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Ironie der Geschichte? Geflüchteter Präsident beschrieb 1989 Sturz von "Marionettenregime in Kabul"

Am 15. August ist der afghanische Präsident Aschraf Ghani vor den Taliban geflohen. Bereits 1989 hatte er den "Zusammenbruch" eines "belagerten Marionettenregimes in Kabul" beschrieben. In den sozialen Medien macht der Artikel von damals die Runde. Wiederholt sich die Geschichte?
Ironie der Geschichte? Geflüchteter Präsident beschrieb 1989 Sturz von "Marionettenregime in Kabul"Quelle: AFP © JOHN MACDOUGALL

Es ist genau einunddreißigeinhalb Jahre her, da beschrieb der damalige Assistenzprofessor für Anthropologie und Politikwissenschaft an der Johns Hopkins University in Baltimore (USA) Aschraf Ghani den Zerfall der von der Sowjetunion unterstützten Regierung Afghanistans unter dem Präsidenten Mohammed Nadschibullāh (1947–1996). Unmittelbar nach dem Abzug der sowjetischen Truppen am 15. Februar 1989 veröffentlichte die Los Angeles Times einen Artikel, in dem Ghani schreibt:

"Die Sowjets haben Afghanistan verlassen, damit ist der Zusammenbruch des belagerten Marionettenregimes in Kabul nur noch eine Frage der Zeit."

Am 15. August 2021 ist Ghani selbst als afghanischer Präsident aus dem belagerten Kabul geflohen. Wenig später nahmen die Taliban die afghanische Hauptstadt ein. Der indische Fernsehsender WION spricht von einer Ironie der Geschichte, die sich nun zu wiederholen scheint. Demnach lesen sich Ghanis Zeilen "wie eine Beschreibung des heutigen Chaos". In den sozialen Medien macht der Artikel von 1989 angesichts der aktuellen Ereignisse in Afghanistan die Runde:

Während 1989 die Sowjetarmee abgezogen war, zog nun Ende Juli 2021 die US-Armee mit ihren NATO-Alliierten ab. Sie ließ eine von ihr unterstützte Regierung zurück. Wenige Wochen später haben die Taliban beinahe das gesamte Land einschließlich der Hauptstadt Kabul eingenommen. Die von den USA unterstützte Ghani-Regierung ist zusammengebrochen. Ghani schrieb 1989:

"Das afghanische Volk hat kein Interesse daran, dass sich die USA auf Mikroebene in seine Politik einmischen. Es wünschte vielmehr, die USA würden aufhören, gemeinsam mit den pakistanischen Generälen die politischen Akteure zu bestimmen und ein Skript für die Zukunft Afghanistans vorzugeben."

Der spätere afghanische Präsident argumentierte damals für eine Selbstbestimmung des afghanischen Volkes – jenseits der sowjetischen Bevormundung, aber auch jenseits einer pakistanischen, iranischen oder US-amerikanischen Beeinflussung. Er kritisierte insbesondere die von den USA vorangetriebene Aufrüstung Pakistans und bestimmter afghanischer Gruppierungen.

Ghani appellierte an den damaligen Präsidenten George H. W. Bush, die "einmalige Möglichkeit einer positiven Agenda für die Zukunft des Landes" zu nutzen. Anstelle einer weiteren Militarisierung und Aufrüstung sollten sich die USA für eine politische Lösung und ein "Referendum unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen" einsetzen.

"Die Bush-Regierung könnte darauf bestehen, dass dem afghanischen Volk das Recht auf Selbstbestimmung gegeben wird. […] Wenn Washington aufhörte, die Afghanen nur als Söldner in ihrem antisowjetischen Kreuzzug zu sehen, könnte es imstande sein, ihr Streben nach Freiheit, Frieden und Wohlstand zu verstehen."

Der damalige Anthropologie-Dozent sagte 1989 den kommenden Zusammenbruch der afghanischen Regierung und die Einnahme der afghanischen Hauptstadt Kabul voraus:

"In Abwesenheit einer Interimsregierung, die wahrhaft das afghanische Volk repräsentiert, gibt es keine Anreize für die friedliche Übergabe von Kabul und anderer Städte, die sich noch in den Händen des sowjetisch-gestützten Regimes befinden. Nahezu drei Millionen Zivilisten steheneingeschlossen im belagerten Kabul bereits jetzt kurz vor dem Verhungern. Ihnen drohen dramatische Verluste, wenn die sie umzingelnden Widerstandsgruppen die Hauptstadt angreifen."

1992 wurde die Nadschibullāh-Regierung gestürzt, Kabul wurde zum Schauplatz eines blutigen Bürgerkriegs. 1996 wurde Kabul von den Taliban erobert. Da enden die Parallelen zwischen Ghani und Nadschibullāh: Dieser blieb bis zur Eroberung Kabuls durch die Taliban in der afghanischen Hauptstadt. Er wurde von den Taliban gefoltert und am 27. September 1996 ermordet. Sein Leichnam wurde vor dem Präsidentenpalast zur Schau gestellt. Ghani soll laut Medienberichten am 15. August aus Kabul geflohen sein – zusammen mit vier randvoll mit Bargeld beladenen Autos.

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