Europa

EU-Bericht zur Türkei: Zuckerbrot und Peitsche aus Brüssel

In einem 15 Seiten langen Bericht zu den Beziehungen mit der Türkei spricht sich die EU für die Vertiefung der Beziehungen zur Türkei aus. Zugleich formuliert der Staatenbund mögliche Strafmaßnahmen gegen das Land, insbesondere im Tourismus- und Energiesektor.
EU-Bericht zur Türkei: Zuckerbrot und Peitsche aus BrüsselQuelle: Reuters © Francois Lenoir

Die Europäische Union solle Verhandlungen über tiefere Handelsbeziehungen mit der Türkei aufnehmen, aber bereit sein, Wirtschaftssanktionen zu verhängen, wenn Ankara gegen die "Interessen des Blocks" verstoße. Dies geht aus einem Bericht hervor, der für ein Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in dieser Woche vorbereitet wurde.

Das Angebot engerer wirtschaftlicher Verbindungen, das zugleich mit Drohungen einhergeht, spiegelt die komplizierten Beziehungen zwischen der Türkei und der EU wider, die kürzlich durch den Austritt Ankaras aus der Istanbul-Konvention über den Schutz von Frauen vor Gewalt einen neuen Rückschlag erlitten.

Die Stärkung der bereits erheblichen wirtschaftlichen Beziehungen sei für beide Seiten eine weitere Win-win-Situation. Im Mittelpunkt stehe dabei die Modernisierung und Erweiterung des Geltungsbereichs der derzeitigen Zollunion EU-Türkei, heißt es in dem Bericht des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und der Europäischen Kommission.

In dem am Dienstag veröffentlichten Bericht heißt es, die Türkei verdiene mehr finanzielle Unterstützung für die Aufnahme von Millionen syrischer Flüchtlinge sowie visafreie Reisen in die EU und eine erweiterte Zollunion. Ein solcher Fortschritt wäre jedoch nur möglich, wenn die Türkei die "Menschenrechte" achtet und mehr Flexibilität gegenüber der geteilten Insel Zypern und der Bohrtätigkeiten im östlichen Mittelmeer zeigt.

Seit Wochen wurde in Brüssel erwartet, dass die Regierungschefs die EU-Kommission beauftragen, Vorschläge zu machen, um die 2016 geschlossene "EU-Türkei-Vereinbarung" zu Migrationsfragen fortzusetzen. Im EU-Bericht heißt es, dass die Kommission "schnell Optionen vorbereiten" werde, um Flüchtlinge und aufnehmende Gemeinden in der Türkei weiter zu unterstützen. 

"Die Situation der Flüchtlinge in der Türkei verschlechtert sich weiter, was durch die COVID-19-Pandemie und den wirtschaftlichen Abschwung noch verstärkt wird. Daher wird in den nächsten Jahren weiterhin EU-Unterstützung erforderlich sein."

Ankara müsse politische und wirtschaftliche Konsequenzen spüren, falls es abermals die EU-Partner provoziere und das Völkerrecht breche, heißt es darin. Konkret droht Borrell damit, die wirtschaftliche Zusammenarbeit einzuschränken und den türkischen Tourismus- und Energiesektor zu treffen. Die Ausrichtung auf den Tourismus, der bis zu zwölf Prozent der türkischen Wirtschaft ausmacht, scheine eine neue Bedrohung aus Brüssel zu sein, die die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan herausfordern wolle, vermeldete Al Jazeera

Im Dezember schlugen die Staats- und Regierungschefs der EU vor, angesichts der fortgesetzten "nicht genehmigten Bohrtätigkeiten der Türkei" im östlichen Mittelmeer Vermögenswerte der betreffenden Personen und Organisationen einzufrieren und Reiseverbote zu erlassen.

Seit Jahresbeginn hat sich die Stimmung zwischen beiden Seiten vereändert, insbesondere wegen der Entspannung der Lage im östlichen Mittelmeer. Innenpolitisch fährt Erdoğan jedoch einen konfrontativen Kurs und will etwa die größte Oppositionspartei, die prokurdische HDP, verbieten. In der Türkei sind zudem kürzlich Menschen im Zusammenhang mit dem Putschversuch vor mehr als vier Jahren festgenommen worden. Die meisten der 150 Verhafteten seien aktive Soldaten, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Ihnen würden Verbindungen zur Organisation des im US-Exil lebenden islamischen Predigers Fethullah Gülen vorgeworfen.

Das Thema Beziehungen zu der Türkei steht an diesem Donnerstag ganz oben auf der Tagesordnung des virtuellen EU-Gipfels.

Mehr zum Thema - Osmanische Nostalgie: Erdoğan verkündet eine neue Ära für die Türkei

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.