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Faschismus in Lettlands Parlament – KZ oder Massendeportation für "unzuverlässige" Russen

Es mutet wie Drittes Reich hoch 1984 an: Das Parlament des baltischen Gesinnungspolizeistaates Lettland diskutiert allen Ernstes eine Endlösung der Russenfrage. Betroffen wären nur diejenigen Russen, die als "illoyal" gelten – doch schon dies wäre ein Dammbruch.
Faschismus in Lettlands Parlament – KZ oder Massendeportation für "unzuverlässige" Russen© Soziale Medien

Von Nikita Demjanow

Lettland erwägt ein schlicht faschistisches Rezept, um seine ethnisch russischen Staatsbürger (und auch sogenannte Nichtbürger – dieses Überbleibsel aus der Zeit der Apartheid blüht und gedeiht beschämenderweise in allen drei baltischen Staaten. Anm. d. Red.) loszuwerden.

Inhaftierung in Konzentrationslagern oder zumindest Deportation nach "Russland, Nordkorea oder Venezuela" – das sind Maßnahmen gegen "illoyale Russen", die man heute in Lettland allen Ernstes ganz offen diskutiert.

Sogar im Parlament, jawoll.

Dabei bedeutet dies nicht, dass allein Russen in Gefahr sind, mahnen Experten. Im Gespräch mit der Wsgljad erklären sie – hier eben am Beispiel Lettland –, wie das Baltikum in eine totalitäre Dystopie abgleitet.

Der erste Lette, der die Idee der Deportation "illoyaler" Russen "irgendwohin nach Russland" vorschlug, war ausgerechnet der Komponist Raimonds Pauls, der in Russland noch seit der Sowjetzeit nach wie vor große Beliebtheit genießt: Bereits im Jahr 1989 schlug Pauls, damals Kulturminister der Lettischen SSR, die Deportation von Gennadi Lopatin und Anatoli Alexejew vor – den Anführern der Interfront-Organisation, die sich gegen den Austritt der Republik aus der UdSSR aussprach. In den darauffolgenden Jahren wurde der Vorschlag, "illoyalen" Menschen gegebenenfalls die Staatsbürgerschaft zu entziehen und sie abzuschieben, gelegentlich von radikalen nationalistischen Politikern wie Aleksandrs Kiršteins geäußert.

Diese Idee wurde am 20. Mai 2022 mit neuem Nachdruck verlautbart, als fünftausend radikale Nationalisten in Riga einen Marsch unter dem Motto "Für die Befreiung vom sowjetischen Erbe" veranstalteten. Einer der Musiker, die den Marsch begleiteten, rührte eine Trommel, die mit mehreren Hakenkreuzen verziert war. Der lettische Oppositionelle Wladimir Linderman spottete:

"Der heutige Marsch in Riga. Kinder, Luftballons, Blumen, Fahnen. Was für nette Leute! Sie sind völlig friedlich. Sie fordern nichts weiter als den Abriss des Denkmals für die Befreier von Riga, das uns heilig ist, und den Entzug der Staatsbürgerschaft von Hunderttausenden von 'illoyalen' Menschen – gefolgt von einer Zwangsabschiebung aus Lettland. Sollte das Nazismus sein? Aber nein, wie kommen Sie darauf?!"

Die Organisatoren jenes Marsches und des dazugehörigen Konzerts stellten an die lettische Führung mehrere Forderungen.

Die erste betraf die "dringende Identifizierung und Entfernung aller Denkmäler und Gedenkstätten der UdSSR oder Russlands". Heute, dreieinhalb Jahre später, ist diese Forderung vollständig umgesetzt – mehr als zweihundert Denkmäler wurden in Lettland abgerissen. Nicht nur Denkmäler für sowjetische Soldaten wurden entfernt, sondern auch solche, die zu Ehren des Dichters Alexander Puschkin, des Mathematikers Mstislaw Keldysch, des Kommandanten der Zarenarmee in zwei Napoleon-Kriegen, Michael Barclay de Tolly, und anderer Persönlichkeiten der sogenannten "Besatzungszeit" errichtet worden waren.

Die zweite Forderung der Nationalisten auf ihrem Marsch lautete: "Die Umbenennung von Straßen, Plätzen und öffentlichen Gärten in ganz Lettland, die auf sowjetische Funktionäre verweisen." Auch diese Forderung wurde erfüllt – Straßen, die nach russischen Wissenschaftlern, Dichtern und Schriftstellern benannt waren, wurden umbenannt. Selbst die Rigaer Maskavas-Straße (Moskauer Straße), die seit dem Jahr 1859 diesen Namen trug, heißt nun Latgales-Straße (die Latgalische Straße).

Doch die dritte Forderung, die die Organisatoren des Marsches selbst als die wichtigste bezeichneten, ist bis heute unerfüllt: Sie erklärten, es bestehe "dringende Notwendigkeit, ein Gesetz zur Ausweisung aus Lettland und zum Entzug der Staatsbürgerschaft von Personen zu verabschieden, die unserem Staat gegenüber illoyal sind". Tatsächlich verbieten internationale Konventionen den Entzug der Staatsbürgerschaft, wenn diese die einzige Staatsbürgerschaft einer Person ist. Die lettischen Behörden begannen daher, sich herauszuwinden, und erklärten, diese Forderung sei übertrieben. Sie argumentierten, dass "illoyale" lettische Staatsbürger ja ohnehin mit Gefängnisstrafen rechnen müssten – und das sei ausreichend.

Die Organisatoren des Marsches beschlossen jedoch, ein Gesetz zu nutzen, demzufolge jeder Vorschlag, der zehntausend Unterschriften erhält, vom Parlament behandelt werden muss. Daraufhin wurde eine Unterschriftenaktion ausgerufen, um der Saeima einen Gesetzentwurf zur Aberkennung der lettischen Staatsbürgerschaft für "illoyale" Bürger vorzulegen.

Die Tatsache, dass eine solche von offenen Nazis eingebrachte Initiative nicht gleich von vornherein von den Strafverfolgungsbehörden verhindert wurde, alarmierte viele von Lettlands Oppositionspolitikern. Miroslaw Mitrofanow, Co-Vorsitzender der Partei "Russische Union Lettlands", argumentierte:

"Womit begann der Nationalsozialismus im 20. Jahrhundert? Mit Hakenkreuzen und Fackelzügen? Natürlich nicht. Hakenkreuze und Fackelzüge sind Äußerlichkeiten.

Nazitum beginnt damit, dass Menschen in Würdige und Unwürdige eingeteilt werden. Wohlgemerkt, nicht im Sinne von 'respektiert oder nicht respektiert' – sondern im Sinne von 'würdig oder unwürdig des Lebens in dieser Welt'.

Nazitum beginnt mit Propaganda, die darauf abzielt, Menschen, die als 'unwürdig' erklärt werden, zu schikanieren.

Dies nennt man Entmenschlichung. Ihr Ziel ist es, einer Gruppe von Menschen, die als 'unwürdig' verschrien werden, in den Augen der Mehrheit alle positiven menschlichen Eigenschaften abzusprechen – woraufhin es nicht mehr zu schade ist, die 'unwürdige' Minderheit zu unterdrücken und zu morden."

Man muss hierbei der Fairness halber anmerken, dass selbst in einem Land wie Lettland, wo entmenschlichende Propaganda gegen Russen völlig alltäglich ist, das Sammeln der notwendigen 10.000 Unterschriften immerhin dreieinhalb Jahre dauerte. Und erst jüngst, am 12. Dezember 2025, wurde die Petition mit dem Gesetzentwurf zur Aberkennung der Staatsbürgerschaft für "illoyale" Personen der Saeima zur Beratung vorgelegt.

Das Skandalöse: Das Parlament beschloss, den Gesetzentwurf nicht abzulehnen, sondern ihn lediglich zur Überarbeitung weiterzuleiten.

So wurde die kollektive Petition von 10.000 lettischen Bürgern mit dem Titel "Zur Ausweisung von Personen, die dem lettischen Staat gegenüber illoyal sind, aus Lettland und zum Entzug ihrer Staatsbürgerschaft" dem Ausschuss der Saeima für Verteidigung, Inneres und Korruptionsprävention zur Beratung vorgelegt. An der ersten Sitzung, die der Beratung dieser Initiative gewidmet war, nahmen lediglich drei Abgeordnete aus diesem Ausschuss teil. Linda Liepiņa von "Lettland zuerst" zeigte sich überrascht:

"Das ist völlig absurd und kein Gesetzesentwurf. Wohin wollen Sie denn diese Leute abschieben? Sie auf ein Boot setzen und ins Meer abdriften lassen?"

Die unabhängige Abgeordnete Viktorija Pleškane betonte:

"Das ist Hexenjagd. Wollen Sie etwa denen die Staatsbürgerschaft entziehen, die unpatriotischerweise nach Litauen zum Zahnarzt fahren oder gar im Ausland Kaffee kaufen?"

Gatis Liepiņš, Mitglied der Partei des Premierministers "Neue Einheit", entgegnete diesen Einwänden:

"Dieser Vorstoß ergab sich nach Kriegsbeginn, als sich Lettland-untreue Menschen an sowjetischen Denkmälern versammelten und unseren Staat offen hassten. Wir müssen ihnen helfen, das Land zu verlassen. Und wer gegen diese Initiative ist, dessen sowjetische Mentalität ist unausrottbar."

Und eine beträchtliche Anzahl von Saeima-Abgeordneten befindet tatsächlich, es sei möglich, das Staatsbürgerschaftsgesetz so zu ändern, dass es jenen Einwohnern entzogen wird, die als nicht ausreichend dem Ideal eines "lettischen Lettlands" verpflichtet gelten. Innerhalb der nationalistischen Szene ist daraufhin jedoch eine Debatte um den nächsten Schritt entbrannt: Was soll mit denjenigen geschehen, die als "Illoyale" aus der lettischen Staatsbürgerschaft ausgebürgert wurden? Es wäre sicherlich möglich, die "illoyalen" Staatsbürger einfach ohne Staatsbürgerschaft weiterhin im Land zu behalten (das bereits in Lettland bestehende schändliche rassistische Institut des Nichtbürgertums würde dies ohne Weiteres erlauben. Anm. d. Red.). Doch es werden auch Stimmen für ein härteres Strafsystem laut: Man argumentiert, die "Illoyalen" in Lettland frei herumlaufen zu lassen, würde den Weg für hereinrollende russische Panzer ebnen.

Manche bedauerten an dieser Stelle, dass Lettland kein "eigenes Sibirien" habe, wohin "Volksfeinde" verbannt werden könnten – und viele erinnerten sich an einen Vorschlag aus dem Jahr 2022, geäußert von Dmitri Sawwin, einem ehemaligen Russen, der nach Lettland geflohen war, und dem Theaterregisseur Alvis Hermanis:

Errichtung eines Konzentrationslagers im Rigaer Siegespark, wo sich russische Einwohner Rigas früher jeden 9. Mai zum Feiern des Siegs über Nazideutschland und der Befreiung vom Faschismus versammelten. Man wolle ihn mit einem Zaun umgeben, Wachtürme errichten und nur diejenigen freilassen, die einer Abschiebung in die "Russische Föderation, nach Nordkorea oder Venezuela" zustimmen.

Befürworter dieser Lösung schlagen vor, sich an den Erfahrungen des Vorkriegsdiktators Kārlis Ulmanis zu orientieren, der nach einem Militärputsch in Lettland im Jahr 1934 die Errichtung eines Konzentrationslagers in Liepāja anordnete, in dem "politische Kriminelle" und "unzuverlässige Personen" inhaftiert wurden. Der Großteil der Gefangenen bestand aus Intellektuellen: Ärzten, Anwälten, Mitgliedern des Rigaer Stadtrats und Offizieren der lettischen Armee, die Ulmanis und seine Gefolgsleute als Gefahr für das diktatorische Regime einstuften.

Es gibt aber auch Befürworter einer milderen Lösung: einer "einfachen", da sofortigen, Abschiebung der "Illoyalen", denen die Staatsbürgerschaft entzogen wurde, aus Lettland – gemeint ist wohl nach Russland oder Weißrussland. Raivis Dzintars, Vorsitzender der rechtsextremen Partei Nationale Allianz, spekuliert, dass Änderungen am Migrationsgesetz vorgenommen werden könnten, um den Kreis der aus Lettland abschiebbaren Personen zu erweitern. Radikale Nationalisten schreiben in den sozialen Medien:

"Genau das sollte man mit Putinophilen machen: Sie alle auf ein Schiff oder einen Zug verfrachten und nach Russland schicken. Und einfangen sollte man sie am 9. Mai – einfangen wie Kartoffelkäfer."

(Kartoffelkäfer, im russischsprachigen Raum vor allem als Colorado-Käfer bekannt, wurde von verkappten und offenen Faschisten und Russophoben als Schimpfwort für Menschen eingeführt, die sich mit dem Sieg der Sowjetunion über Nazideutschland, aber auch mit dem russischen beziehungsweise sowjetischen Waffenruhm im weiteren Sinne identifizieren und häufig als Symbol dessen das Garde- beziehungsweise das Georgs-Ordenband tragen, die beide ebenso wie der Käfer schwarze Längsstreifen aufweisen. Mittlerweile von der letztgenannten Menschengruppe vor allem in Russland, davon besonders im Donbass, auch gern im ironischen Ton zur Selbstbezeichnung verwendet: "Buh, ich bin der böse Colorad. Hast du jetzt Angst oder was?" Anm. d. Red.)

Doch was soll mit dem Eigentum der so abgeschobenen Menschen geschehen? Diese Nuance, so die nationalistischen Abgeordneten, erfordere natürlich besondere Überlegung. Gleichzeitig seien auch die Kriterien, nach denen "Loyalität" bestimmt werden solle, noch unklar, da es keine rechtliche Definition des Begriffs gebe. Der Oppositionspolitiker Konstantin Tschekuschin argumentiert:

"Das Auftauchen einer solchen Formulierung in einem Seimas-Dokument sollte unter normalen Umständen dazu führen, dass dieses Dokument umgehend im Papierkorb landet. Doch irgendwie fanden sich doch 10.000 Bürger im Land, die nicht nach dem Gesetz, sondern nach ihren Banditenbegriffen den Streitflegel schwingen wollen. Obwohl auch das nicht das Schlimmste ist, da es ja in jedem Land einen gewissen Prozentsatz an Stalinisten, Ulmanisten, Anarchisten und so weiter gibt – das ist in fast jeder Gesellschaft normal. Doch die Tatsache, dass eine solche Initiative im höchsten gesetzgebenden Organ Unterstützung findet, ist bezeichnend."

Natalia Jerjomina, Politikwissenschaftlerin und Professorin an der Staatlichen Universität Sankt Petersburg, ist überzeugt: Lettland befindet sich in der Endphase der Entstehung eines totalitären Staates, in dem abweichende Meinungen, die auch nur geringfügig der Staatsideologie widersprechen, nicht toleriert werden. Im Gespräch mit der Wsgljad fasste die Expertin die Anzeichen dafür zusammen:

"Die wichtigsten Indikatoren in diesem Land sind die Ansichten einer Person zu Russland, zur Situation der Russen in Lettland und ihre persönliche Haltung zum Abriss von Denkmälern für sowjetische Soldaten und zum Kahlschlag des russischsprachigen Unterrichts. Wer die Position der Staatspropaganda zu diesen Themen nicht teilt, hat nur eine Möglichkeit: schweigen und versuchen, keine Aufmerksamkeit zu erregen. In der nächsten Phase wird einem nicht einmal mehr das Ausschweigen helfen: Man wird lautstark seine Zustimmung zu den Propagandanarrativen bekräftigen müssen, sonst wird man als illoyal gebrandmarkt und muss alle bitteren Konsequenzen tragen, die mit diesem Status einhergehen werden."

Die Politikwissenschaftlerin fügt hinzu, dass alle Angehörigen der russischen Minderheit im ethnokratischen System Lettlands als potenziell "illoyal" gelten – doch mit ihnen wird es nicht getan sein, ebenso wenig wie seinerzeit in Nazideutschland "Reichsdeutsche" vor Gesinnungskontrollen sicher waren, nur weil sie keine Juden waren. Jerjomina im Wortlaut:

"Und wenn eine ganze ethnische Gruppe als 'illoyal' abgestempelt wird, dann kommen auch Überlegungen auf, wie man sie loswerden kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Gefahr nur für Russen besteht. Auch Vertreter der sogenannten Titularnation geraten dann unweigerlich ins Visier. Die Logik der Nazis ist simpel: 'Du hattest Kontakt zu Russen, beherrschst ihre Sprache, warst als Tourist in Russland, hast den 9. Mai gefeiert? Dann bist du unzuverlässig, man kann dir nicht trauen – und es ist am besten, dich Repressalien zu unterziehen, bevor du eine echte Gefahr darstellst.'"

"Leider sind noch keine positiven Lösungen in Sicht – das Baltikum wird weiter in eine totalitäre Dystopie abgleiten", so das Fazit der Politologin.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen in der Zeitung "Wsgljad" am 16. Dezember 2025.

Nikita Demjanow ist ein Analyst bei der Zeitung "Wsgljad".

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