"Wir haben uns dumm und dämlich verdient": FFP2-Masken-Verteilung brachte Apotheken Millionengewinne
Im Dezember, Januar und Februar spendierte die Bundesregierung auf Geheiß des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) Millionen von Bürgern FFP2-Masken. Laut einer Recherche von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung (SZ), die bei tagesschau.de veröffentlicht wurde, kostete diese Aktion deutsche Steuerzahler mehr als zwei Milliarden Euro. Den Apothekern wurden hingegen "gigantische Gewinne" beschert: Pro Maske, die im Einkauf zwischen ein und zwei Euro kostete, sollen sie sechs Euro erstattet bekommen haben.
In der Publikation des Rechercheberichts kommt der Pharmazeut Detlef Glaß zu Wort, der in Berlin drei Apotheken besitzt. Er berichtet über einen wahren Geldsegen im Dezember letzten Jahres – Gesundheitsminister Spahn habe ihm Einnahmen von 170.000 Euro beschert. Für die Verteilaktion im Dezember habe Glaß FFP2-Masken "für ein bis 1,50 Euro eingekauft" und gratis an die annahmeberechtigten Personen verteilt. Da der Bund aber einen Erstattungspreis von sechs Euro pro Maske gewährte, äußert Glaß:
"Wir haben uns dumm und dämlich verdient."
Laut WDR, NDR und SZ habe das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Summe von sechs Euro pro FFP2-Maske über eine "Preisprobenstichanalyse" ermittelt. Diese wurde erstellt von den Wirtschaftsprüfern EY, die das BMG bereits in der Beschaffung von Schutzausrüstung berieten. In den Unterlagen des Ministeriums haben sich zwei Präsentationen befunden, in denen EY-Berater die Preise verschiedener Maskentypen zu bestimmten Stichtagen aufbereitet haben. Als Quellen dienten Online-Preisvergleichsportale wie idealo.de, geizhals.de, und restposten.de. Die Berater ermittelten Anfang Oktober einen Durchschnittspreis von 4,29 Euro beziehungsweise 1,22 Euro im Großhandel in einer weiteren Preisermittlung vom 25. November.
Die Differenz zwischen dem erhobenen möglichen Einkaufspreis von 1,22 und dem Erstattungspreis von sechs Euro erklärt das BMG nach Angaben von WDR, NDR und SZ damit, dass man die 4,29 Euro zugrunde gelegt und darauf die Arbeitskosten der Apotheker pauschal hinzugefügt habe. Das Beraterunternehmen EY wollte sich auf Anfrage der Medienanstalten nicht äußern.
Aus von WDR, NDR und SZ gesichteten Unterlagen geht hervor, dass Bundesgesundheitsministers Spahn die gesamte Masken-Verteilaktion zu einer Art Chefsache machte. Obwohl die BMG-Mitarbeiter sich gegen die gesamte Aktion aussprachen, setzte Spahn diese durch. Anfang November warnte ein Fachreferat des BMG Spahn vor "gravierenden Finanzwirkungen" und verwies darauf, dass viele Anspruchsberechtigte "durchaus in der Lage sind", die Masken "selber zu finanzieren". Acht weitere Referate unterstützten das klare Votum zum "Verzicht auf die Verordnungsfähigkeit von FFP2-Schutzmasken". Die Tagesschau berichtet:
"Doch mit grünem Stift notierte Spahn handschriftlich auf die Vorlage: 'Nein, bitte um kurzfristige Erarbeitung eines ÄA'. Das Kürzel steht für 'Änderungsantrag'. Und das Wort 'kurzfristig' hatte Spahn extra unterstrichen."
Der Rest ist Geschichte: Am 16. November wurde auf der Bund-Länder-Beratung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel beschlossen, dass der Bund die Abgabe von insgesamt 15 FFP2-Masken pro Person für vulnerable Gruppen finanziert. Die Tagesschau konstatiert:
"Alternativen wurden dabei offenbar nicht geprüft. Das Bundesgesundheitsministerium legte sich fest, dass die Masken über die Apotheken abgegeben werden und dass diese dafür pro Maske sechs Euro erstattet bekommen."
Dabei hatte es laut der Recherche alternative Angebote gegeben – so zum Beispiel von der Drogeriekette dm. Dm-Chef Christoph Werner sagte gegenüber WDR, NDR und SZ, er habe der Bundesregierung angeboten, den Verkauf von zertifizierten FFP2-Masken zu übernehmen. Statt sechs Euro pro Maske hätte der Bund dafür nur etwas mehr als einen Euro bezahlen müssen. Ob das Angebot von dm eingegangen ist, wollte das BMG auf Anfrage von WDR, NDR und SZ nicht bestätigen. Ein BMG-Sprecher teilte lediglich mit, man habe sich für die Apotheken entschieden, weil aus der Gratisabgabe der Masken "erhebliche Anforderungen" entstünden, besonders bei der Beschaffung, Qualitätsprüfung, Patientenberatung und der Entgegennahme von Coupons. Bei Discountern seien die Strukturen dafür "nicht beziehungsweise nicht im selben Umfang" vorhanden.
Stattdessen wurde ein komplizierter Weg gewählt, wie die Tagesschau berichtet: Die Abgabe von 15 Masken pro Person wurde in drei Phasen unterteilt. Im Dezember konnte jeder über 60 Jahren drei Masken in der Apotheke gratis abholen. Der Bund ging davon aus, dass 27,3 Millionen Menschen in Deutschland anspruchsberechtigt seien. Entsprechend überwies er 491,4 Millionen Euro an den Apothekerverband, der das Geld wiederum an die Apotheken verteilte. Egal wie viele Masken sie abgaben, sie erhielten einen festen Anteil aus Bundesmitteln: Im Schnitt gab es mehr als 25.000 Euro für jede Apotheke in Deutschland.
Darauf folgten die Phasen zwei und drei, in denen anspruchsberechtigte Bürger zweimal jeweils sechs Gutscheine von ihrer Krankenkasse erhielten, die sie dann in der Apotheke einlösen konnten. Allein das Drucken der fälschungssicheren Gutscheine durch die Bundesdruckerei kostete rund 9,3 Millionen Euro. Für die ersten sechs Masken erhielten die Apotheker weitere 36 Euro pro Person, für die zweiten sechs Masken 23,40 Euro. Der Apotheker Glaß bringt es auf den Punkt: Diese Rechnung sei für die Apotheken "sehr gut aufgegangen".
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