Wirbel um AstraZeneca-Impfstoff: Wirkt das Präparat bei über 65-Jährigen nicht?
Die Corona-Debatte wird aktuell vor allem von der Diskussion um die entsprechenden Vakzine verschiedenster Hersteller aus aller Herren Länder bestimmt. Zuletzt geriet der Impfstoff der Unternehmen BioNTech und Pfizer in die Schlagzeilen. So räumte etwa das Robert Koch-Institut (RKI) im Rahmen einer Fachpublikation im Epidemiologischen Bulletin vom 14. Januar ein, dass keine verlässliche Aussage über die Wirksamkeit "des Impfstoffs bei Personen über 75 Jahren möglich sei.
"In der höchsten Altersgruppe (≥ 75 Jahre) ist daher eine Aussage über die Effektivität der Impfung mit hoher Unsicherheit behaftet."
Nun ist es der SARS-CoV-2-Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns AstraZeneca, der für Aufsehen sorgt – und für Spannungen zwischen Großbritannien und Deutschland. Anfang Januar wurde berichtet, dass Gesundheitsminister Jens Spahn auf eine "zügige" Zulassung des sogenannten Vektorimpfstoffs in Deutschland drängt. Der Vorteil des Vakzins liegt (bzw. lag) in der weniger anspruchsvollen Handhabung. So soll das Vakzin bei normalen Kühlschranktemperaturen transportierbar sein und gelagert werden können. Ein enormer Pluspunkt gegenüber dem Vakzin der Konkurrenten BioNTech und Pfizer im Rennen um den umkämpften Corona-Impfstoffmarkt.
Der Nachteil: Nach Angaben von AstraZeneca verhindert das Impfpräparat AZD 1222 einen symptomatischen Verlauf von COVID-19 im Durchschnitt jedoch nur mit einer 70-prozentigen Wahrscheinlichkeit. Bei BioNTech oder aber auch Moderna liegt er laut Herstellerangaben bei 95 Prozent. Der Spiegelschrieb Ende Dezember:
"Warum nun der ganze Wirbel um einen vergleichsweise wirkungsschwachen Impfstoff? Die Antwort heißt schlicht: Weil wir ihn brauchen."
Debatte um Wirksamkeit des Impfstoffs bei Senioren
Doch nun steht die Wirksamkeit des AstraZeneca-Präparats erneut im Fokus. Das Handelsblatt will erfahren haben, dass das Bundesgesundheitsministerium prüfe, ob "die nach Alter gestaffelte Impfreihenfolge angepasst werden muss". Der Hintergrund ist brisant: So soll der SARS-CoV-2-Impfstoff aus dem Hause AstraZeneca über eine angeblich (noch) niedrigere Wirksamkeit bei Senioren verfügen.
"Da die Wirksamkeit des Impfstoffs bei Senioren über 65 Jahren bei nur bei acht Prozent liege, werde laut Medienberichten für die EU daher nun eine Zulassung des Vakzins lediglich für Menschen unter 65 Jahren erwartet."
Der Impfstoffhersteller selbst wies die Angaben prompt zurück. Eine Sprecherin erklärte:
"Berichte, dass die Wirksamkeit des Impfstoffs von AstraZeneca/Oxford bei Erwachsenen über 65 Jahren nur acht Prozent beträgt, sind völlig falsch."
Gesundheitsministerium weist Berichte zurück
In Großbritannien unterstützte der Impfausschuss (JCVI) den Einsatz des Präparats in der entsprechenden Bevölkerungsgruppe, und die britische Arzneimittelbehörde habe die Notfallversorgung für die Altersgruppe ohne Vorbehalte zugelassen.
"Im November haben wir in 'The Lancet' Daten veröffentlicht, die zeigen, dass ältere Erwachsene starke Immunantworten auf den Impfstoff zeigten, wobei 100 Prozent der älteren Erwachsenen nach der zweiten Dosis spike-spezifische Antikörper bildeten."
Nun schaltete sich das Bundesgesundheitsministerium selbst in die schwelende Debatte ein. Laut dpa-Informationen weist das Ministerium die Berichte um eine angeblich schlechtere Wirksamkeit des AstraZeneca-Impfstoffs bei über 65-Jährigen zurück.
Auf den ersten Blick scheint es laut dem Ministerium nun so, dass einiges durcheinandergeraten sei:
"Rund acht Prozent der Probanden der Astrazeneca-Wirksamkeitsstudie seien zwischen 56 und 69 Jahre alt gewesen, nur drei bis vier Prozent über 70 Jahre. Daraus lasse sich aber nicht eine Wirksamkeit von nur acht Prozent bei Älteren ableiten."
Diese Version der Geschehnisse hatte am Montag auch Politico in seinem London Playbook präsentiert. So habe eine nicht näher genannte Quelle aus den Reihen der britischen Regierung den Handelsblatt-Bericht vehement zurückgewiesen. "Die Deutschen" hätten da wohl einiges "durcheinandergebracht".
"Keine Ahnung, woher ihre Zahl kommt. Ich weiß, acht Prozent ist der Prozentsatz der Menschen über 65 in der Studie, aber nicht der Wirksamkeit. Ich bin mir nicht sicher, ob der Reporter das verwechselt hat. Die MHRA 5 [britische Arzneimittelbehörde] würde einen Impfstoff mit acht Prozent Wirksamkeit nicht zulassen."
So etwas erwartet man eher von den Russen
Eine weitere Quelle aus britischen Regierungskreisen legte noch einmal rustikal nach. Demzufolge handele es sich bei dem Bericht des deutschen Leitmediums um "übergeschnappten Schwachsinn". So etwas erwarte man "eher von den Russen" als von Deutschland.
Vom Gesundheitsministerium heißt es derweil, dass die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) die Studienlage auswerte. Bekannt sei seit dem Herbst, dass in den ersten eingereichten Studien von AstraZeneca weniger Ältere beteiligt gewesen seien als in Studien anderer Hersteller. Mit dem Ergebnis der Auswertung durch die EMA (Europäische Arzneimittelbehörde) sei an diesem Freitag zu rechnen.
Auf britischer Seite wittert man indes nun einen womöglich tieferen Hintergrund der Berichte aus Deutschland.
"Der plötzliche Streit über die Wirksamkeit des Impfstoffs muss im Kontext eines ohnehin schon hektischen Tages mit viel Streit zwischen AstraZeneca und der EU gesehen werden."
So erklärte Gesundheitsminister Spahn vor wenigen Tagen der Bild am Sonntag, dass die erwartete Liefermenge des AstraZeneca-Impfstoffs von mindestens drei Millionen Dosen im Februar "leider weniger als erwartet war". Die gute Nachricht sei, dass Deutschland die Lieferung bekomme.
AstraZeneca kürze Lieferungen in EU um 60 Prozent
Eigentlich war man für das erste Quartal 2021 eine Lieferung von etwa 80 Millionen Impfdosen des Impfpräparats an die EU-Staaten ausgegangen. Nun sollen es nur noch 31 Millionen sein. Begründet wurde die Kürzung der Lieferungen um rund 60 Prozent mit Produktionsproblemen. Großbritannien soll von einer Reduzierung der Liefermengen nicht betroffen sein. Die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides brachte daraufhin während des EU-Lenkungsausschusses zur Impfstrategie die "tiefe Unzufriedenheit" der EU-Mitgliedsstaaten zum Ausdruck.
Zur Frustration mag beigetragen haben, dass zuvor bereits der US-Pharmakonzern Pfizer angekündigt hatte, aufgrund von Produktionsengpässen zunächst weniger seines Corona-Impfstoffs an die EU-Staaten ausliefern zu können.
AstraZeneca begründete seine Kürzungen mit Engpässen bei der Materialbeschaffung und Herstellungsproblemen in einem belgischen Werk. Doch laut EU-Diplomaten versäumte es das Unternehmen, die Behauptungen mit Beweisen zu belegen. Das hatte zu Spekulationen geführt, dass AstraZeneca in Belgien hergestellte Dosen an andere Kunden liefere, nur um dann festzustellen, dass die Produktion nicht schnell genug vorangekommen sei, um die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der EU zu erfüllen. Diese hatte eine Vorauszahlung in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro für die Lieferung des Vakzins geleistet.
In diesen Zusammenhang setzt Politico den vermeintlichen Beschluss des deutschen Gesundheitsministeriums, "den Impfstoff von AstraZeneca erst dann an Senioren zu verabreichen, wenn seine Wirksamkeit bei den über 65-Jährigen nachgewiesen" sei.
Italien will klagen
Aufgrund der wesentlich geringeren Liefermengen kündigte vor wenigen Tagen der italienische Regierungschef Giuseppe Conte nicht nur gegen Pfizer und BioNTech, sondern nun auch gegen AstraZeneca rechtliche Schritte an. Es handele sich um "schwere Vertragsverletzungen" und "inakzeptable" Verzögerungen, so Conte.
Im Impfstoffstreit mit dem britisch-schwedischen Hersteller forderte die Grünen-Politikerin Franziska Brantner am Dienstag gegenüber der dpa mehr Druck der EU-Kommission und der EU-Staaten. Nötig sei aber vor allem der Aufbau zusätzlicher Produktionskapazitäten. Die EU solle währenddessen eine Impf-Allianz mit den Vereinigten Staaten schmieden.
Derweil berichtete nun auch Business Insider, dass die Bundesregierung davon ausgehe, "dass der Impfstoff der britischen Firma AstraZeneca ausgerechnet für ältere Menschen ab 65 Jahren doch nicht so wirksam" sei wie erhofft.
"Nach Recherchen von Business Insider kündigte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in einer Telefonkonferenz mit seinen Länderkollegen am Montag an, die gesetzliche Impfreihenfolge zu ändern."
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