Britischer Bericht zu Russlands "Wahleinmischung": Ein Machwerk transatlantischer Lobbyarbeit
Russland hat versucht, sich neben den US-Präsidentschaftswahlen auch in das schottische Sezessionsreferendum im Jahr 2014 einzumischen – so behauptet es zumindest der Geheimdienstausschuss im britischen Parlament, der sich bei seinen Anschuldigungen gegenüber Russland auf einen entsprechenden Bericht stützt. Mehr noch: Auch das Brexit-Referendum sollte man "auf mögliche Einmischung untersuchen". Moskau dementiert die Vorwürfe.
Der lang erwartete britische "Russland-Bericht" ist nun, fast neun Monate nachdem Premierminister Boris Johnson ihn vermutlich erhalten hatte, endlich veröffentlicht worden. Das Werk wurde vor über einem Jahr fertiggestellt und musste eine Reihe von Redaktionen durchlaufen, um sicherzustellen, dass die Ausgabe für die Öffentlichkeit keine "sensiblen Informationen" enthält.
Russische Wahleinmischung sei dem Bericht zufolge nicht nur in den USA ein akutes Problem, auch Großbritannien müsse sich vor der russischen Bedrohung hüten. Diese Botschaft überbrachte der Geheimdienst- und Sicherheitsausschuss des britischen Parlaments bei einer Pressekonferenz am Dienstag, in der der Bericht über die angebliche russische Einmischung präsentiert wurde. Russland soll versucht haben, sich in das schottische Referendum zur Unabhängigkeit von Großbritannien einzumischen, erklärte der Ausschuss bei der Vorstellung des Werks. Die Parlamentarier mahnten ferner an, britische Inlandsgeheim- und Sicherheitsdienste mögen doch auch die Brexit-Abstimmunung auf eine "eventuelle Einmischung" prüfen.
Mit dieser (ihrerseits ein wenig verspäteten) Warnung vor dem langen Arm des Kreml drosch der Geheimdienstausschuss sowohl auf den amtierenden britischen Premierminister Johnson als auch auf dessen Vorgängerin Theresa May ein. Diese hätten versäumt, die Warnungen vor einer russischen Einmischung in das EU-Referendum 2018 zu untersuchen. Es habe keine Bewertung der erklärten Einmischung des Kreml gegeben, zitiert etwa CBC News die Parlamentarier.
Moskau dementiert und spricht von Russophobie
Moskau schmetterte die im Bericht und bei seiner Vorstellung geäußerten Vorwürfe ab. Dmitri Peskow, Pressesprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dementierte jegliche Einmischung in die Politik des Vereinigten Königreiches:
Wir tun so etwas selber nicht und dulden nicht, wenn andere Staaten sich in unsere politischen Angelegenheiten einmischen.
Marija Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, stellte lediglich fest: "Die Sensation blieb aus – Russophobie im Fake-Schliff."
Indes scheint sogar diese knappe Reaktion fast überflüssig, bedenkt man weitere Punkte des Berichts, mit denen dieser gleichsam sich selbst diskreditiert. Erstens haben laut den Autoren die Spezialisten vom britischen Inlandsgeheimdienst MI5 zumindest eingangs fast nichts zum Bericht beigetragen – möglicherweise Ausdruck von Unwillen, an diesem Unterfangen teilzunehmen:
Als Reaktion auf unsere Bitte um schriftliche Beweise zu Beginn der Untersuchung lieferte der MI5 zunächst nur sechs Zeilen Text.
Zweitens trug der parteiübergreifende Ausschuss bei der Vorstellung seines Berichts eine lange Dankesliste vor. Zu den Personen, denen für ihre Beiträge zu der Untersuchung gedankt wird, gehören vordergründig solche, die man in Sachen Russland vielleicht nicht unbedingt zurate ziehen sollte:
Christopher Steele, ehemaliger MI6-Spion, der dem FBI und der Demokratischen Partei der Vereinigten Staaten das berüchtigte "Trump-Dossier" als Kompromat gegen den amtierenden US-Präsidenten Donald Trump verkaufen konnte;
Anne Applebaum, Journalistin und Mitglied der neokonservativen Denkfabrik American Enterprise Institute, die unter anderem für das pseudohistorische Propagandawerk "Roter Hunger" über die dürrebedingte Hungersnot in der Ukraine in den 1930er-Jahren verantwortlich zeichnet. Sie gab im August 2014 allen Ernstes von sich, die Kiewer Putschisten hätten sich nach dem Maidan auf einen "totalen Krieg" gegen Russland vorbereiten sollen;
Bill Browder, amerikanisch-britischer Finanzier, an dessen Konstrukt zum Fall Sergei Magnitski nicht nur im Spiegel Zweifel geäußert wurden. Er wird zudem von der russischen Staatsanwaltschaft wegen Steuerhinterziehung und dringend verdächtig als Auftraggeber im Mordfall des russischen Wirtschaftsprüfers Sergei Magnitski international gesucht; und nicht zuletzt
Edward Lucas, britischer Sicherheitsspezialist, als Gastschreiber bei der CEPA tätig, einer Lobbyorganisation der US-Rüstungsindustrie in Europa. Er ist zudem als neutrale beratende Instanz nicht gerade geeignet.
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So führte die Wahl derartiger Informationsquellen und Berater für den Bericht zur innenpolitischen Sicherheit auch zu jenen Folgerungen, die offensichtlich bereits vor jeglicher Analyse festgelegt wurden und auch der einzige Zweck der Übung gewesen sein dürften:
Jeder öffentliche Schritt in Richtung einer freundschaftlicheren Beziehung zu Russland würde im Moment die internationale Reaktion auf die Ereignisse von Salisbury sowie die Führungsrolle und Glaubwürdigkeit innerhalb dieser Bewegung torpedieren.
Es wurde damals, vor etwa neun Monaten, also als wichtig erachtet, die im Hinblick auf das Beweismaterial für eine russische Beteiligung völlig substanzlose Skripal-Affäre am Laufen zu halten, die bereits im Begriff war, in den Medien abzuklingen. Die Veröffentlichung zum jetzigen Zeitpunkt dürfte damit auch einen Versuch darstellen, diese Affäre erneut aufzuwärmen oder wenigstens warmzuhalten.
Auch kann der Geheimdienstbericht durchaus ein Beispiel für transatlantische Lobbyarbeit sein, in deren Rahmen in der Tat Einfluss auf die britische Politik ausgeübt werden soll – dies allerdings nicht von Russland, wie sich am obigen Who's who antirussischer Agitatoren unschwer ablesen lässt:
Die Nachrichtendienstgemeinschaft muss eine Kollaboration auf privater Ebene, die die beständige Aufdeckung russischer Aktivitäten fördert und ergänzt, sowie den Aufbau einer weiten, zu schnellen und entscheidenden Schritten gegen russische Aggression willigen internationalen Koalition unterstützen.
Und ebenso transatlantisch liest sich der obige Absatz, in dem der auffällig US-amerikanisch anmutende Ausdruck "Nachrichtendienstgemeinschaft" nicht umsonst an prominenter Stelle steht.
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