Deutschland

Zulässig oder nicht? – Debatte über Privilegien für Geimpfte

Das bundesweite Impfen läuft und immer mehr rückt eine Diskussion in den Fokus: Kann es für jene, die sich gegen SARS-CoV-2 immunisieren lassen, Vorteile geben? Kann der Staat überhaupt verhindern, dass einem Nicht-Geimpften der Zutritt in ein Restaurant verwehrt wird?
Zulässig oder nicht? – Debatte über Privilegien für GeimpfteQuelle: www.globallookpress.com © Peter Gercke / dpa-Zentralbild

Bis Dienstag haben in Deutschland nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) 41.962 Menschen die erste Dosis des Impfstoffs von BioNTech und Pfizer gegen das Coronavirus erhalten. Derzeit werden hierzulande nur Pflegebedürftige, über 80-Jährige und medizinisches Personal geimpft. Pro Person sind zwei Impfungen im Abstand von drei Wochen nötig. Bis zum Jahreswechsel sollen laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn 1,3 Millionen Dosen zur Verfügung stehen.

Schon jetzt aber nimmt neben der Debatte, ob überhaupt genug Impfstoff derzeit vorhanden ist, eine weitere Diskussion an Fahrt auf: Können oder gar sollen die Corona-Geimpften bevorzugt behandelt werden? Gemeint sind hier etwa Flugreisen oder Besuche von Kulturveranstaltungen. Können jene, die sich gegen das Virus immunisieren lassen, etwa Restaurants besuchen, während den Nicht-Geimpften die Bewirtung im gleichen Lokal untersagt wird? Dürfen Privatunternehmen mittels ihres Hausrechts Nicht-Geimpfte ausschließen oder anderweitig benachteiligen? Ernst neulich hatte die australische Fluggesellschaft Qantas angekündigt, auf bestimmten Strecken nur noch geimpfte Passagiere mitzunehmen.

Bundesgesundheitsminister Spahn nannte die Debatte "durchaus richtig und wichtig". Der privat-gewerbliche Bereich habe in dieser Frage mehr Spielraum, sagte der CDU-Politiker in einer Sendung bei Bild-Live. Nach seinem juristischen Verständnis wäre etwa eine Pizzeria nur für Geimpfte "das, was möglich ist". Im öffentlichen Bereich und bei der Daseinsvorsorge, also etwa in Krankenhäusern, Rathäusern oder dem öffentlichen Nahverkehr, könne man aus seiner Sicht aber keinen Unterschied zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften machen. Er fügte hinzu, dass unklar sei, ob jene, die sich immunisieren lassen, weiterhin andere anstecken könnten.

Tatsächlich ist das bisher nicht geklärt. Das Robert Koch-Institut hält dies für möglich. Der Impfstoffhersteller BioNTech erwartet dazu erst im Februar Forschungsergebnisse.

Das mache "einen ganz entscheidenden Unterschied", erklärte Spahn weiter gegenüber Bild. Er empfehle, die Erkenntnisse dazu abzuwarten.

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hält eine Einschränkung von Bürgerrechten für Geimpfte für unzulässig, wenn diese nicht mehr ansteckend sein sollten. So sagte er der Zeitung am Mittwoch: 

"Sobald gesichert ist, dass von Geimpften keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht, gibt es verfassungsrechtlich keine Legitimation mehr, die Betroffenen in ihren Grundrechten weiter zu beschränken."

Er habe "verfassungsrechtliche Bedenken, wenn der Staat Privaten vorschreibt, welche Privilegien sie gewähren dürfen – solange diese nicht zur Verschärfung des Infektionsgeschehens führen". Aus der Union und SPD hieß es jedoch, man will ein gesetzliches Verbot von Sonderrechten für Men­schen mit Corona-Impfung prüfen. So sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, gegenüber der Welt: 

"Die SPD-Fraktion prüft derzeit gesetzliche Maßnahmen, wie Ungleichbe­hand­lungen von Nicht-Geimpften und Geimpften durch die Privatwirtschaft ausgeschlossen werden könnten."

Volker Ullrich, rechtspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe, sagte:

"Für den Staat gilt schon heute ein allgemeines Diskriminierungsverbot. Es verbietet sich deswegen von vorneherein, zum Beispiel im ÖPNV nach Geimpften und Nicht-Geimpften zu unterscheiden. Im privaten Bereich gibt es hingegen eine Regelungslücke, die wir adressieren müssen."

Der SPD-Politiker Fechner sieht etwa in der Ergänzung im Bürgerlichen Gesetzbuch, die die Zulässigkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) regelt, eine denkbare Lösung. So sagte er der Zeitung: "Hier könnte man festlegen, dass zum Beispiel AGBs unzulässig sind, die den Transport von Personen an den Impfstatus knüpfen."

Auch "eine Klarstellung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, dass niemand benachteiligt werden darf, der sich nicht impfen lässt", sei denkbar. Erst vor wenigen Tagen sprach sich Bundesinnenminister Horst Seehofer entschieden gegen Sonderrechte für Geimpfte aus. Er warnte auch private Unternehmen wie Fluglinien oder Restaurants davor, Privilegien für jene, die sich immunisieren lassen, zu erteilen, denn dies spalte die Gesellschaft.

Auch die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, äußerte sich zu diesem Thema. In einem Interview mit dem Tagesspiegel sagte die studierte Ärztin und Professorin für Medizinethik und Gesundheitstechnologien an der TU München:

"Gesetzt den Fall, die Impfung vermeidet sicher, dass andere angesteckt werden und jede und jeder hätte die Möglichkeit, sich impfen zu lassen – diese Möglichkeit haben Sie und ich ja im Moment gar nicht! – dann wird sicher darüber diskutiert werden, ob private Unternehmen Geimpfte anders behandeln dürfen, etwa Fluglinien oder Restaurants. Und auch, ob das bei staatlichen Institutionen möglich und zulässig wäre."

Laut Buyx sei dann darüber eine umfassende gesellschaftliche Debatte nötig.

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