Sacharowa: EU nennt Beobachterpräsenz bei Duma-Wahlen "ungenügend" – und die vier in der BRD?
Dieser Artikel wurde am 22. September 2021 ergänzt.
Offensichtliche Doppelstandards der Europäischen Union, wenn es um die Bewertung von Wahlen in Russland einerseits und in EU-Mitgliedsstaaten andererseits geht, bemängelte Maria Sacharowa. Damit reagierte die Sprecherin des russischen Außenministeriums auf die Pressemitteilung von Josep Borrell vom Montag, dem 20. September 2021. Im Namen des Hohen Vertreters der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik äußerte sein Sprecher Peter Stefano darin unter anderem:
"Die Europäische Union bedauert, dass Russlands Entscheidung, die Mannstärke und das Format einer [geplanten] OSZE/BDIMR-Wahlbeobachtungsmission ernsthaft einzuschränken, deren Einsatz vereitelte."
Eine solche Einschränkung wurde im Vorfeld der Wahlen in die russische Staatsduma in der Tat von Russland auferlegt – und zwar bedingt durch die aktuelle Lage im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie. Das offizielle Moskau hatte sich bereit erklärt, eine OSZE/BDIMR-Mission mit einer Mannstärke von höchstens 50 Beobachtern zu empfangen, erinnert Radio Sputnik. Die von der Parlamentarischen Versammlung der OSZE geplante separate Beobachtermission wurde aus selbigen Gründen auf zehn Personen beschränkt. (Die in verschiedenen Medien kursierende Zahl von 60 Beobachtern ergibt sich aus einer impliziten gedanklichen Zusammenfassung der Höchstmannstärken der beiden Missionen, zumal ja das Büro für Demokratie und Menschenrechte wie die parlamentarische Versammlung beide der OSZE als Dachorganisation unterstehen.) Die OSZE verweigerte die Zusammenarbeit unter dieser Bedingung und verzichtete auf die Entsendung einer Beobachtermission zu den russischen Parlamentswahlen gleich gänzlich.
Zur Erinnerung: Ursprünglich wurde von der OSZE die Entsendegenehmigung für sage und schreibe 500 Personen gefordert. Davon sollten allein 80 auf ein analytisches Experten-Kernteam beziehungsweise Langzeitbeobachter entfallen, die sich länger in Russland aufhalten sollten, und die restlichen 420 Mann lediglich unmittelbar an den Wahltagen Beobachtungsdaten erheben.
Dabei war die OSZE nur eine internationale Organisation von vielen, denen allesamt ähnliche Quoten bezüglich der Höchstmannstärke ihrer Wahlbeobachtermissionen zum diesjährigen Votum in Russland pandemiebedingt auferlegt wurden. Darauf machte Gennadi Askaldowitsch, ein Gesandter für Sonderaufträge des russischen Außenministeriums, in einem Interview an RIA Nowosti noch am 25. August 2021 aufmerksam. Und doch verweigerte sie als einzige davon auf diese Einschränkung hin die Zusammenarbeit.
Dafür waren Beobachtermissionen unter anderem der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE), aus Staaten der GUS und aus Mitgliedsstaaten der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit präsent – nach den Daten von Radio Sputnik "über 380 Experten aus 80 Ländern." Ella Pamfilowa, die Leiterin der russischen Wahlkommission, sprach von 245 internationalen Wahlbeobachtern aus 55 Staaten, schrieb die russische Zeitung Rossijskaja Gaseta.
Diese Daten scheint die Europäische Union zu ignorieren – überhaupt habe es bei den Parlamentswahlen in Russland "keine unabhängigen internationalen Beobachter gegeben, deswegen ist es sehr schwer zu bewerten, wie die Wahlen in Wirklichkeit abliefen", gibt swissinfo.ch, das Auslandsnachrichtenportal der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft, weitere Worte von Borrells Pressesprecher wieder.
Von der ganzen Kritik des EU-Außenpolitikers am Verlauf der russischen Parlamentswahlen sah Maria Sacharowa vor allem die oben zitierten Punkte als Beweis für die vom europäischen Bündnis gepflogenen Doppelstandards. Sie forderte dazu auf, die Aufmerksamkeit lieber auf die Wahlen und die Beobachterpräsenz bei diesen Wahlen in den Mitgliedsstaaten der EU zu lenken. Sie wählte ihrerseits die anstehenden Bundestagswahlen in Deutschland zum Kontrastbeispiel – wo der OSZE für Russland 50 Beobachter zu wenig waren, genügen der Organisation nach ihren eigenen Angaben für die Parlamentswahlen in Deutschland mit seiner ähnlich immerhin gut halb so großen Bevölkerung lediglich vier. Sacharowa schrieb in ihrem Telegram-Kanal:
"Wissen Sie, wie viele internationale Beobachter die Beobachtung der Bundestagswahlen am 26. September dieses Jahres führen werden? […] Nach Daten des Bundeswahlleiters wird die Beobachtung des [diesjährigen Bundestags-]Wahlprozesses, an dem 47 Parteien, 6.000 Kandidaten und 60,4 Millionen Wähler teilnehmen werden, von vier internationalen Beobachtern vorgenommen, die über das BDIMR der OSZE von drei Mitgliedsländern entsandt werden."
Noch auffälliger werde dieser Kontrast dadurch, dass in diesem Jahr die Ausweitung des bundesdeutschen Parlaments geplant ist. "Da gäbe es ja reichlich zu beobachten, da werden Sie mir doch recht geben", stichelte die Sprecherin.
Dem stellte Sacharowa die ihr vorliegenden Daten über die Präsenz von Wahlbeobachtern in Russland gegenüber: "In Russland nahmen die Beobachtung der Staatsduma-Wahlen 245 Beobachter von 59 Ländern der Welt, zehn internationale Organisationen und 57 Diplomaten aus den in Moskau akkreditierten diplomatischen Vertretungen vor. Und das nennt die EU unzureichend! Und wenn man dies mit dem Quartett der internationalen Beobachter in der BRD vergleicht?"
"Also, was sind da die Gedanken der EU zu ihren Mitgliedsländern? Wird man dort bewerten können, wie die Wahlen in Deutschland [in Wirklichkeit ablaufen werden]? Oder ist das 'etwas anderes'?"
Auch in der Europäischen Union sind die Meinungen über den Verlauf der diesjährigen Wahlen ins russische oberste Parlament, Regionalparlamente und Gouverneurswahlen keineswegs eindeutig negativ. So nahm der EU-Parlamentsabgeordnete Tierry Mariani, in Vergangenheit immerhin französischer Staatssekretär beziehungsweise beigeordneter Minister für Transportwesen im Umwelt-, Verkehrs und Bauministerium, als Leiter einer privaten Beobachterdelegation an den Beobachtungen der Wahlen in Russland teil – und hatte im Anschluss daran festzuhalten:
"Irgendetwas Normabweichendes habe ich dort nicht gesehen. Wir hatten die Möglichkeit, mit Beobachtern von unterschiedlichen politischen Parteien zu sprechen, und sie sagten absolut alle, dass sie keinerlei Verstöße bei den Wahlen gesehen haben."
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Korrektur: In der ursprünglichen Version dieses Artikels ist uns ein Fehler unterlaufen. Es wurde eine Zahl von nur drei Beobachtern der OSZE bei den Bundestagswahlen 2017 in Deutschland angeführt. Diese Angabe des Bundesaußenministeriums bezog sich jedoch lediglich auf das Experten-Kernteam der OSZE. Eine separate Wahlbeobachterdelegation der OSZE zu jenem Votum umfasste weitere gut vier Dutzend Mann, davon 43 EU-Parlamentarier. Wir entschuldigen uns für diesen Fehler. Im Übrigen jedoch lag diese Zahl in demselben Bereich wie die für die Höchstmannstärke der diesjährigen russischen Parlaments- und Gouverneurswahlen, die vom offiziellen Moskau pandemiebedingt für die OSZE-Beobachtermission festgelegt worden war.
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