Europa

Der tschechische Präsident und der "Preis des Krieges"

"Eben standen wir am Rande des Abgrunds ‒ jetzt haben wir einen großen Schritt nach vorn gemacht." Dieser Spruch kommt in den Sinn, wenn man die Empfehlungen des tschechischen Präsidenten hört, wie mit Russen in Europa umgegangen werden sollte.
Der tschechische Präsident und der "Preis des Krieges"Quelle: www.globallookpress.com © Daniel Vogl

Von Dagmar Henn

Es geht schrittweise, aber die Strecke ist bekannt, und man weiß, wo sie endet. Letztes Jahr war es Frau Gaub, die den Deutschen erklärte, Russen seien keine Europäer, und jetzt legt der tschechische Präsident Petr Pavel nach und empfiehlt, mit den Russen in Europa so umzugehen wie die US-Amerikaner mit den Japanern im Zweiten Weltkrieg.

Was als Allererstes die Frage auslöst, ob das die Art ist, wie in den Fluren des NATO-Hauptquartiers in Brüssel gesprochen und gedacht wird. Denn eines verbindet die beiden: Florence Gaub ist Forschungsdirektorin am NATO Defense College, und Petr Pavel verbrachte vor Amtsantritt als tschechischer Präsident drei Jahre als Leiter des Militärausschusses der NATO. Irgendwoher muss diese Denke kommen. Vielleicht ist sie noch von den Nazi-Generälen übriggeblieben, die die NATO einst mitaufgebaut haben?

Sicher, sein Büro versuchte, Pavel in Schutz zu nehmen. Werfen wir doch erst einmal einen Blick auf die Originalaussage.

"Ich glaube, dass – wie es bei einer Reihe von Konflikten in der Vergangenheit der Fall war – wenn es einen laufenden Krieg gibt, dann sollten die Sicherheitsmaßnahmen in Bezug auf Russen strikter sein als in normalen Zeiten. Alle Russen, die in westlichen Ländern leben, sollten daher weit strenger überwacht werden als in der Vergangenheit, weil sie Bürger eines Landes sind, das einen Aggressionskrieg führt. Ich denke, mir können diese Leute leidtun, aber gleichzeitig, wenn wir zurückschauen, als der Zweite Weltkrieg begann, war die ganze japanische Bevölkerung in den Vereinigten Staaten ebenfalls unter einem Regime strikter Beobachtung. Das ist schlicht der Preis des Krieges."

Auf die Nachfrage, was unter "strikter Beobachtung" zu verstehen sei, erwidert er: "Unter der genauen Überprüfung der Sicherheitsbehörden."

Irgendwie ist dann zumindest dem Büro Pavels aufgefallen, was diese Aussage beinhaltet, sodass eine Sprecherin versuchte, sie etwas abzuschwächen. Es seien nicht alle Russen gemeint gewesen, sondern nur die, die "Risikofaktoren darstellen". Und die Verknüpfung mit der Behandlung der japanischstämmigen US-Bürger sei doch eher als Illustration gemeint gewesen, dass man in der Vergangenheit wesentlich härter mit solchen Personen umgegangen sei. Der Präsident habe nicht gesagt, dass das jetzt umgesetzt werden solle, noch habe er "Internierung oder irgendeine Art der Verfolgung" gemeint.

Was er jedenfalls nicht gemeint hat, ist, die Bürger aller Länder, die Aggressionskriege führen, derart zu behandeln. Die Vereinigten Staaten führen nach wie vor einen solchen in Syrien. Demnach müssten sämtliche US-Bürger in Europa ebenfalls auf diese Weise behandelt werden. Undenkbar für Pavel, und natürlich noch undenkbarer für den CIA-Sender Radio Free Europe, der das Interview mit ihm führte.

Der Sender erwähnt sogar, dass die USA letztlich für die Internierungen 1,6 Milliarden US-Dollar an Entschädigungen zahlen mussten, nachdem das Verbrechen Ende der 1980er, also nach mehr als einer Generation, zum politischen Thema wurde. 1994 machte ein Roman Furore, der diese Geschichte und den Umgang der USA damit thematisierte: "Schnee, der auf Zedern fällt".

Aber egal, was das Büro im Nachklang geradezubiegen sucht, es gilt das gesprochene Wort. Denn das, was Pavel in seiner Aussage tut, ist, selbst zu definieren, was "Regime strikter Beobachtung" für ihn bedeutet. Und die Referenz auf die japanischstämmigen US-Amerikaner (die etwa auf Hawaii bereits in der dritten Generation lebten, ehe sie interniert wurden) verweist eben doch auf Internierungslager und ein Kriegsverbrechen.

Wobei der entscheidende Unterschied sowohl Pavels Büro als auch RFE entgeht: Nach allen öffentlichen Bekundungen befindet sich weder Tschechien noch die NATO im Krieg, sondern nur die Ukraine ‒ ein Land, das weder Mitglied der NATO noch der EU ist. Dass im Grunde genau die Einstellung, die Pavel hier vertritt, der Auslöser des ukrainischen Bürgerkriegs vor über neun Jahren war, kommt noch dazu. Wie soll man das moralisch und juristisch klassifizieren, wenn ein Staatspräsident gegenüber den Bürgern eines anderen Staates zu Handlungen aufruft, die selbst im Falle eines Kriegszustands mit diesem anderen Staat ein Kriegsverbrechen wären, und dieser Kriegszustand nun nicht einmal existiert?

Das passt natürlich zum sonstigen Vorgehen: Die Zensurmaßnahmen, die Strafverfahren, die Gleichschaltung der Medien ‒ all das geschieht wie unter Kriegsrecht, ohne dass selbiges verhängt oder auch nur die Beteiligung an einem Krieg offen erklärt würde. Kriegsrecht ohne Krieg, auf Geheiß der NATO, und zwei NATO-Funktionäre arbeiten mit Kräften an der passenden Einstellung, die irgendwie als unauffällig durchrutscht, obwohl sie beim klassischen europäischen Rassismus-Test direkt in den Abgrund führt. Aber dagegen hat man zumindest in Deutschland ja schon zu Corona-Zeiten vorgesorgt, indem man eben diese einfache Methode verteufelte.

Dennoch – man nehme Pavels Sätze und ersetze "Russen" durch "Juden". Wem das zu heikel ist, kann es auch einmal mit "Schwarze" versuchen. Es lässt sich nicht verleugnen, zuallererst handelt es sich um eine zutiefst rassistische Aussage, die sich noch dazu, ohne jede reale Rechtfertigung, auf Kriegsrecht beruft. "Das ist schlicht der Preis des Krieges."

RFE versuchte auch, das Ganze irgendwie auf russische Staatsbürger zu begrenzen. Nun, die meisten Russen in Deutschland sind aber deutsche Staatsbürger, so wie auch die in den USA internierten Japaner US-Bürger waren, was ihnen aber nichts nützte, so wie den deutschen … Wo also liegt die Grenze? Hat Herr Pavel schon seinen Globke, der ihm definiert, wer als Halb- oder Viertelrusse zu gelten habe, und ab welchem Anteil noch "strikt beobachtet" werden müsse und wann nicht mehr? Oder sitzt Globke II im NATO-Hauptquartier in Brüssel?

Und hat Herr Pavel schon vergessen, dass die Vorbilder seiner ukrainischen Freunde auch in seinem Land einen blutigen Raubzug begingen? Sagt ihm der Name Reinhard Heydrich noch etwas? Seine Altersgruppe dürfte das noch in der Schule gelernt haben, wer dieser Herr war, und dass auch Slawen im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren Slawen blieben und damit Untermenschen. Er verrät all jene unschuldigen Opfer, die nach dem Tod Heydrichs zur "Vergeltung" ermordet wurden.

Und was die schwache Ausrede betrifft, Pavel habe nicht gemeint, seine Fantasie solle jetzt umgesetzt werden – wenn dem so wäre, hätte er nicht gesagt, "mir können diese Leute leidtun". Dafür bestünde dann nämlich keine Notwendigkeit.

Nein, Pavel hat gemeint, was er gesagt hat. So wie Frau Gaub. Und wenn man ernst nimmt, was die beiden verbreiten, und wahrnimmt, dass sich solche Ansichten irgendwie in diesen Brüsseler Bürokratien ballen, denjenigen der EU und denjenigen der NATO, dann könnte man ernsthaft zu der Ansicht gelangen, dass auch Brüssel dringend entnazifiziert werden muss.

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