch gegenüber stehen wird, wenn er tatsächlich eine Zulassung durch die EMA erhalten hat. Da ist es sehr wichtig, dass das Zulassungsverfahren ungestört laufen kann. Klar ist, dass der Impfstoff seiner Zeit unter sehr ungewöhnlichen Umständen auf den Markt gebracht wurde. Das hat in Europa zurecht Kopfschütteln verursacht. Dieses Manko hängt dem Impfstoff natürlich an.
Ein Problem des AstraZeneca-Impfstoffs bestand darin, dass bei der Zulassung dieses Impfstoffs nach meiner Auffassung ungewöhnliche Kompromisse gemacht wurden. Darüber ist umfangreich berichtet worden, und das hat Skepsis hervorgerufen. Hinzu kommt, dass erst kürzlich die amerikanische Zulassungsbehörde AstraZeneca öffentlich aufgefordert hat, die Daten, die der Behörde geschickt wurden, zu korrigieren, da man den Verdacht hegte, dass in den übermittelten Datenpool auch ältere Daten eingeschlossen waren. Das war ein bemerkenswerter, da äußerst ungewöhnlicher Vorgang. Tatsächlich musste die Firma die Daten korrigieren. Auch das war wenig vertrauensbildend. Daher kann ich nur dazu raten, die Zulassung geduldig abzuwarten und mit der EMA seriös zu kommunizieren.
Sputnik V ist ein sogenannter Vektorimpfstoff, nutzt Adenoviren als Vektoren und hat das gleiche Wirkprinzip wie der Impfstoff des Herstellers AstraZeneca. Welche Vorteile hat Sputnik V im Vergleich zum AstraZeneca-Impfstoff?
Der große Vorteil des Sputnik V-Impfstoffs besteht darin, dass er für die Prime- und für die Boost-Impfung zwei verschiedene Vektoren nutzt. Das ist sehr konsequent, wenn man die potentiellen Nachteile der Vektor-Technologie ernst nimmt. Diese bestehen darin, dass auch der Vektor eine starke Immunantwort induziert, die unter Umständen bereits mit der Boost-Impfung interferieren kann. Dieses Problem besteht bei dem Sputnik-V-Impfstoff nicht.
Wäre es Ihrer Meinung nach eine gute Entscheidung, Menschen, die unter 60 Jahre alt sind und bereits die erste Dosis erhalten haben, mit Sputnik V zu impfen?
Das ist zumindest eine Option. Dazu muss der Impfstoff allerdings zugelassen sein. Idealerweise sollte dieser Impfansatz auch durch eine klinische Studie getestet sein. Ob man das Ergebnis einer solchen Studie abwartet, kann ich nicht sagen. Denn die Zeit drängt.
Wie schnell wird es Ihren Prognosen nach möglich sein, die Herstellung des Impfstoffs in Deutschland aufzunehmen und nach der Zulassung mit der Impfung anzufangen?
Wenn eine Zulassung erteilt ist, ist die Verfügbarkeit des Impfstoffs der limitierende Faktor. Ich kann nicht sagen, wie schnell ein Technologie-Transfer von Russland nach Deutschland möglich sein wird.
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