Europa

Sanktions-Monopoly: Wie sich die EU auf Handelskriege vorbereitet

Die EU will nicht erpressbar sein. Doch mit ihrer einseitigen Ablehnung – siehe Nord-Stream-2-Sanktionen der USA – gerät Europa schnell in die Zwickmühle. Nicht freier Handel, sondern ökonomische Abhängigkeit dominiert die Politik der 40 sanktionierten Länder. Eine Taskforce für EU-Sanktionen soll helfen.
Sanktions-Monopoly: Wie sich die EU auf Handelskriege vorbereitetQuelle: www.globallookpress.com © Reiner Zensen, via www.imago-ima/www.imago-images.de

Politik wird mit Sanktionen gemacht. US-Senatoren drohen offen, den Sassnitzer Fährhafen als Antwort auf die deutsche Haltung zur Fertigstellung der Nord-Stream-2-Pipeline zu boykottieren. Chinesen wollen Elektronikteile von Huawai gezielt nicht mehr für deutsche Automobile liefern. Sie werden für sicherheitsrelevante 5-G-Netzwerke unter anderem auch der Bundesregierung nicht zugelassen.

Nachdem der Einfluss der USA auf die Welthandelsorganisation WTO stark zunahm, kapselten sich die Europäer mehr und mehr ab. Seit einem Jahr treffen sich Spitzenbeamte, Wirtschaftsverbandschefs und EU- Parlamentarier, um eine schnelle Waffe gegen unliebsame Länder auspacken zu können. Das neue Zauberwort heißt: "Anti-Coercion Tool". Ein schärferes Schwert hat Brüssel nie geschmiedet. Es soll eine Anti-Sanktions-Waffe werden. 

Mit dieser Initiative soll ein Mechanismus geschaffen werden, der es der EU ermöglicht, gegen Praktiken von Nicht-EU-Ländern vorzugehen. Das wäre der Fall, wenn diese versuchen, die EU oder ihre Mitgliedsstaaten zu bestimmten politischen Maßnahmen zu drängen.

Ziel ist es, solche Zwangsmaßnahmen im Einklang mit dem Völkerrecht abzuwenden oder ihnen entgegenzuwirken. Gleichzeitig soll sie Europas Wirtschaft souveräner machen. Ein Spagat.

Federführend ist der European Council on Foreign Relations (ECFR), vorne dran: Generaldirektion Handel, Sabine Weyand. Sie ist Brüssels Geheimwaffe in Sachen Brexit-Deal. Sie zog die Fäden im Mercosur-Pakt, einem der wichtigsten Freihandelsabkommen. Sie leitet die Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission. Wichtig ist bei all ihren Aktionen: Es sind meistens zweischneidige Schwerter. Sie müssen den Gegner treffen, dürfen aber nicht den eigenen Handel beeinflussen. Sie steht für das Gleichgewicht des Schreckens, mit dem angedrohte Maßnahmen wirken sollen. Im Fall Chinas, wo Adidas und andere Textilfirmen fertigen lassen, kann das auch schnell Ausfuhrbeschränkungen oder Arbeitsverbote beinhalten. Im schlechtesten Fall geht die Sache nach hinten los.

Nun drohen etwa Amerikaner mit Sanktionen, um ihr Fracking-Gas in Deutschland besser verkaufen zu können. Sie wollen Gegenmaßnahmen gegen den deutschen Manager Matthias Warnig, den Chef der Schweizer Nord Stream AG, einleiten. Bisher sind die US-Sanktionen ausgesetzt. Im Herbst, kurz vor der Übernahme der Ratspräsidentschaft durch Frankreich, wird Weyand ihr Anti-Coercion Tool, also ihre Folterinstrumente, präsentieren.     

Mehr als 40 Regime stehen derzeit auf der Liste der EU, darunter Terrorgruppen wie Al-Qaida, aber auch Einzelpersonen auf sage und schreibe 500 Seiten nachzulesen auf den Webseiten der EU. Ziel ist es nach außen, Europas Industrie durch  Zwangsmaßnahmen zu schützen. Die unbeabsichtigten Folgen sind aber oft Zwangsmaßnahmen gegen europäische Firmen, die in den sanktionierten Ländern fertigen lassen.

Was die deutsche Industrie im Ausland schützt, verursacht im Ausland oft auch Gegenreaktionen. So etwa in China. Wolfgang Niedermark, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, kritisierte etwa den Beschluss des neuen chinesischen Gesetzes gegen ausländische Sanktionen:

"Das neue Anti-Sanktionsgesetz kommt zur Unzeit. Anstatt auf Deeskalation zu setzen, schafft die chinesische Regierung neue Unsicherheit. Das schadet Chinas Ruf als Investitionsstandort und Handelspartner. Anstatt rechtliche Klarheit zu garantieren, wird das Gesetz zum Damoklesschwert für jedes Unternehmen, das in und mit China Geschäfte macht. Alle Aktivitäten im Ausland, die im Widerspruch mit Chinas wirtschaftlichen und politischen Interessen stehen, werden dadurch zum Minenfeld erklärt."

Leidtragende wären die Unternehmen, die immer Gefahr laufen, zwischen die Mühlsteine zu geraten. Die Sanktionen gegen EU-Parlamentarier und Thinktanks hätten zum Einfrieren der Ratifikation des Investitionsabkommens geführt. Anstatt auf Deeskalation zu setzen, schaffe etwa die chinesische Regierung neue Unsicherheit und schade damit ihrem Ruf als Investitionsstandort und Handelspartner.

Neben den klassischen politischen Abmahnmanövern kommen demnächst noch umwelt- und CO2-rechtliche Einschränkungen ins Waffenarsenal der EU-Kommission. Bisherige Abmahnungen betrafen die wirtschaftlich fein dosierten Luftraumsperren gegen Belarus, Handelseinschränkungen gegen China wegen der Uiguren-Behandlung oder gegen Russland aufgrund der Ukraine.

Doch der Weg bis zum Vollzug ist ein langer: Der Rat der Europäischen Union mit seinen 27 Mitgliedsstaaten stimmt über Sanktionen immer nur einstimmig ab. Ein ständiger Ausschuss entscheidet über neue Sanktionen, laufende oder deren Aussetzung. Dabei ist wichtig, dass formell jeweils die Außenminister in Erscheinung treten und diese vertreten. Wirksam werden die Sanktionen erst, wenn sie im Gesetzblatt der EU erschienen sind. 

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