Studie: 20 Prozent mehr Krebstote durch Corona-Nebeneffekt - Über 900.000 verschobene Operationen
52.000 Krebsoperationen wurden in Deutschland durch oder wegen Corona verschoben. Die Zahl der Krebstoten wird innerhalb der nächsten zwölf Monate vermutlich um 20 Prozent ansteigen. So steht es in einer Studie des Fachblattes British Journal of Surgery (BJS). Die Studie ergab, dass Dringlichkeitsüberweisungen mit Krebsverdacht durch einen Hausarzt um 76 Prozent zurückgingen. Auch die Zahl der Chemotherapien sank im Vergleich zu der Zeit vor dem Lockdown um ganze 60 Prozent. Die Wissenschaftler begründen die Zahl mit dem Rückgang der Diagnostik und der Krebsbehandlung.
31.000 Menschen mit neu diagnostiziertem Krebs starben vor der Pandemie innerhalb eines Jahres, wie die Analyse feststellte. Aufgrund des Rückgangs bei der Diagnostik und Behandlung könnten nun gut 6.000 Menschen mehr als im Durchschnittsjahr an Krebs sterben.
Beteiligt an der Forschung waren das University College London sowie die Forschungsstelle zu Behandlungsdaten für Krebspatienten. Unter der Einbeziehung aller derzeit mit Krebs lebenden Menschen könnte die Zahl der zusätzlichen Todesfälle auf 18.000 steigen. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigten das erhebliche Potenzial für unbeabsichtigte Folgen, das mit dem Coronavirus einhergehe, so schrieb die Autorin der Studie, Alvina Lai, vom Institut für Gesundheitsinformatik am University College in London.
Die Lockdown-Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie können sich negativ auf die Krebspatienten auswirken. Darum müsse man Patienten aus Risikogruppen schneller erkennen und behandeln.
In Deutschland konnte die Task Force des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Krebsgesellschaft keine Versorgungsengpässe feststellen. Gerd Nettekoven, Chef der Deutschen Krebshilfe, sagte gegenüber ntv:
"Doch wir erkennen inzwischen auch, dass das Versorgungssystem spürbar gestresst ist und die Einschränkungen aufgrund der Krisensituation negative Auswirkungen für Krebspatienten haben können."
Patienten würden aus Furcht vor einer Corona-Infektion öfter von einem Arztbesuch absehen. Das Aussetzen solcher Maßnahmen sei nur über einen kurzen Zeitraum tolerierbar, sonst würden Tumore möglicherweise erst in einem fortgeschrittenen Stadium mit dann schlechterer Prognose erkannt, warnt Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums. Menschen sollten sich deshalb nicht scheuen, zum Arzt zu gehen.
Der Rückstau, der sich derzeit aus genau diesen Gründen in Deutschland ergibt, könnte zwischen 30 und 89 Wochen dauern, bis dieser Rückstand aufgeholt wird, so Prof. Andreas Schnitzbauer von der Goethe-Universität Frankfurt am Main im Ärzteblatt.
Wissenschaftler des University College London warnen vor mangelnder Früherkennung, weniger Akut-Überweisungen von Krebspatienten von Haus- an Fachärzte (minus 76 Prozent) und einem Rückgang der Chemotherapie-Termine (minus 60 Prozent).
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