Europa

Auf dem Weg zu mehr Souveränität? EU plant Sanktionsinstrument gegen "wirtschaftlichen Zwang"

Hartnäckig halten Beobachter an der Meinung fest, wonach die EU in relevanten Politik-Bereichen keinesfalls eigenständig agiere. Nun stellte die EU-Kommission einen Gesetzgebungsentwurf vor, der Sanktionsinstrumente gegen "wirtschaftlichen Zwang durch Drittländer" beinhaltet. Theoretisch könnte dies auch die USA betreffen.
Auf dem Weg zu mehr Souveränität? EU plant Sanktionsinstrument gegen "wirtschaftlichen Zwang"Quelle: www.globallookpress.com

Wie es auf den Internetseiten der Europäischen Kommission heißt, wolle man sich zukünftig zur Wehr setzen, "um der Anwendung von wirtschaftlichem Zwang durch Drittländer" entgegenzuwirken. Die für Gesetzgebungsvorschläge in der Europäischen Union (EU) zuständige EU-Kommission präsentierte dazu am Mittwoch in Brüssel ein neues Sanktionsinstrument.

Es würde die Kommission ermächtigen, zum Beispiel Handels- oder Investitionsbeschränkungen gegen Drittländer zu erlassen, die bei Handels- oder Investitionsfragen in unzulässiger Weise in die politischen Entscheidungen der EU als Ganzes oder der EU-Mitgliedsstaaten eingreifen oder einzugreifen beabsichtigten. Vor allem gehe es dabei um Bereiche wie "Klimawandel, Besteuerung oder die Lebensmittelsicherheit". Bei der EU-Kommission heißt es dazu:

"Dieses Rechtsinstrument ist eine Reaktion auf die Tatsache, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten in den letzten Jahren zur Zielscheibe von bewusstem wirtschaftlichem Druck geworden sind. Es stärkt das Instrumentarium der EU und wird es ihr ermöglichen, sich auf der Weltbühne besser zu verteidigen."

Das anvisierte Ziel sei, das Recht auf eigenständige politische Entscheidungen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten zu wahren und sich gegen "schwerwiegende Eingriffe in die Souveränität der EU oder ihrer Mitgliedsstaaten" zu wappnen. Laut dem Entwurf handele es sich um "wirtschaftliche Nötigung", sobald ein Drittland versuche, "die Union oder einen Mitgliedsstaat zu einer bestimmten politischen Entscheidung zu drängen, indem es Maßnahmen gegen die Union oder einen Mitgliedsstaat anwendet oder androht, die den Handel oder Investitionen beeinträchtigen".

Laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) wäre es demzufolge theoretisch denkbar, den Zugang der USA zum EU-Binnenmarkt einzuschränken, wenn die Regierung in Washington, D.C. versuchen sollte, die Inbetriebnahme der neuen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland mit Zwangsmaßnahmen zu verhindern.

Im Zuge der vermeintlichen Invasionspläne Russlands gegen die Ukraine hatten US-Offizielle zuletzt mit Konsequenzen für die Erdgaspipeline gedroht. In dieser Frage herrsche Einigkeit mit der deutschen Seite. Allerdings schien zum diesem Zeitpunkt nicht klar zu sein, ob auch in der Frage der Definition einer "Invasion" eine Übereinkunft erzielt worden war.

Der Nationale Sicherheitsberater der US-Regierung Jake Sullivan teilte mit:

"Wenn Wladimir Putin will, dass Gas durch diese Pipeline fließt, will er vielleicht nicht das Risiko einer Invasion in der Ukraine eingehen."

Im Zuge des neuen EU-Instrumentariums könnte wiederum auch China mit Sanktionen belegt werden, weil es etwa Litauen wegen dessen diplomatischer Annäherung an Taiwan handelspolitische Konsequenzen angedroht habe, heißt es bei der dpa.

Was die Umsetzung des neuen Instrumentariums anbelangt, bleibt abzuwarten, wie zukünftig die Reaktion ausfällt, wenn es etwa um Länder wie Weißrussland geht. Minsk hatte als Reaktion auf Sanktionen am Dienstag angekündigt, Einfuhrverbote für Lebensmittel verschiedener westlicher Staaten zu verhängen. Betroffen sind die EU, die USA, Großbritannien, Kanada und Norwegen. Zu der Liste der Lebensmittel zählen Schweinefleisch, Rindfleisch, Milchprodukte, Gemüse, Süßwaren und Salz. Ausgenommen ist u.a. Babynahrung. Man behalte sich vor, weitere Produkte hinzufügen, hieß es aus Minsk.

Was die geplanten Strafinstrumente der EU anbelangt, so sollen neben Einfuhrbeschränkungen auch Strafzölle oder Investitionssperren infrage kommen. Zudem könnten zum Beispiel Unternehmen aus den betroffenen Ländern von öffentlichen Ausschreibungen und von der Beteiligung an EU-Programmen ausgeschlossen werden. Die Strafmaßnahmen sollen jedoch nur die Ultima Ratio darstellen. Die EU-Kommission erhofft sich von dem geplanten Instrument vor allem eine abschreckende Wirkung.

Laut dem lettischen Exekutiv-Vizepräsidenten und Kommissar für Handel der EU-Kommission Valdis Dombrovskis gehe es darum, in Zeiten "wachsender geopolitischer Spannungen" und entsprechender "Herausforderungen in den kommenden Jahrzehnten" standfest die eigenen Interessen zu verteidigen und "Europa" als "stark und handlungsfähig" zu bewahren.

Mit dem Vorschlag für das neue Instrument werden sich nun die Regierungen im Rat der Mitgliedsstaaten und das Europaparlament der EU beschäftigen. Vor allem im EU-Rat ist die Zustimmung jedoch nicht sicher, da dort etliche EU-Mitgliedsländer darauf bedacht sind, keine weiteren Kompetenzen an die EU-Kommission abzugeben.

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