Europa

Nicht lukrativ genug: Wie Big Pharma eine schnellere Impfstoffentwicklung in Europa verhinderte

Wenn unternehmerische Interessen das öffentliche Wohl dominieren, liegt grundsätzlich etwas im Argen: Ein Bericht von zwei NGOs zeigt auf, wie ein geplantes EU-Forschungsprojekt zur Pandemie-Prävention im Jahr 2018 von der Pharmaindustrie ausgebremst wurde.
Nicht lukrativ genug: Wie Big Pharma eine schnellere Impfstoffentwicklung in Europa verhinderteQuelle: Reuters © Kirill Zykov/Moskauer Nachrichtenagentur

Die Pharmaindustrie soll 2018 kein Interesse daran gezeigt haben, die Pandemie-Prävention innerhalb eines EU-Forschungsprojekts weiter voranzutreiben. Das belegen offenbar interne Protokolle, die den beiden NGOs Glo­bal He­alth Ad­vo­ca­tes und Cor­po­rate Europe Ob­ser­va­tory vorliegen.

Nicht erst seit der Corona-Krise ist klar, welche Bedeutung die schnelle Entwicklung eines Impfstoffes haben kann. Umso irritierender ist, dass sich Teile der Pharmaindustrie im Jahr 2018 scheinbar gegen den Vorschlag wandten, stärker in die Pandemie-Prävention zu investieren. Die beiden NGOs untersuchten laut der Berichterstattung im Guardian, im Spiegel und in der Süddeutschen Zeitung, welche Forschungsprojekte die EU-Kommission und die Pharmaindustrie im Rahmen der "Initiative für innovative Arzneimittel" (IMI) seit dem Jahr 2007 umgesetzt haben. Die Initiative soll die Wettbewerbsfähigkeit der pharmazeutischen Forschungseinrichtungen in der Europäischen Union steigern.

Laut der IMI-Webseite liegt das Budget der Initiative bei 5,3 Milliarden Euro. Die eine Hälfte des Geldes sind öffentliche Mittel von Seiten der EU. Es wird an teilnehmende Projektpartner wie Universitäten, Mittelständler und Institute verteilt. Die andere Hälfte kommt von europäischen Arzneimittelkonzernen (EFPIA), die in Sachleistungen investieren, indem sie zum Beispiel Labore bereitstellen, wie der Spiegel schreibt.

Für die Pharmaindustrie finanziell nicht interessant

Laut dem Bericht der NGOs soll die EU-Kommission 2018 vorgeschlagen haben, die Pandemie-Prävention in das IMI-Forschungsprogramm mit aufzunehmen. So sollten zum Beispiel Computersimulationen und eine Analyse von Tierversuchsmodellen gefördert werden, um die Impfstoffentwicklung im Falle einer Pandemie zu beschleunigen.

Laut dem internen Protokoll eines Treffens zwischen Vertretern der EU-Kommission und der Pharmaindustrie wurde der Vorschlag im Dezember 2018 jedoch abgelehnt. Die Entscheidungsträger sollen vielmehr auf die bereits bestehende Al­li­anz zur Ent­wick­lung neuer Impf­stof­fe CEPI verwiesen haben. Zwar solle es eine Zusammenarbeit zwischen dem IMI-Programm und CEPI geben, aber eine "Co-In­ves­ti­tion" zur Un­ter­stüt­zung von CEPI werde "nicht un­mit­tel­bar er­war­tet".

Ein IMI-Sprecher erklärte gegenüber dem Guardian, dass die Pandemie-Prävention damals in Konkurrenz zu anderen Forschungsthemen wie Tuberkulose, Autoimmunerkrankungen und digitaler Gesundheit gestanden habe. Doch die NGOs vermuten ein anderes Motiv hinter der Ablehnung:

Das war für die Pharmaindustrie finanziell nicht interessant", so Marine Ejuryan von Global Health Advocates.

Wenig überraschend stünden bei Entscheidungen über Forschungsthemen vor allem kommerzielle Interessen der Pharmaindustrie im Vordergrund. Laut dem Bericht bestanden sechs von sieben Beratergruppen des letzten IMI-Programms fast ausschließlich aus Vertretern der Pharmaindustrie, darunter auch die Gruppe für Infektionskontrolle.

Allgemeinwohl vs. Geschäftsinteressen

Für die NGOs ein gefährlicher Konflikt zwischen Allgemeinwohl und Geschäftsinteressen. Denn auch andere Forschungsbereiche sollen dem Bericht zufolge kaum gefördert werden, obwohl sie laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dringend untersucht werden müssten. Das betreffe auch Krankheiten wie Malaria und Aids.

Schon 2015 zeigten Recherchen von Spiegel, des Schweizer Radios und Fernsehens (SRF) sowie der belgischen Tageszeitung De Standaard, dass das Programm fast nur dazu dient, die Pharmaindustrie über den Umweg der Forschung zu subventionieren.

Die NGOs verlangen nun, dass es künf­tig "eine neu­trale In­stanz" ge­ben müsse. Vor allem Studien über Alzheimer, Krebsleiden oder Diabetes würden durch IMI gefördert, bemängeln die Studienautoren. Die Erforschung dieser Krankheiten sei zwar ebenfalls wichtig, doch die Forschungsprojekte wären vermutlich auch ohne Fördergelder umgesetzt worden, weil sie für die Pharmaindustrie Profit versprechen, heißt es weiter.

Der Dachverband der Pharmaindustrie EFPIA wies die von den NGOs erhobenen Vorwürfe zurück. Viele andere Projekte aus dem Programm trügen zur Erforschung von COVID-19 bei, so der Verband. Die EU-Kom­mis­sion habe zudem 72 Mil­lio­nen Euro zu­sätz­lich für das IMI-Pro­gramm bewilligt, um nach Wirk­stof­fen gegen COVID-19 zu forschen.

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