Europa

Portugal: Präsident ruft vorgezogene Neuwahlen aus

Nachdem das Haushaltsvotum im Parlament, bei dem es auch um die Verteilung der Corona-Hilfen ging, scheiterte, beginnt der Wahlkampf in Portugal zwei Jahre früher als geplant. Sowohl ehemalige linke Verbündete der Sozialisten als auch alle rechten Parteien lehnten den Haushalt ab.
Portugal: Präsident ruft vorgezogene Neuwahlen ausQuelle: Reuters © REUTERS/Pedro Nunes

Nach dem Scheitern des Haushaltsentwurfs hat Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa Neuwahlen ausgerufen. Die vorgezogene Abstimmung werde am 30. Januar 2022 stattfinden, sagte Rebelo am späten Donnerstagabend in Lissabon in einer Rede an die Nation. Dazu solle das Parlament demnächst aufgelöst werden, erklärte das Staatsoberhaupt, das in Portugal direkt vom Volk gewählt wird und relativ viel Macht hat. Die nächste reguläre Parlamentswahl hätte erst im Herbst 2023 stattfinden müssen.

"In Momenten wie diesen gibt es in der Demokratie immer eine Lösung, ohne Drama oder Ängste (...) das Wort an das Volk zurückzugeben", sagte Rebelo in einer Fernsehansprache. "Nur so können die Portugiesen entscheiden, was sie in den nächsten Jahren wollen."

Die ehemaligen linken Verbündeten der Sozialisten, der Linksblock und die Kommunisten, lehnten den Haushalt zusammen mit allen rechten Parteien ab. Rebelo sagte, die Ablehnung lasse die Regierungspartei "allein".

Der Präsident betonte in seiner Rede an die Nation, nach dem Scheitern des Haushaltsentwurfs der linken Minderheitsregierung von Ministerpräsident António Costa habe er keine Alternative gehabt.

Der Ausgabenplan für 2022 war am Mittwoch vergangener Woche im Parlament, der "Assembleia da República", durchgefallen. Nur die 108 Abgeordneten der Sozialistischen Partei (PS) Costas stimmten dafür. Es gab 117 Gegenstimmen.

Kurz nachdem Rebelo die Wahlen ausgerufen hatte, sagte der stellvertretende Vorsitzende der PS, José Luís Carneiro, dass seine Partei "alles" versucht habe, um "diese politische Krise zu vermeiden", und forderte die Menschen auf, zur Wahl zu gehen.

António Filipe vom Linksblock betonte, der Linksblock habe keine Neuwahlen gewollt und immer die Absicht gehabt, dafür zu sorgen, dass das Land in einem so entscheidenden Zeitpunkt einen Haushalt hat. Das jedoch habe demnach der Präsident nicht gewollt und auch der Regierungschef habe es nicht so gesehen.

Die seit 2015 regierende, sozialdemokratisch orientierte PS hatte bisher die Unterstützung weiter links stehender Parteien bekommen. Der marxistische Linksblock (BE), die Kommunisten (PCP) und die Grünen (PEV) sahen diesmal jedoch davon ab. Mit Blick auf die milliardenschweren Corona-Hilfen der EU hatten sie unter anderem mehr Sozialausgaben gefordert. Costa wollte aber seine zurückhaltende Ausgabenpolitik nicht aufgeben.

Vor seiner Entscheidung hatte Rebelo seit Freitag eine Reihe von Konsultationen abgehalten. Der 72 Jahre alte Präsident hatte zunächst mit Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden und mit den Chefs der im Parlament vertretenen Parteien gesprochen und beriet sich zum Abschluss am Mittwoch auch mit dem Staatsrat. Der sogenannte "Conselho de Estado" ist ein bereits seit 1845 existierendes Gremium, das den Präsidenten berät. Ihm gehören aktuelle und ehemalige Mandatsträger sowie andere Persönlichkeiten verschiedener politischer Ausrichtungen. In Portugal ist es bereits früher mehrfach zu vorzeitigen Neuwahlen gekommen.

Das Boulevardblatt Correio da Manhã sieht in der noch nicht überstandenen Pandemie, der Versorgungskrise, den steigenden Energiepreisen und nun der innenpolitischen Ungewissheit eine gefährliche Kombination, die einen "schwarzen Winter" ankündige.

Die stellvertretende Chefredakteurin der Zeitung Jornal de Notícias, Paula Ferreira, warnte dieser Tage vor "irreparablen Folgen, insbesondere für die Bürger". Das Renommierblatt Público befürchtet das "Risiko der Unregierbarkeit" und zitiert den Verfassungsrechtler und Ex-Regierungsberater Jorge Reis Novais: "Keine einzige Umfrage sagt eine bedeutende Änderung der Sitzverteilung im Parlament nach den kommenden Wahlen voraus."

Dabei war das auch im Ausland mit Erstaunen und Anerkennung verfolgte "portugiesische Wunder" vor wenigen Wochen noch in vollem Gange. Mit Unterstützung unterschiedlicher linker Parteien, die eigentlich seit jeher zerstritten waren, hatten Costas Sozialisten Portugal seit 2015 nach den schweren Jahren der Euro-Krise solide geführt. Pragmatismus, Ausgabendisziplin, aber auch soziale Verantwortung zeichneten die Regierung aus. Die Wirtschaft wuchs zuletzt gut, die Arbeitslosigkeit blieb gering.

Die Märkte haben bisher ruhig reagiert. Die Rendite der 10-jährigen portugiesischen Anleihen schwankte in den letzten Tagen weitgehend im Einklang mit den Renditen der anderen EU-Länder und fiel am Donnerstag auf das Niveau von Mitte Oktober.

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