Europa

Russische Botschaft zur NZZ-Kritik an Putin: "Verachtung gegenüber unserem Land"

Die Neue Zürcher Zeitung hatte Wladimir Putin für seinen Artikel über die historische Einheit der Russen und Ukrainer scharf kritisiert. Putin sei nicht nur ein schlechter Hobbyhistoriker, sondern auch großrussischer Nationalist. Die russische Botschaft regierte mit einer Gegendarstellung.
Russische Botschaft zur NZZ-Kritik an Putin: "Verachtung gegenüber unserem Land"Quelle: www.globallookpress.com

Die russische Botschaft in der Schweiz hat einen Artikel der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) auf ihrer Webseite kritisiert. Dabei sei der NZZ-Autor Markus Ackeret russischen Diplomaten schon lange aufgefallen. Ihm gehe es grundsätzlich nicht darum, ausgewogene und objektive Berichterstattung zu liefern, sondern "tiefe Verachtung und Arroganz gegenüber allem, was in Russland geschieht" zu übermitteln. "Diesmal hat Herr Ackeret sogar sich selbst übertrumpft."

Schon die ersten Sätze des Artikels seien "beleidigend". Es werde dem russischen Präsidenten unterstellt, dass seine Ideen, die er im Aufsatz zu Papier gebracht hat, lediglich seine persönliche "Erfindung" seien.

"Der Schweizer Korrespondent verschweigt offensichtlich bewusst die Tatsache, dass die Thesen des Artikels von Wladimir Putin auf allgemein bekannten Fakten basieren und völlig die dominierenden Ansichten der russischen Historiographie über die historische Einheit von Russen, Ukrainern und Weissrussen widerspiegeln", so die Botschaft.

Es sei charakteristisch, dass Ackeret zu seiner Kritik nicht passende Passagen des Artikels des russischen Präsidenten auslässt. "Er spricht nicht über den ursprünglich einheitlichen Altrussischen Staat, den gemeinsamen orthodoxen Glauben und die gemeinsame Sprache, aus der später die sich nahestehenden gegenwärtigen Sprachen unserer Völker entstanden."

"Ausgeklammert" sei auch das Thema der freiwilligen Wiedervereinigung der Ukrainer mit den Russen im Jahr 1654. Verschwiegen werde ein in Putins Aufsatz angeführtes Zitat des Hetmans Bogdan Chmelnyzkyj, der sich 1654 bei Zar Alexei I. dafür bedankte, dass er "das ganze Saporoger Heer und die ganze orthodoxe russische Welt aufgenommen hat".

Auch die Tatsache, dass zu Sowjetzeiten gebürtige Ukrainer äußerst bedeutende Ämter bekleideten, darunter auch die höchsten Positionen in der sowjetischen Führungsregie, werde nicht erwähnt, kritisiert die Botschaft.

Seinen Artikel hatte Putin am 12. Juni unter dem Titel "Über die historische Einheit von Russen und Ukrainern" auf der Webseite des Kremls in russischer und ukrainischer Sprache veröffentlicht. Vier Tage später hat die NZZ darauf mit dem Artikel "Das Pamphlet eines grossrussischen Nationalisten – Wladimir Putin erklärt die Ukrainer zu Russen und leitet daraus Besorgniserregendes ab" (Rechtschreibung wie auch im Folgenden wie im Schweizer Original; Anm. d. Red.) ihres Korrespondenten in Moskau reagiert. Der Kommentar war in der Nachrichten-Sparte erschienen – und nicht unter "Meinungen", was die Botschaft ebenfalls monierte.

Gleich zu Beginn seiner Rezension nannte der NZZ-Autor Putin einen "Hobbyhistoriker", dessen "schulbuchmässig erzählte Geschichte" geschichtswissenschaftlich misslungen sei. Beweise für die Unrichtigkeit der von Putin angesprochenen Konzepte lieferte Ackeret allerdings nicht, merkte aber an, dass der Begriff "Kleinrussen", der in der Vergangenheit für die Bezeichnung der Ukrainer verwendet wurde, als herablassend empfunden worden sei.

Außerdem seien die von Putin verwendete Begriffe "Volk" und "Nation" historiografisch völlig unzulänglich und statisch interpretiert.

"Aus dieser Stelle und vielen anderen Äußerungen spricht der beleidigte grossrussische Nationalist, der weniger der Sowjetunion als dem Russischen Reich nachtrauert", schreibt Ackeret.

Die von Putin angesprochene Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine bezeichnet er als "angeblich". Das Augenmerk des Autors gilt vor allem der Bedeutung des Artikels für die künftige politische Ausrichtung der russischen Politik.

"Ukrainische und oppositionell gesinnte russische Kommentatoren sehen in dem Aufsatz die geistige Vorarbeit für eine neuerliche militärische Einmischung in der Ukraine, die Einverleibung des Donbass oder die Anerkennung der Unabhängigkeit der russisch kontrollierten Separatistengebiete, in denen Russland grosszügig Pässe verteilt", schreibt der Autor.

Auch an dieser Stelle kontert die Botschaft und wirft dem NZZ-Korrespondenten zu große Nähe zu ukrainischen Eliten und russischen Oppositionellen vor, deren Meinungen er gerne vertrete. Es sei seltsam, solche "fragwürdigen Erwägungen" von einem Journalisten zu hören, der die formell neutrale Schweiz vertritt.

Die Schlussfolgerungen Ackerets seien aus der Sicht der Diplomaten gar "paradoxal" (sic!). "Die festgestellten allgemein bekannten Fakten der historischen Vergangenheit Russlands und der Ukraine, die sich, egal wie man es wünscht, nicht ändern lassen", sind nach Meinung der russischen Botschaft weder "brisant", noch öffneten sie die "Büchse der Pandora" territorialer Forderungen.

Am Ende ihrer Ausführungen gehen die Diplomaten noch mal auf "archivarisch fixierte" historische Ereignisse ein. Die Gründung der Sowjetukraine sei ein "schwieriger und teils künstlicher Prozess" gewesen, in Zuge dessen viele "traditionell russische Gebiete" mit einer "willkürlichen Umkrempelung administrativer Grenzen" der Ukraine zugeschlagen worden sind.

"Es bleibt unerwähnt, dass die derzeitige Regierung in Kiew als 'richtige' Patrioten nur jene Menschen bezeichnen, die Russland hassen, die Politik vollständiger Ausrottung der russischen Sprache aus dem öffentlichen Raum verfolgen und mit Neonazis Nachsicht üben, was bereits den brudermörderischen Konflikt im Donezbecken mit 13.000 Toten auslöste", kritisierte die Botschaft. 

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