"Neffen zweiten Grades" – Präsident der Ukraine stichelt gegen Putins Artikel über "ein Volk"
Am 28. Juli feiern die orthodoxen Gläubigen in Russland, Weißrussland und der Ukraine den Tag der Rus-Taufe. An diesem Tag wird der Beginn der Christianisierung in der Alten Rus vor 1.033 Jahren gefeiert. Als Rus-Täufer gilt der Großfürst von Kiew Wladimir der Heilige. Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij hat in einer 10-minütigen Videoansprache den ukrainischen Bürgern zu diesem Tag gratuliert.
Selenskij begründete, warum der Tag der Rus-Taufe nun Tag der Taufe der Rus-Ukraine heißt. "Wladimir taufte die Kiewer Rus, die Ukraine. Dies ist nicht nur ein Teil unserer Geschichte, dies ist unsere Geschichte. Wir müssen das nicht mit historischen Abhandlungen, Werken oder Artikeln beweisen", sagte Selenskij.
Ihm zufolge steht der Beweis für Existenz der Ukraine nicht auf dem Papier, sondern "in unseren Städten und auf unseren Straßen". Damit nahm er Bezug auf den Artikel des russischen Präsidenten Wladimir Putin "Über die historische Einheit von Russen und Ukrainern", der am 12. Juli veröffentlicht und seitdem breit diskutiert wurde. Er deutete auch an, dass Putin seine Argumente auf "Mythen und Legenden" begründet hätte.
Im Video trat Selenskij in der Rolle eines Stadtführers durch mittelalterliche Stätten in Kiew auf. Er wies auch darauf hin, dass Moskau später als Kiew gegründet sei. "Hier, im UNESCO-Welterbe (einer Kirche des 11. Jahrhunderts) ist der Sohn von Wladimir Monomach, der Ururenkel des Fürsten Wladimir begraben – Juri Dolgoruki, der Großfürst von Kiew und Gründer von Moskau", sagte er.
Die Ukraine erklärte Selenskij zum alleinigen Erben der altrussischen Staatlichkeit. Die Kiewer Rus nannte er die Mutter der Ukraine und der Krim.
"24 ukrainischen Oblaste und die Halbinsel Krim sind ihre leiblichen Kinder und zu Recht auch Erben. Und Großneffen und sehr entfernte Verwandte sollen nicht in ihr Erbe eingreifen. Sie brauchen nicht ihre Teilhabe an der tausendjährigen Geschichte und an den Tausenden von Ereignissen zu beweisen – aus der Entfernung von Tausenden von Kilometern von den Orten, an denen sie stattfanden."
In seinem historisch-politischen Essay nannte Wladimir Putin den Altrussischen Staat die gemeinsame Wiege für das Volk der Russen, Weißrussen und Ukrainer. Er betonte, dass dies eine historiographisch schon lange bewiesene Tatsache sei – wie auch die, dass die Saporoger Kosaken im 17. Jahrhundert eine russische Identität hätten. Der Sowjetukraine seien in den Jahren von deren Gründung 1922 bis 1924 entgegen dem Mehrheitswillen viele Gebiete des "historischen Russlands" von der Führung der bolschewistischen Partei zugeschlagen worden, betonte der russische Präsident.
In seinem Artikel hat Putin signalisiert, dass er die Nachbarschaftsverhältnisse zwischen den USA und Kanada sowie zwischen Deutschland und Österreich als lohnenswerte Vorbilder zur Nachahmung für die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine betrachtet. Die Errichtung eines Anti-Russlands anstelle der Ukraine könne er aber nicht akzeptieren.
Am Ende seines Aufsatzes schrieb Putin, dass echte Souveränität der Ukraine nur in der Partnerschaft mit Russland möglich sei. "Unsere geistigen, menschlichen und zivilisatorischen Bindungen bestehen seit Jahrhunderten, haben ihren Ursprung in denselben Quellen und sind durch gemeinsame Prüfungen, Errungenschaften und Siege gestärkt worden. Unsere Verwandtschaft wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Sie ist in den Herzen, in der Erinnerung der Menschen, die im heutigen Russland und in der Ukraine leben, in den Blutsbanden, die Millionen unserer Familien vereinen. Gemeinsam waren wir schon immer und werden wir auch in Zukunft um ein Vielfaches stärker und erfolgreicher sein. Denn wir sind ein Volk."
Entgegen den Behauptungen vieler ukrainischen Politiker und Journalisten wird die letzte Formulierung offenbar von einem beträchtlichen Teil der ukrainischen Bürger geteilt. Das geht aus einer aktuellen Umfrage hervor, wonach 41 Prozent der Ukrainer folgender Aussage Putins zustimmen: "Russen und Ukrainer sind ein Volk, das demselben historischen und geistigen Raum angehört."
In einigen ukrainischen Regionen war das sogar die Meinung der Mehrheit – im Osten und Süden des Landes teilten jeweils 65 bzw. 56 Prozent der Menschen diese Ansicht des russischen Präsidenten. In der Zentralukraine waren es 36 Prozent und sogar im Westen des Landes fanden sich 22 Prozent Befürworter. Auch altersbezogen sorgten die Ergebnisse für eine kleine Überraschung. So lagen die jungen Menschen mit 44 Prozent Befürworter leicht über dem Durchschnitt.
Die westliche Reaktion auf Putins Ansätze war negativ. Manche Medien glaubten, in dem Artikel vor allem aggressive Signale zu erkennen – ein Faktum, das von russischen Diplomaten bereits stark kritisiert wurde.
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