"Es bleibt nur der Holzhammer": Virologe Drosten plädiert für neuen Lockdown
Angesichts der laut offizieller Statistik steigenden Corona-Zahlen mahnt der Berliner Virologe Christian Drosten schärfere Maßnahmen an. "Ich glaube, es wird nicht ohne einen neuen Lockdown gehen, um diese Dynamik, die sich jetzt ohne jeden Zweifel eingestellt hat, noch einmal zu verzögern", sagte der Charité-Wissenschaftler am Dienstag im NDR-Podcast "Coronavirus-Update."
Die Situation sei leider "sehr ernst und sehr kompliziert". Deutschland habe viel verpasst hinsichtlich der Gelegenheiten, die Werkzeuge zu optimieren. "Ich habe das Gefühl, dass wir eigentlich im Moment immer noch die gleichen Werkzeuge benutzen müssen, die wir schon in der ersten Welle benutzt haben." Es bleibe nur noch der "Holzhammer", der Lockdown.
"Es ist klar, es müssen die Kontakte reduziert werden." Dazu zählten der Privatbereich, der Erziehungs- und Bildungsbereich sowie die Arbeitsstätten. "Da gibt es viele wissenschaftliche Beiträge, die jetzt auch auf Deutschland bezogen sind." Es sei falsch, wenn gesagt werde, man wisse ja noch gar nicht, wo das Virus übertragen wird.
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Die Vorhersagen der Modelle für die dritte Corona-Welle seien leider durch die Natur noch überschritten worden, sagte Drosten. Sie habe früher begonnen, als die Modelle das vorausgesagt hätten. Noch in dieser Woche werde die Zahl der Nachweise der britischen Variante B.1.1.7 über 90 Prozent erreichen. "Das ist natürlich alles andere als beruhigend." Die Variante B.1.1.7 sei zudem eindeutig gesundheitsgefährdender und auch tödlicher als das Ursprungsvirus.
Die anderen, in Südafrika und in Brasilien entdeckten Varianten lägen in Deutschland immer noch im Bereich von einem Prozent oder niedriger. "Die haben sich überhaupt nicht vermehrt", sagte Drosten. In Indien verbreite sich gerade eine Variante, über die den Wissenschaftlern aber noch wenig bekannt sei, auch sie scheine den Antikörpern des Immunsystems zum Teil entgehen zu können. Drosten sieht jedoch darin keinen Grund zur Beunruhigung: Mit einem leichten "Impfstoff-Update" könnten die Hersteller wahrscheinlich dieser und anderen Varianten auf der Welt mit wenig Aufwand etwas entgegensetzen.
Als Ausweg aus der Krise sieht er Modellversuche in kleineren Städten mit kostenlosen Schnelltests. Sie könnten vor dem Einkaufen oder dem Besuch im Biergarten durchgeführt werden. Wichtig sei aber eine wissenschaftliche Begleitung. Keines dieser Projekte habe bislang bewiesen, dass es funktioniere, betonte Drosten. Das Ziel, Menschen zu motivieren, sich testen zu lassen, um etwa einkaufen zu gehen, sei jedoch vorerst gut.
Laut amtlichen Statistiken gibt es in Deutschland derzeit 210.700 positiv Getestete. Das Robert Koch-Institut (RKI) verzeichnete 17.051 neue Befunde innerhalb von 24 Stunden. Die sogenannte 7-Tage-Inzidenz liegt bundesweit aktuell bei 132,3 und damit etwas niedriger als am Vortag. Die Zahl der als systematisch unzuverlässig geltenden Antigen-Schnelltests wurde in den vergangenen Wochen erheblich ausgeweitet.
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(rt/dpa)
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