"Fall Relotius" beim NDR – Dokumentarfilm "Lovemobil" über Prostituierte war eine Inszenierung
Der preisgekrönte und vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) mitproduzierte Kino-Dokumentarfilm "Lovemobil" der Autorin Elke Margarete Lehrenkrauss zeigt in weiten Strecken Szenen, die nicht authentisch sind, teilte der NDR in einer Stellungnahme am Dienstag mit.
Auslöser für die kritische Untersuchung des Films waren Recherchen der NDR-Redaktion STRG_F, die Informationen aus dem Umfeld der Produktion bekommen hatte und nach eigenen Nachforschungen auf Unstimmigkeiten stieß. Im Interview mit STRG_F räumte Lehrenkrauss ein, es versäumt zu haben, den NDR über die Inszenierungen zu informieren. Sie bereue das und behauptet zugleich, der NDR habe nicht nachgefragt.
Der Film von Lehrenkrauss über die Lebenswelt der angeblichen Sexarbeiterinnen "Milena" und "Rita", die an der B188 in der Nähe von Gifhorn in einem Wohnwagen anschaffen sollen, wurde auf mehreren Festivals gezeigt. Am 8. Dezember lief die Doku im Programm des NDR und war bis zur seiner Löschung am Dienstag im Videothek des Senders verfügbar.
STRG_F stelle am Dienstag Ergebnisse der Recherche in Form einer Reportage ins Netz. In ihrem "Film über den Film" sprechen die Redakteure mit mehreren Protagonisten von "Lovemobil", der Autorin, einer Editorin und einem NDR-Redakteur, der den Film abnahm, und kommen zu dem Schluss, dass fast alle Protagonisten im Film, einschließlich zweier angeblichen Sexarbeiterinnen, Freiern und Zuhältern, Darsteller waren. Allerdings verteidigte Lehrenkrauss gegenüber STRG_F ihre Vorgehensweise:
"Ich kann mir auf jeden Fall nicht vorwerfen, die Realität verfälscht zu haben, weil diese Realität, die ich in dem Film geschaffen habe, ist eine viel authentischere Realität."
Nun stellt der Sender fest: Die Prostituierte "Rita" im Film "Lovemobil" sei keine Prostituierte, und laut Autorin Lehrenkrauss soll "Rita" Geschichten von anderen Prostituierten nachgespielt haben. Auch "Milena" arbeite nicht wie im Film dargestellt als Prostituierte in einem Wohnmobil an der B188/B4 bei Gifhorn, sondern war nur für die Dreharbeiten in Niedersachsen. Bei einem der gezeigten "Freier" solle es sich um einen Bekannten der Autorin handeln.
"'Lovemobil' soll zwar auf Basis von langjährigen Recherchen der Autorin entstanden sein, aber zentrale Protagonistinnen des Films schildern nicht ihre persönlichen Erfahrungen, sondern spielen eine Rolle. Zahlreiche Situationen sind nachgestellt oder inszeniert", fasst der Sender zusammen und fügt zu seiner Stellungnahme die Bewertung von Frank Beckmann aus der Programmdirektion Fernsehen hinzu:
"Der Film 'Lovemobil' entspricht nicht den Standards, die der NDR an dokumentarisches Erzählen anlegt. Er gaukelt dem Publikum eine Authentizität vor, die er nicht hat."
Der Südwestrundfunk (SWR) überprüft indes die Vergabe des Deutschen Dokumentarfilmpreises an die Filmemacherin im vergangenen Jahr. Auch die Nominierung für den Grimme-Preis wird dem Film entzogen. "Nach Kenntnisnahme der massiven Vorwürfe rund um den Film 'Lovemobil' hat die Nominierungskommission entschieden, der Produktion aufgrund schwerwiegender Verstöße die Nominierung zu entziehen", teilte die Grimme-Direktorin Frauke Gerlach der dpa mit.
Der Verein für soziale und politische Rechte von Prostituierten "Doña Carmen e.V." erinnert im Zusammenhang mit dem Schwindel beim NDR an den Fall Relotius beim Nachrichtenmagazin Spiegel. Mit der Lügen-Doku "Lovemobil" habe der NDR nun seinen eigenen "Fall Relotius". Die porträtierten Frauen hätten niemals als Sexarbeiterinnen gearbeitet. Was dem Publikum als deren persönliche Erfahrung vorgegaukelt worden sei, sei inszeniert gewesen, stellt der Verein laut SNA Nachrichten in einer Pressemitteilung klar:
"Damit hat die Regisseurin des Films nicht nur den NDR düpiert und das Publikum zum Narren gehalten. Sie hat damit auch ihre abgrundtiefe Missachtung von Sexarbeiterinnen dokumentiert, denen sie – natürlich unter dem Deckmantel der Empathie – ihre angebliche 'authentische Realität' überstülpt."
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