Deutsche Staatsbürgerschaft kein Thema? Syrischer Flüchtling zieht Bundestagskandidatur zurück
Anfang Februar hatte der 2016 als syrischer Flüchtling nach Deutschland gelangte Tareq Alaows in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) erklärt, er wolle für die Grünen im nordrhein-westfälischen Wahlkreis Oberhausen-Dinslaken als Direktkandidat für den Bundestag antreten. Er wolle die Stimme derer sein, die in Deutschland als Flüchtlinge leben, denn:
"Die Leute, die bisher über die Migrations- und Flüchtlingspolitik entschieden haben, wissen nicht, wie man sich fühlt, wenn man fliehen muss."
Das Ertrinken im Mittelmeer müsse verhindert werden, hatte Alaows weiter gesagt. Auch dürfe es Situationen wie in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln oder auf dem Balkan, "wo es den Menschen an wirklich allem fehlt und sie vollkommen entrechtet werden", nicht mehr geben. Alaows hatte noch in Syrien ein Jurastudium abgeschlossen. Für seine spätere Flucht habe es nicht den einen Auslöser gegeben, vielmehr habe "die ganze Entwicklung im Land" dazu beigetragen.
Ich kandidiere als erste aus Syrien geflüchtete Person für den #Bundestag. #kandidat@Die_Gruenenpic.twitter.com/GNrXCbtlJX
— Tareq Alaows (@Tareq_Alaows) February 2, 2021
Jetzt zog er seine Bewerbung jedoch zurück, wie zunächst die Welt berichtete. Grund hierfür seien "massive Rassismuserfahrungen", die ihn "erschreckt" hätten. Alaows führt aus:
"Die hohe Bedrohungslage für mich, und vor allem für mir nahestehende Menschen, ist der wichtigste Grund für die Rücknahme meiner Kandidatur."
Doch das konkrete Ausmaß der Bedrohungslage sei unklar, wie der Focus berichtet. Die zum Teil heftigen Reaktionen auf die Kandidatur in sozialen Medien seien zudem vor allem erst nach dessen Anregung zu verzeichnen gewesen, die Inschrift „Dem Deutschen Volke“ am Reichstagsgebäude in „Für alle Menschen, die in Deutschland leben“ zu ändern. Und dies ist eine Forderung, die – wenig überraschend – für viele Menschen insbesondere aus dem bürgerlich-konservativen Lager in hohem Maße provokant sein dürfte.
Alaows hatte den Vorschlag später zurückgezogen. In einer auf der Webseite der Grünen Dinslaken veröffentlichten Erklärung spricht er nun von einem Mangel an "diskriminierungsfreien Räumen in allen Bereichen des Lebens". Alaows erklärt:
"Die große öffentliche Aufmerksamkeit für meine Kandidatur hat gezeigt, was für uns, geflüchtete Menschen, möglich sein kann. In unserer Gesellschaft mangelt es leider an diskriminierungsfreien Räumen in allen Bereichen des Lebens. Es ist an uns allen, dies konkret in unserem Umfeld anzugehen und zu verändern."
Doch tatsächlich scheinen auch andere Gründe für den Rückzug des Juristen vorzuliegen. Der Grünen-Kandidat verfügt nämlich nicht über die deutsche Staatsbürgerschaft – ein Umstand, über den in Mainstream-Medien nur selten berichtet wird und wenn, dann nur so, als ob es sich dabei um eine Nebensächlichkeit handele. Noch im RND-Interview hatte Alaows erklärt:
"Die deutsche Staatsangehörigkeit habe ich beantragt. Meine Rechtsanwältin erwartet einen positiven Entscheid im ersten Quartal 2021. Das ist natürlich sehr wichtig für meinen Wahlkampf. Spätestens am Tag der Wahl muss ich deutscher Staatsbürger sein."
Dem Wahlkreiskandidaten scheint damit also zumindest bekannt gewesen zu sein, dass die deutsche Staatsbürgerschaft eine zwingende Voraussetzung für eine Kandidatur zum Deutschen Bundestag ist. Ob Alaows über die Modalitäten des Erwerbes der deutschen Staatsbürgerschaft eventuell unzureichend beraten worden ist oder seine damaligen Äußerungen schlicht auf einer etwas zu euphemistischen Einschätzung über die Bearbeitungsdauer von derartigen Anträgen basierte, kann nicht abschließend geklärt werden. Denn Alaows steht für Anfragen nicht zur Verfügung. Auf der Webseite der Grünen Dinslaken heißt es dazu:
"Aufgrund des Schutzes von Herrn Alaows und seines privaten Umfelds zieht sich Herr Alaows für einen gewissen Zeitraum aus der Öffentlichkeit zurück. Deswegen steht weder er noch sein Team für Nachfragen zur Verfügung. Wir bitten Sie um Respekt vor dieser Entscheidung und von weiteren Anfragen bis auf Weiteres abzusehen."
Für die Grünen spielt die scheinbar nicht vorhandene deutsche Staatsbürgerschaft ihres bisherigen Kandidaten aber offenbar keine Rolle. Allein der Rassismus in der Gesellschaft sei hier maßgebend. So sozialisierten sich bereits mehrere führende Parteimitglieder mit Alaows, wie der Tagesspiegel berichtet. So habe etwa der langjährige Parteivorsitzende Cem Özdemir auf Twitter geschrieben, er sei "traurig", habe aber "volles Verständnis" für die Entscheidung. Und weiter:
"Meine Wut schmälert das nicht & ich kann allen Rassisten keine Entwarnung geben, denn wir machen weiter!"
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