Israel: Oberstes Gericht kassiert Kernstück von Netanjahus Justizreform
Am heutigen Montag hat der Oberste Gerichtshof Israels ein kontrovers diskutiertes Gesetz der Regierung Netanjahu aufgehoben, durch das die Befugnisse des Obersten Gerichts teilweise eingeschränkt werden sollten und das monatelang andauernde Proteste im ganzen Land ausgelöst hatte.
Das Gesetz war Teil einer von Netanjahu und seiner Koalition aus religiösen und nationalistischen Parteien angestrebten umfassenderen Justizreform. Diese Pläne führten zu einer tiefen Spaltung in der israelischen Gesellschaft. Auch im Ausland wurden Stimmen laut, die Besorgnis über den demokratischen Charakter des Landes äußerten.
Israel vor Regierungs- und Staatskrise?
Wie Reuters schreibt, könnte die heutige Gerichtsentscheidung den Zusammenhalt der Notstandsregierung auf die Probe stellen, die im Herbst gebildet wurde, um den Krieg gegen die Hamas zu führen. Zu ihr gehören Hardliner wie Finanzminister Bezalel Smotrich und Kritiker der Justizreform wie der zentristische Benny Gantz und Verteidigungsminister Joaw Galant.
Smotrich bezeichnete die Gerichtsentscheidung als "extrem und spaltend" und spielte damit auf die erbitterten Kontroversen an, die die israelische Politik in den Monaten vor dem Hamas-Angriff auf den Süden Israels am 7. Oktober geprägt hatten.
Mit dem neuen Gesetz, das dem Gericht zur Prüfung vorgelegt worden war, wurde eines der Instrumente, die dem Obersten Gerichtshof zur Aufhebung von Regierungs- und Ministerbeschlüssen zur Verfügung stehen, wieder abgeschafft, jedoch nicht alle. Es hätte dem Gericht die Möglichkeit genommen, solche Entscheidungen, die es für "unangemessen" hält, für nichtig zu erklären.
Zwölf von 15 Richtern entschieden, dass es im Rahmen der Möglichkeiten des Gerichts liegt, verfassungsähnliche "Grundgesetze" aufzuheben. Eine kleinere Mehrheit von acht der 15 Richter entschied, dieses spezielle Grundgesetz für ungültig zu erklären, da es nach Ansicht des Gerichts "den zentralen Merkmalen Israels als demokratischer Staat schweren und beispiellosen Schaden zufügt". Ein Kernelement der Justizreform der im vergangenen Juli vom Parlament verabschiedeten Gesetzesänderung betraf die sogenannte Angemessenheitsklausel. Die Regierung Netanjahu wollte damit dem Obersten Gericht die Möglichkeit nehmen, Entscheidungen der Regierung als "unangemessen" zu klassifizieren und sie außer Kraft zu setzen.
Tiefe Spaltung der Gesellschaft
Einige israelische Vertreter haben eingeräumt, dass die durch die Justizreform verursachten internen Spaltungen – die bis in das Militär hineinreichten und Netanjahu dazu veranlasst hatten, Verteidigungsminister Joaw Galant, der dazu aufgerufen hatte, die Reformen zu stoppen, vorübergehend zu entlassen – eine Rolle bei der Entscheidung der Hamas gespielt haben könnten, ihren Angriff vom 7. Oktober 2023 auszuführen.
Netanjahus Likud-Partei erklärte, die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sei bedauerlich und widerspreche "dem Willen des Volkes zur Einheit, insbesondere in Kriegszeiten". In ihrer kurzen Erklärung äußerte sie sich nicht zu möglichen Schritten, die sie unternehmen könnte.
Jair Lapid, Oppositionsvorsitzender und ehemaliger Ministerpräsident, lobte dagegen das Gericht, dessen Entscheidung, wie er meinte, "ein hartes Jahr des Streits besiegelt, das uns von innen heraus zerrissen und zur schrecklichsten Katastrophe in unserer Geschichte geführt hat".
Der Oberste Gerichtshof erklärte in seiner Zusammenfassung des Falles, die Regierung habe mit der Änderung des Grundgesetzes "die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit von Entscheidungen der Regierung, des Premierministers und der Minister vollständig aufgehoben". Zusammenfassend schrieb das Gericht:
"Das Gericht stellte fest, dass die Änderung einen schweren und beispiellosen Schaden für die Kerneigenschaften Israels als demokratischer Staat verursacht."
Wie die Berliner Zeitung schreibt, wurde in der Geschichte des modernen Israel bisher noch nie ein vergleichbares Gesetz vom Obersten Gericht gekippt. Sollte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit seiner rechtsreligiös-nationalistischen Koalition die Entscheidung nicht akzeptieren, könnte dem Land eine Staatskrise drohen.
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