Bosnien-Herzegowina: Ein Land in der Corona-Krise ohne Strategie und Impfstoffe
Von Marinko Učur, Sarajevo/Banja Luka
"Ihr Amtsmissbrauch führt zur unkontrollierten Ausbreitung dieser ansteckenden Krankheit, zum Tod einer großen Zahl von Menschen, zur Verweigerung des Rechts auf Gesundheitsversorgung für Krankenversicherte und zum Zusammenbruch des Gesundheitssystems in Bosnien-Herzegowina" – dies steht in einer Strafanzeige gegen Politiker.
Aufgrund der allgemeinen Verschlechterung der epidemiologischen Lage und der Tatsache, dass die Regierungsvertreter nicht die erforderlichen Schritte zur Beschaffung von Impfstoffen unternommen hatten, wurde in Sarajevo die erste Strafanzeige gegen (un)verantwortliche Amtsinhaber gestellt.
Bosnien-Herzegowina mit seinen rund 3,3 Millionen Einwohnern taumelt in eine der größten Krisen. In den vergangenen zwei Wochen wurde das Westbalkanland mit einem sprunghaften Anstieg an Corona-Fällen und Todesopfern konfrontiert. Allein am Montag starben nach Angaben der Behörden 73 Menschen an Folgen einer COVID-19-Erkrankung. Zudem wurden 3.290 neue Corona-Fälle gemeldet.
Seit Tagen warnen Gesundheitsexperten, dass die Corona-Lage im ganzen Land gefährlich eskaliere. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Auf der einen Seite weigerte sich die Politik, auf allen Ebenen schärfere Maßnahmen zu ergreifen, von einem Lockdown war gar nicht die Rede. Restaurants, Bars, Friseursalons, Hotels in den Skizentren – alles war offen. Es galt bloß Maskenpflicht. Zudem fanden in einigen Teilen des Landes wichtige Wahlen statt, vor denen Massenveranstaltungen organisiert worden waren.
Ein weiterer Grund für die Krise ist die noch nicht angelaufene Massenimpfung. Denn dem Land fehlen Impfstoffe. Bosnien-Herzegowina, in dem nach offiziellen Angaben 50 Prozent Bosniaken, 31 Prozent Serben und rund 15 Prozent Kroaten leben, betreibt eine Schaukelpolitik zwischen West und Ost. Anfänglich setzte man in Sarajevo auf das EU-weite Impfprogramm COVAX, um seine Verbundenheit mit Brüssel zu demonstrieren. Im serbischen Teil des Landes, der Republika Srpska, war man mit wichtigen Wahlen beschäftigt. Das Resultat war das Fehlen jeglicher Impfstoffe. Aus Brüssel kommt bisher kaum etwas.
Bisher schaffte es bloß die Republika Srpska, auf eigene Initiative 40.000 Dosen des russischen Sputnik V zu besorgen. In der vorwiegend von Bosniaken und Kroaten bewohnten Entität Föderation Bosnien-Herzegowina hingegen verzichtete man zunächst darauf. Bloß 5.000 Beschäftigten im Gesundheitswesen steht inzwischen der Impfstoff von AstraZeneca zur Verfügung, den Serbien als regionaler und einer der europäischen Vorreiter in Sachen Impfungen dem Land zuvor gespendet hatte. Belgrad hatte sehr früh auch auf russische und chinesische Impfstoffe gesetzt.
In der Strafanzeige wird nun darauf hingewiesen, dass zum Zeitpunkt, als sie gestellt wurde, die Impfung der allgemeinen Bevölkerung in der Föderation noch nicht begonnen hatte. Und ein Beginn ist nicht absehbar.
Für den Anzeigeerstatter, den Infektiologen Bakir Nakaš, sind mehrere Faktoren dafür verantwortlich, dass die Föderation gegenüber dem anderen Landesteil, der Republika Srpska, mit der Beschaffung von Mitteln für die Immunisierung gegen das Coronavirus zu spät dran ist. Zoran Tegeltija, Ankica Gudeljević, Vjekoslav Mandić und Fadil Novalić müssen, wenn der Anzeige stattgegeben werden sollte, die Frage beantworten, wer dafür zu haften hat und warum sie mit der Beschaffung von Impfstoffen zu spät dran waren.
Erst vergangene Woche hatte Sarajevo einen Vertrag über die Beschaffung von 500.000 Dosen Sputnik V unterzeichnet, doch diese Lieferung muss von der russischen Seite genehmigt werden, und es gibt keine Informationen darüber, wann dies geschehen wird.
Aus dem COVAX-Programm werden demnach 23.400 Dosen von Pfizer/BioNTech erwartet. Die Türkei hat auch eine Spende von 30.000 Dosen angekündigt, aber das alles befindet sich in der Wartephase. Das Virus fordert täglich einen hohen Tribut an Menschenleben.
Inzwischen entschieden die Behörden in der serbischen Entität, Skigebiete, gastronomische Einrichtungen, Friseursalons und Kosmetikstudios zu schließen, was jedoch zu Protesten führte. In der Hauptstadt der serbischen Entität Banja Luka gingen jüngst mehrere Hundert Menschen auf die Straßen, um gegen die nun verhängten Maßnahmen zu protestieren. Sie sehen sich als Leidtragende einer verfehlten Corona-Politik.
Einige Demo-Teilnehmer verweisen darauf, dass nun die "kleinen Händler" vor dem Ruin stünden, weil etwa in den vergangenen Monaten für die Wohlhabenden die Skizentren aufhatten. Zugleich protestierten sie gegen den Impfverzug.
Auch in Sarajevo gab es Proteste von Mitarbeitern in der Hotel- und Gastronomiebranche, doch die Behörden verhängten trotzdem Einschränkung der Öffnungszeiten.
Auf der fieberhaften Suche nach einem Ausweg aus der katastrophalen Pandemie-Situation kam jüngst die Initiative aus Belgrad. Serbien schlug den Nachbarländern vor, einen gemeinsamen regionalen Ansatz bei der Beschaffung des Impfstoffes von AstraZeneca zu beschreiten.
Mehr zum Thema - Ein Herz für die Nachbarn: Serbien impft Menschen aus Nachbarländern gegen Corona
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.